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Anyi nickte. »Er hat mir geraten, so vorzugehen.«

»Klingt so, als hättest du die Absicht, mich regelmäßig zu besuchen.«

»So ist es.« Anyi lächelte. »Wenn du das möchtest.«

Lilia nickte. »Sehr gern sogar. Die Freunde, die ich hier hatte, habe ich verloren. Die anderen in meiner Klasse wollen nicht mit mir reden. Naki ist … fort. Ich denke nicht, dass irgendjemand anders mein Freund sein will …« Sie hob die Arme, um die schwarzen Bänder vorzuzeigen, die auf die Ärmel genäht waren. »Jetzt, da ich schwarze Magie beherrsche. Selbst wenn sie es wollten, würden ihre Eltern es ihnen verbieten. Und wenn sie es trotz allem wollten, müsste ich mir Sorgen machen, welches ihre wahren Absichten sind.«

Anyi sah Lilia mitfühlend an. »Das dürfte hart werden.«

»Es wird auch nicht aufhören, wenn ich meinen Abschluss habe.«

»Zumindest ist Sonea bereit, dir zu vertrauen.« Anyi blickte sich im Raum um. »Sie hat Freunde, hier und außerhalb der Gilde. Selbst wenn andere darin kein gutes Zeichen sehen, solltest du es tun. Du solltest außerdem wissen …« Anyi beugte sich über die Armlehne ihres Sessels und streckte die Hand aus, um Lilias Wange zu berühren.

Überrascht sah Lilia Anyi in die Augen. Die Miene der Frau war nachdenklich und eindringlich. Anyi ließ sich von ihrem Sessel gleiten und kniete sich mit einer anmutigen Bewegung neben Lilia. Sie nahm die Hand dabei nicht von Lilias Wange und löste den Blick nicht von Lilias Gesicht.

»Du solltest auch dies wissen«, sagte sie.

Sie beugte sich vor und küsste Lilia. Es war ein langsamer, gründlicher Kuss. Es war definitiv nicht der Kuss bloßer Freundschaft, und Lilia konnte nicht anders, als entsprechend darauf zu reagieren. Es bestätigte alles, was sie in Bezug auf Anyi geahnt und in Bezug auf sich selbst vermutet hatte. Es war nicht nur Naki, ging es ihr durch den Kopf. Ich bin es – und Anyi ist es. Und es könnten ich und Anyi sein.

Anyi zog sich ein wenig zurück, dann lächelte sie und ließ sich wieder in ihren Sessel sinken. Sie wirkte, überlegte Lilia, ziemlich selbstgefällig.

»Ich weiß, es ist noch zu früh nach Naki«, sagte sie. »Aber ich fand, du solltest es wissen. Für den Fall, dass du Interesse hast.«

Lilia legte eine Hand auf ihr Herz. Es schlug sehr schnell. Sie fühlte sich beschwingt und verwegen. Sie lachte leise in sich hinein, dann sah sie Anyi an.

»Ich habe definitiv Interesse – und es ist nicht zu früh nach Naki.«

Anyis Lächeln wurde breiter, aber dann wandte sie den Blick ab und runzelte die Stirn. »Trotzdem, ich fände es grässlich, wenn Sonea uns erwischen würde …«

»Sie ist bei einer Versammlung und geht anschließend direkt ins Hospital. Nachtschicht. Wird vor morgen früh nicht zurück sein.«

»… oder ihre Diener«, fügte Anyi hinzu. Sie klopfte mit den Fingern auf die Kante des Sessels, dann hielt sie inne und lächelte. »Verrate mir, wie viel weißt du über die Tunnel unter der Gilde?«

»Ich weiß von ihrer Existenz, aber ich habe sie nie gesehen. Niemand darf dort unten sein.«

»Nun, sofern es dir nicht wirklich ernst damit ist, keine Regeln mehr brechen zu wollen, könnte ich dich ein wenig herumführen.«

Lilia betrachtete die Kratzer auf der Rückseite von Anyis Mantel, dann sah sie ihre Freundin an.

»Ich … ich werde darüber nachdenken.«

Sonea setzte sich mit stummer Befriedigung auf den Stuhl, den Osen ihr angeboten hatte. Der Administrator hatte dafür gesorgt, dass weitere Stühle in sein Büro gebracht wurden, und die Diener hatten sie im Kreis vor seinem Schreibtisch aufgestellt. Osen hatte darauf bestanden, dass Kallen nicht länger an der Wand stehen solle, was bedeutete, dass Sonea sich ebenfalls nicht mehr verpflichtet fühlte, stehen zu bleiben.

Jetzt saßen sie und Kallen links und rechts von Osen und Balkan. Die übrigen Höheren Magier hatten sich, wie Sonea bemerkte, nicht in einer bestimmten Rangfolge platziert. Im Allgemeinen scharten sich die Oberhäupter der Disziplinen umeinander. Sie erwartete jedoch, dass sie bei diesem Treffen die stimmgewaltigsten sein würden. Manche Dinge änderten sich nie.

Rothen schaute zu ihr auf und lächelte. Unwillkürlich sprang auch auf ihre Lippen ein Lächeln. Er war überglücklich gewesen, von Lorkins Rückkehr zu hören, und seit er erfahren hatte, dass Lorkin versuchen würde, ein Bündnis auszuhandeln, und dass er der Gilde eine neue Art von Magie zu bringen beabsichtigte, war er vor Stolz fast geplatzt. An einem Punkt hatte er geseufzt und bekümmert dreingeblickt, und als Sonea sich erkundigt hatte, was ihn bedrücke, hatte er sie entschuldigend angesehen. Sie zuckte zusammen, als sie sich an seine Worte erinnerte.

»Es ist ein Jammer, dass sein Vater das nicht miterleben kann.«

Was ihr aus mehr als den offenkundigen Gründen wehtat. Dass Rothen dies von Akkarin sagen konnte, deutete auf ein Ausmaß der Vergebung für den ehemaligen Hohen Lord hin, von dem Sonea nie gedacht hatte, dass Rothen es jemals erreichen würde.

So sehr Lorkin die anderen auch beeindruckt haben mochte, Sonea war sich nur allzu deutlich darüber im Klaren, dass er noch nicht in Sicherheit war. Was er tat, war riskant. Selbst wenn die Sachakaner nichts davon wussten, mussten sie ihn dennoch als eine potenzielle Informationsquelle betrachten, was die Verräterinnen betraf. Er würde erst sicher sein, wenn er nach Kyralia zurückkehrte.

»Der König ist zu einer Entscheidung gelangt«, eröffnete Osen ihnen. Er wandte sich an Balkan. »Der Hohe Lord hat sich heute Abend noch einmal mit ihm getroffen. Was hat er gesagt?«

»Er konnte die Zustimmung der anderen Anführer der Verbündeten Länder gewinnen«, berichtete Balkan. Sonea verspürte ein seltsames Gefühl irgendwo zwischen Stolz und Bedauern. Vor zwanzig Jahren wäre es nicht möglich gewesen, sich so schnell mit dem Rest der Verbündeten Länder zu beraten. Jetzt bekamen alle Gildebotschafter Blutringe, damit sie sich mit dem Hohen Lord in Verbindung setzen konnten, wann immer die Notwendigkeit dazu gegeben war. »Das Treffen wird stattfinden, und man wird in Verhandlungen eintreten. Sie haben ihre bevorzugten Bedingungen dargelegt. Sie haben sich damit einverstanden erklärt, dass ein Gildemagier die Verbündeten Länder repräsentieren wird. Der König hat die Wahl des Repräsentanten uns überlassen.«

»Das Risiko bei der ganzen Angelegenheit ist nicht gering«, sagte Osen. »Wenn König Amakira von dem Treffen erfährt, wird er versuchen, es zu verhindern. Er könnte es als einen kriegerischen Akt ansehen. Schließlich erwägen wir ein Bündnis mit den Leuten, die er als Rebellen und Verräter betrachtet.«

»Wen wir auch schicken, er wird verletzbar sein. Wir könnten die ganze Gilde schicken und nicht stark genug sein, um einen Angriff abzuwehren«, bemerkte Balkan, dann lächelte er schief. »Amakira würde es wohl kaum übersehen, wenn wir ihm eine Armee von Magiern schickten. Aus diesem Grund haben wir beschlossen, dass nur zwei Magier gehen werden.«

»Allerdings«, fuhr Osen fort, »haben zwei von uns das Potenzial, so stark zu sein wie eine ganze Armee von Gildemagiern.«

Sonea stockte der Atem. Gewiss würden sie nicht sie selbst und Kallen nach Sachaka schicken? Wer würde dann übrig bleiben, um Kyralia zu verteidigen? Lilia war viel zu unerfahren und nicht einmal ausgebildet …

»Wir werden einen Schwarzmagier und einen Assistenten hinschicken«, sagte Balkan. »Der Assistent muss bereit sein, wenn nötig seine magische Stärke zur Verfügung zu stellen. Da das Risiko besteht, dass die beiden Magier im Falle eines Angriffs einer Gedankenlesung unterzogen werden, darf der Assistent kein Höherer Magier sein und auch nicht mehr über den Zweck der Mission erfahren, als unbedingt notwendig ist. Der Schwarzmagier wird durch Lord Leidens Ring vor dem Lesen seiner Gedanken geschützt sein.«

Osen lächelte dünn. »Also, wie Ihr sehen könnt, beschränken sich unsere Wahlmöglichkeiten auf einen von zwei Schwarzmagiern.« Er sah Kallen an, dann Sonea. »Seid Ihr beide bereit, diese Rolle auszuüben?«