Die Sklavin kehrte mit einer großen Wasserschüssel und einigen Handtüchern zurück, dann ging sie wieder. Eine weitere Sklavin brachte frische Roben. Lorkin erwärmte das Wasser mit Magie, dann streifte er das Jägergewand ab und begann sich zu waschen.
Ein Geräusch lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf die Tür. Er erwartete einen weiteren Sklaven, aber stattdessen fand er sich einer Frau in grünen Roben gegenüber. Sie starrte ihn mit dem gleichen Erstaunen und einer Spur Feindseligkeit an.
Dann begriff er, wer sie sein musste.
»Ihr seid meine Nachfolgerin«, rief er aus. Eine weibliche Assistentin? Hier in Sachaka? Sofort verspürte er Bewunderung für ihren Mut, sich freiwillig für eine solche Aufgabe zu melden.
Sie blinzelte, dann dämmerte ihr die Erkenntnis. »Lord Lorkin! Ihr seid zurück!«
Er nickte. »Ja. Wo ist Botschafter Dannyl?«
Sie verdrehte die Augen. »In Duna, wo er sich damit amüsiert, die Einheimischen kennenzulernen. Er hat mich ganz allein zurückgelassen, damit ich mich um alle anfallenden Dinge kümmere.« Sie senkte den Blick auf die Jägerhose, dann schaute sie ihm wieder ins Gesicht. »Wie zum Beispiel um Euch.«
Duna! Es könnte Wochen dauern, bis er zurückkommt. Was werde ich tun, wenn der König mich vor Dannyls Rückkehr rufen lässt?
»Ich heiße übrigens Merria«, sagte sie und lächelte. »Ich lasse Euch jetzt allein, damit Ihr Euch ankleiden könnt. Wenn Ihr fertig seid, schickt einen der Sklaven zu mir. Ich werde im Herrenzimmer sein. Wir sollten uns besser überlegen, was wir tun wollen. Braucht Ihr zuerst ein wenig Schlaf?«
»Nein, aber etwas zu essen wäre schön.«
Sie nickte. »Ich werde dafür sorgen.«
Dannyl, der gerade aus einem Nickerchen erwacht war, blickte sich in der Kajüte um. Von Tayends Bett kam ein leises Schnarchen. Das Stampfen und Rollen des Schiffes war immer noch sehr deutlich, aber es hatte jetzt schon vor einiger Zeit aufgehört, in allen Fugen zu beben und zu ächzen. Dannyl hatte keine Ahnung, wie viel Zeit vergangen war. Mehr als nur einige wenige Tage, vermutete er.
Er hörte schwere Schritte, dann wurde ihm bewusst, dass dies das Geräusch war, das ihn geweckt hatte. Die Tür der Kajüte wurde geöffnet. Achati hielt auf der Türschwelle inne, dann ließ er den Rahmen los, taumelte vorwärts und hielt sich an der Kante seines Bettes fest. Er kroch hinein und ließ sich mit dem Gesicht nach unten auf die Matratze fallen.
Dannyl erhob sich aus dem Sessel und ging auf den Sachakaner zu. »Ist alles in Ordnung mit Euch?«, erkundigte er sich.
Achati stöhnte, dann seufzte er. »Ja. Nur … müde.« Mit Mühe rollte er sich auf den Rücken. »Der Sturm ist weitergezogen. Seht es Euch auf Deck an, wenn Ihr wollt.«
Dannyl, der sich ein Kichern verkniff, verließ die Kajüte durch die offene Tür und zog sie hinter sich zu. Dann ging er die kurze, steile Treppe zum Oberdeck hinauf und trat durch die Luke ins Sonnenlicht.
Die wenigen Sklaven, die noch auf Deck waren, standen mit herabgesunkenen Schultern da und hielten sich an Seilen oder an der Reling fest, als seien sie zu schwach, um ihr eigenes Gewicht zu tragen. Der Kapitän schaute zu, während ein anderer Sklave das Steuerrad hielt, und unter seinen Augen lagen dunkle Ringe. Als der Mann Dannyls Blick auffing, nickte er. Dannyl erwiderte die Geste. Ein schwaches Lächeln umspielte die Lippen des Kapitäns, dann verschwand es wieder.
Während Dannyl sich auf dem Schiff umschaute, konnte er keine Spuren von irgendwelchen Schäden entdecken. Er hob den Blick und sah, dass der Himmel im Südosten dunkel von Wolken war. Der Sturm, vermutete er, der über sie hinweggezogen war.
Aufgrund der Position der Sonne ging er davon aus, dass es mitten am Nachmittag war. Rechts von ihm war die Küste zu sehen. Ein Land ohne besondere Merkmale, das zur See hin ein flaches, von den Wellen schon sehr mitgenommenes Kliff begrenzte. Nachdenklich schätzte er die Höhe der Klippe ab. Auf der Reise nach Norden war ihm aufgefallen, dass die Klippen stetig höher geworden waren. Wenn er etwas entdeckt hätte, das ihm als Maßstab ihrer Größe hätte dienen können, wäre es ihm möglich gewesen, ihre Entfernung von Arvice grob zu schätzen.
»Sind wir schon da?«
Überrascht drehte Dannyl sich um und sah Tayend durch die Luke aufs Deck treten. Der Elyner wirkte müde und krank, aber nicht so müde wie Achati und nicht so krank, wie er es gewesen wäre, hätte Dannyl seit ihrem Aufbruch aus Duna seine Seekrankheit nicht mit Magie geheilt.
»Ich habe keine Ahnung«, gestand Dannyl.
»Achati schläft.« Tayend trat neben Dannyl und schaute sich um. »Der Sturm ist weitergezogen.«
Seine Beobachtungen schienen keiner Antwort zu bedürfen, daher sagte Dannyl nichts darauf. Sie starrten aufs Meer. In behaglichem, freundschaftlichem Schweigen, dachte Dannyl, aber er stellte fest, dass er, je länger ihr Schweigen währte, sich Tayends Anwesenheit deutlicher bewusst wurde.
»Wie fühlst du dich?«, fragte er schließlich.
»Gar nicht so schlecht.« Tayend zuckte die Achseln. »Ich werde wahrscheinlich bald etwas von diesem Heilmittel einnehmen.«
»Das brauchst du nicht«, versicherte ihm Dannyl.
»Nein, ist schon gut. Ich könnte ein wenig Schlaf gebrauchen.«
Dannyl nickte. »Also, hat dir die Reise Spaß gemacht?«
Tayend antwortete nicht, und als Dannyl sich umwandte, um ihn anzuschauen, sah er, dass der Elyner nachdenklich die Lippen geschürzt hatte.
»Ja und nein«, erwiderte Tayend. »Ich bin ein wenig enttäuscht, weil ich einen so großen Teil der Zeit unter Drogen gestanden habe. Als wir nach Duna kamen, war es besser, obwohl dieser Ritt den Canyon hinauf ziemlich beängstigend war. Die Stämme waren interessant, aber wir sind nur für einen Tag dort geblieben, und sie haben nur mit dir gesprochen.«
Dannyl seufzte. »Das tut mir leid.«
»Oh, du brauchst dich nicht zu entschuldigen. Es war nicht deine Entscheidung.«
Sie verfielen wieder in Schweigen. Tayend drehte sich im Kreis, betrachtete das Schiff und hielt nach der Küste Ausschau. Er blieb stehen und wandte sich zu Dannyl um.
»Und du?«, fragte er. »Bist du zu irgendeiner Entscheidung gelangt?«
In seiner Frage lag ein anklagender Unterton. Dannyl runzelte die Stirn. Der Blick des Elyners war scharf und ruhig. Obwohl Dannyl wusste, dass Tayend sehr viel klüger war, als man das aus seinem Benehmen häufig schließen konnte, stellte er plötzlich fest, dass sein ehemaliger Geliebter wie ein vollkommen anderer Mensch wirkte. Ein älterer Mensch, dachte er. Ein reiferer Mensch.
»Ich weiß es, Dannyl«, sagte Tayend mit leiser Stimme. »Ihr zwei seid definitiv mehr als … Freunde. Denkst du, ich würde es nicht merken können, nachdem ich so lange mit dir zusammengelebt habe?«
Dannyl wandte den Blick ab, aber nicht um Schuldgefühle zu verbergen, begriff er. Er wollte es vermeiden, Tayend zornig anzufunkeln.
Er widerstand dem Drang, zu dem Kapitän hinaufzuschauen oder zu den Sklaven, um festzustellen, ob irgendjemand etwas gehört hatte. Stattdessen schuf er eine Barriere um sie beide herum, die keinen Laut nach außen dringen ließ.
»Es ist nichts passiert.«
Tayend rümpfte angewidert die Nase. »Nein?«, sagte er. Dannyl hielt seinem Blick stand. Tayends Augen wurden schmal, dann lächelte er dünn. »Ah, gut. Dann habe ich es also geschafft, einen Teil deiner Dummheiten zu verhindern.«
»Du hast uns also auseinandergehalten?«, entgegnete Dannyl anklagend. »Ich dachte, du würdest vielleicht eifersüchtig sein, aber das ist ja wohl …«
»Mit Eifersucht hat das nicht das Geringste zu tun«, zischte Tayend. »Er ist ein Sachakaner. Ein Ashaki. Ein Schwarzmagier.«
»Du denkst, mir wäre das nicht aufgefallen?«, erwiderte er.
»Offenbar nicht«, sagte Tayend mit ernster Miene. »Denn anderenfalls müsste ich drei Möglichkeiten in Erwägung ziehen: Entweder bist du senil geworden, oder du bist blind vor Liebe, oder du bist zum Verräter geworden. Für die ersten beiden Möglichkeiten habe ich keine Beweise, was mich als Botschafter in eine heikle Situation bringt.«