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Ihre Freundlichkeit machte sie glücklich, und sie war einmal mehr dankbar dafür, dass man ihr nicht die Aufgabe gegeben hatte, Naki hinzurichten. Sie ging zur Tür des Behandlungszimmer, nahm all ihre Entschlossenheit zusammen und klopfte an.

Die Tür schwang nach innen auf. Dorrien winkte sie lächelnd herein. Sie ging durch den Raum und setzte sich.

»Warum der ernste Blick?«, fragte er.

Sie holte Luft, um zu antworten, dann geriet ihr Mut ins Wanken. Wir sollten ein wenig plaudern, bevor ich ihm die schlechten Neuigkeiten überbringe.

»Ich habe mich gefragt, wie die Leute reagieren würden, hätte man mich zu Nakis Henker bestimmt«, sagte sie.

Er bedachte sie mit einem nachdenklichen Blick. »Ernste Gedanken, in der Tat.« Während er überlegte, schaute er sie nicht an. »Ich glaube nicht, dass sie es dir übelgenommen hätten.«

»Aber sie hätten zwangsläufig daran gedacht, wenn ich in der Nähe gewesen wäre. Sie hätten mich noch mehr gefürchtet.«

»Dich gefürchtet? Sie fürchten dich nicht«, sagte er.

Sie sah ihn ungläubig an. Er erwiderte ihren Blick, dann schüttelte er den Kopf.

»Du schüchterst sie ein, Sonea. Das ist etwas anderes. Sie haben Angst vor schwarzer Magie, aber sie haben nicht Angst vor dir. Du hast ihnen bewiesen, dass schwarze Magie einen Menschen nicht zum Mörder macht.«

»Ich habe sie benutzt, um zu töten«, bemerkte sie.

Er breitete die Arme aus. »Das ist etwas anderes. Du hast es zur Verteidigung Kyralias getan. Sie würden an deiner Stelle das Gleiche tun.«

Sie sah ihn nicht an. »Ich habe auch magische Heilkunst benutzt, um zu töten. Das kommt mir noch viel schlimmer vor.« Sie blickte sich im Raum um. »Ich bin eine Heilerin. Ich soll Menschen gesund machen, nicht töten. Wenn ich Naki hätte hinrichten müssen, denke ich, wäre es den Menschen schwergefallen, diese beiden Dinge miteinander in Einklang zu bringen.«

Dorriens Kiefermuskeln verspannten sich. »Sie hat mit Absicht schwarze Magie gelernt und zu ihrem eigenen Nutzen damit getötet.«

Sonea zuckte die Achseln. »Trotzdem, ich glaube, es hätte die Art, wie die Menschen mich sehen, verändert. Ich habe nie eine Chance gehabt, eine Disziplin zu wählen. Ich hätte mich dafür entschieden, Heilerin zu werden. Ich arbeite als Heilerin, aber ich darf niemals die grünen Roben tragen. Ich bin eine Schwarzmagierin. Obwohl ich nicht zögern würde, Kyralia abermals zu verteidigen, habe ich diese Rolle nicht gewählt.«

Er lächelte schief. »Ich ziehe es vor zu denken, dass die Heilkunst mich erwählt hat.«

Sie nickte. »Und mich ebenfalls, obwohl du da auch ein starker Einfluss warst.«

Sie musterten einander voller Zuneigung. Vielleicht mit zu viel Zuneigung in Dorriens Fall. Sie nahm ihren Mut und ihre Entschlossenheit zusammen. Es wird Zeit, dem hier ein Ende zu machen.

»Dorrien, ich habe viel über … uns … nachgedacht.«

»Es gibt kein ›uns‹, oder?«, fragte er.

Sie sah ihn überrascht an. Er lächelte hohl.

»Vater ist zu mir gekommen. Er hat mir die guten Neuigkeiten überbracht. Tylia wird sich den Novizen anschließen, die im Winter der Gilde beitreten. Kallen wird wahrscheinlich die Suche nach Skellin übernehmen. ›Warum kehrst du nicht in dein Dorf zurück?‹, hat er vorgeschlagen.«

Sonea starrte ihn an. »Kallen wird die Suche nach Skellin übernehmen?«

Er zog die Augenbrauen hoch. »Das hast du nicht gewusst? Vater hat nicht gesagt, dass es mit Gewissheit feststeht.«

»Nein.« Sie widerstand dem Drang, von ihrem Stuhl aufzuspringen und direkt in Osens Büro zurückzumarschieren. Es sei denn … Rothen könnte das erfunden haben, damit Dorrien keinen weiteren Vorwand mehr hat, in Imardin zu bleiben. Aber das schien etwas weit zu gehen. Vielleicht … Ich habe ihm nie von Dorriens Vernarrtheit in mich erzählt, aber hat er es möglicherweise erraten? Sie sah Dorrien wieder an.

Erneut lächelte er schwach. »Er mag alt sein, aber es ist immer noch sehr schwierig, Geheimnisse vor ihm zu verbergen.«

Sie bewegte sich auf ihrem Stuhl und schob ihre Verärgerung beiseite. »Ich habe ihn nur gebeten festzustellen, ob Tylia nicht schon im Winter beitreten könnte.«

»Warum?«

Sie zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. »Damit du frei wärst, nach Hause zurückzukehren, falls die Zusammenarbeit mit mir für dich unerträglich werden sollte, nachdem ich dir gesagt habe, dass … nun … dass es kein ›uns‹ geben wird.«

Er zuckte zusammen. Sie konnte erkennen, dass er versuchte, diese Regung zu unterdrücken, doch ohne Erfolg. »Warum kann es das nicht geben?«

»Weil du verheiratet bist. Weil mir zwar die Idee an ein ›uns‹ gefällt, sie mir aber nicht so gut gefällt, dass ich Alina und deinen Töchtern wehtun würde. Und weil ich die Achtung vor dir verlieren würde, wenn du ihnen wehtun würdest. Und die Achtung vor mir selbst.«

Er senkte den Blick. »Ich verstehe. Vater sagte auch etwas in der Art. Er hat außerdem darauf hingewiesen, dass meine Beziehung zu Alina sich erst so verschlechtert hat, nachdem wir nach Imardin gekommen sind.« Er seufzte. »Ich war bereit, es mit dem Leben in der Stadt zu versuchen. Sie nicht.« Er brachte ein schuldbewusstes Lächeln zustande. »Würdest du mir glauben, wenn ich sage, dass mir durchaus etwas an ihr liegt?«

Ein Stich der Zuneigung zu ihm durchzuckte sie. »Das würde ich.«

Er nickte. »Ich muss es versuchen. Das ist nur gerecht. Wir waren schon früher unterschiedlicher Meinung, aber wir haben es immer überwunden.« Er schüttelte den Kopf. »Es ist ein Jammer, dass sie so eifersüchtig auf dich war. Sie ist für gewöhnlich so nett zu den Menschen.«

Sonea zuckte die Achseln. »Ich kann ihr keinen Vorwurf daraus machen. Auch wenn sie nicht so scharfsichtig ist wie Rothen, müsste sie immer noch all diese schwarze Magie und meinen Ruf als Mörderin übersehen können.«

Dorrien drohte ihr spielerisch mit dem Finger. »Lass das. Vergiss nicht, du bist das, was zu sein du dich entschieden hast. Deine Roben mögen schwarz sein, aber du hast das Herz einer Heilerin.«

Sonea senkte den Blick und zuckte erneut die Achseln. »Nun, zumindest lassen sie mich größer erscheinen.«

Er lachte leise, dann stand er auf. »Ich sollte wohl besser nach Hause fahren und anfangen, Pläne für unsere Rückkehr ins Dorf zu machen.«

Sonea erhob sich, und sie tauschten die Plätze. »Wann werdet ihr aufbrechen?«

»Einige Wochen nachdem Tylia der Universität beigetreten ist.«

»Denkst du, sie wird sich gut einleben?«

Er nickte. »Sie hat bereits einige Freunde gefunden, sowohl unter den zukünftigen Novizen, die zur gleichen Zeit anfangen werden wie sie, als auch unter denen, die im Sommer an der Universität begonnen haben. Rothen wird ein Auge auf sie halten.«

»Und wir wissen beide, dass er seine Sache ganz hervorragend machen wird.«

Er lächelte. »Das wird er. Gute Nacht, Sonea.«

»Gute Nacht, Dorrien.«

Als die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte, betrachtete Sonea noch eine Weile den verwaisten Stuhl, auf dem er gesessen hatte. Es war nicht so schmerzhaft gewesen, wie sie befürchtet hatte. Für einen Moment durchzuckte sie ein Stich des Bedauerns. Wenn Dorrien nicht verheiratet gewesen wäre …

Sie schob diesen Gedanken weit von sich, ging zur Tür und öffnete sie; dann winkte sie einem Heiler zu, zum Zeichen, dass sie bereit war, Patienten zu empfangen.

Lorkin schlüpfte in seine Roben, strich den feinen, in einem kräftigen Purpurton gefärbten Stoff glatt und seufzte sowohl vor Dankbarkeit als auch vor Wehmut. Es war seltsam tröstlich, wieder in Roben gekleidet zu sein. Nachdem er in sein neues Zimmer zurückgekehrt war, um ein wenig Schlaf nachzuholen, hatte er sogar, wenn auch nur kurz, erwogen, in ihnen zu schlafen.

Die Jägerkleider hatten so viel mehr gejuckt, und doch fühlte sich die Masse an Tuch unmäßig luxuriös und schwer an nach den schlichten, praktischen Gewändern der Verräterinnen. Er konnte jedoch nicht umhin, die volle, dunkle Farbe auszukosten. Obwohl die Farben, die im Sanktuarium hergestellt wurden, sanfte Töne ergaben und er gelernt hatte, die ästhetische Schönheit in ungefärbtem Stoff zu erkennen, hatte das Purpur der Alchemisten etwas zutiefst Befriedigendes.