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»Du triffst dich heute Abend mit Naki?«, murmelte Madie.

Lilia lächelte. »Ja. Sie wird mir helfen, gekrümmte magische Schläge zu üben.«

Madie holte Luft, um noch etwas hinzuzufügen, dann gab sie einen leisen Laut der Frustration von sich.

»Was ist?«, fragte Lilia und blickte auf.

Das Gesicht ihrer Freundin war angespannt vor Unentschlossenheit und Sorge.

»Was ist?«, wiederholte Lilia.

Madie seufzte und schaute sich im Raum um. Sie beugte sich noch weiter vor. »Die Leute fangen an zu bemerken, dass du viel Zeit mit ihr verbringst. Du musst wissen, was sie reden.«

Lilias Magen krampfte sich zusammen, und ihr wurde übel. »Was reden sie denn?«, zwang sie sich zu fragen.

»Dass du und sie …« Madie richtete sich plötzlich auf, als Indria ihren Namen sagte. Lilia hörte zu, während ihre Freundin die Fragen der Heilerin beantwortete. Die Lehrerin bedachte Lilia mit einem strengen Blick, dann wandte sie sich ab und nahm ihren Vortrag wieder auf.

Lilia beugte sich zu Madie vor. »Was reden sie?«

»Pst. Ich werde es dir später erzählen.«

Während des Rests der Stunde fiel es Lilia doppelt so schwer, sich zu konzentrieren. Was konnten die Leute an ihrer Freundschaft mit Naki finden, das sie zu Klatsch und Tratsch verleitete? War es die Prollie/Schnösie-Geschichte? Hatte es etwas mit Nakis Vater zu tun? Naki hatte gesagt, er missbillige Prollies. Vielleicht drohte er damit, es Naki zu verbieten, sich mit Lilia zu treffen.

Als der Universitätsgong ertönte, waren Lilias Notizen ein wirres Durcheinander, und ihre Gedanken waren in keinem viel besseren Zustand. Sie folgte Madie und Froje aus dem Klassenzimmer.

»Nun?«, drängte sie.

Die beiden Mädchen tauschten einen Blick. Madies Gesichtsausdruck war beinahe flehentlich. Froje wirkte erwartungsvoll. Madie drehte sich um, um Lilia ein dünnes Lächeln zu schenken.

»Wir erledigen das besser, bevor wir uns den Jungen anschließen.« Sie schaute sich im Flur um und führte Lilia und Froje in ein leeres Klassenzimmer. Dann wandte sie sich an Lilia. »Es heißt … Die Leute sagen …« Sie hielt inne und schüttelte den Kopf. »Naki mag keine Jungen.«

»Nun, sie mag sie, aber nicht auf die Art und Weise, wie Mädchen sie mögen sollten«, warf Froje ein.

»Sie mag Mädchen.« Madie sah Lilia an, dann wandte sie den Blick ab.

»Auf eine Art und Weise, wie Mädchen das nicht tun sollten.«

Angespanntes Schweigen folgte. Lilia stellte fest, dass sie nicht überrascht war. Gewiss war sie nicht so schockiert, wie die beiden es von ihr erwarteten. Als Dienerin hatte sie viele Dinge gesehen und gehört, von denen Novizen, die in behüteteren Elternhäusern aufgewachsen waren, nichts wussten. Ihr Vater hatte ihr gesagt, dass sie Menschen nicht so schnell verurteilen solle.

Obwohl die beiden sie nicht ansahen, spürte Lilia die Erwartung ihrer Freundinnen. Als das Schweigen sich in die Länge zog, stieg Panik in Lilia auf. Sie sollte reagieren, oder die beiden würden denken, sie hätte es bereits gewusst.

Und gebilligt.

»Ähm«, begann sie.

»Du weißt doch, was wir meinen, oder? Mädchen, die Mädchen auf die gleiche Weise mögen, wie Jungen es tun …«, erklärte Madie.

»Ich weiß, was ihr meint«, unterbrach Lilia sie. Sie biss sich auf die Unterlippe. »Aber ist es wahr? Ich meine, die Leute denken sich ständig solche Dinge aus. Vor allem über Leute, die sie aus irgendeinem Grund missbilligen. Zum Beispiel weil sie reich und schön sind. Oder weil sie nicht interessiert sind. Naki hat eine Menge Jungen abgewiesen – zumindest habe ich das gehört. Das könnte den Anschein erweckt haben, dass ihr Mädchen lieber sind.«

Die beiden Mädchen runzelten die Stirn und tauschten abermals einen Blick.

»Ich denke, das ist so«, sagte Madie, obwohl in ihrer Stimme ein Anflug von Zweifel mitschwang.

»Man erzählt sich da eine Geschichte, dass sie und eine ihrer Dienerinnen … du weißt schon«, sagte Froje, aus deren Stimme deutlich ihre Abneigung sprach. »Aber die Dienerin wollte es beenden. Naki fand es heraus. Sie arrangierte es so, dass ihr Vater sie zusammen erwischte. Er warf die Dienerin und ihre ganze Familie auf die Straße. Mein Cousin kennt die Familie. Er schwört, dass es wahr ist.«

Die beiden sahen Lilia an. Sie erwiderte die Blicke. Ihr Herz raste. Sie spürte, wie ihr ihre Freundschaft mit Naki entglitt, und das Gefühl gefiel ihr nicht. Die Geschichte über die Dienerin war beunruhigend. Konnte Naki so boshaft und rachsüchtig gewesen sein? Vielleicht ist es eine Übertreibung, erfunden von Dienern, die wütend darüber waren, dass man sie hinausgeworfen hatte – wahrscheinlich aus einem weit besseren Grund.

Sie hasste sich dafür, dass sie so dachte, aber sie wusste, dass nicht alle Diener ehrlich und loyal waren.

Vielleicht waren ihre Freundinnen eifersüchtig, weil sie, Lilia, eine schönere, reichere Freundin gefunden hatte, als sie es waren. Nun, sie hätten mich vielleicht nicht vollkommen ignorieren sollen, sobald sie feste Freunde hatten. Aber das konnte sie nicht sagen, denn es würde es noch verdächtiger erscheinen lassen, dass sie Naki mochte. Vielleicht sagte sie besser etwas, das Naki nützte. Das half, diese dummen Gerüchte zu zerstreuen.

»Es ergibt keinen Sinn«, erklärte sie. »Naki mag ihren Vater nicht. Warum sollte sie zulassen, dass er dies über sie erfuhr? Höchstwahrscheinlich ist die Dienerin aus einem anderen Grund hinausgeworfen worden und hat eine Geschichte erfunden, um ein schlechtes Licht auf Naki zu werfen.«

Froje und Madie wirkten nachdenklich. Wieder tauschten sie einen Blick, diesmal einen zweifelnden. Dann lächelte Madie und wandte sich an Lilia.

»Nun, du hast wahrscheinlich recht, du kennst sie persönlich; wir kennen nur die Geschichten.« Sie runzelte die Stirn. »Aber selbst wenn es nicht wahr ist, machen wir uns trotzdem Sorgen um dich. Die Leute werden reden.«

Lilia zuckte die Achseln. »Lasst sie reden. Sie werden es irgendwann müde werden. Warum sollte Naki wegen boshafter Gerüchte keine Freunde haben?«

Sie drehte sich um und ging auf die Tür zu. Die beiden Mädchen zögerten, dann hörte Lilia, dass sie ihr folgten. Sie hörte außerdem ein leiseres Geräusch. Ein schnelles Flüstern. »Warum machst du dir überhaupt solche Mühe? Wir sind jetzt sowieso nicht mehr gut genug für sie.«

Lilia ging weiter und tat so, als habe sie nichts gehört. Aber sie empfand auf bittere Weise eine Art Triumph. Ich habe recht. Sie sind eifersüchtig. Andererseits hatte sie mit leisen Gewissensbissen zu kämpfen, als die Mädchen sich ihr anschlossen. Es war die Wahrheit. Naki war eine interessantere und aufregendere Freundin als diese beiden – als es diese beiden je gewesen waren, selbst als ihre festen Freunde sie noch nicht abgelenkt hatten.

Vor allem, wenn das, was man über Naki sagt, die Wahrheit ist.

Sie wollte jetzt nicht daran denken. Nicht weil sie befürchtete, die Geschichten könnten wahr sein, sondern weil sie Angst hatte, dass ihre Freundinnen irgendwie die brodelnde Erregung spüren würden, die ihre Warnung tief in ihr entfacht hatte. Und wegen der unausweichlichen Fragen, die dieses Gefühl aufwarfen.

Was ist, wenn es auch auf mich zutrifft?

Sie wusste nur eines mit Bestimmtheit: Sie verspürte nicht den Abscheu, den sie verspüren sollte, und das war etwas, das sie ihren Freundinnen – oder irgendjemand anderem – niemals würde sagen können. Vielleicht würde sie es nicht einmal Naki erzählen können.

Während die Gildekutsche durch die Straßen von Arvice rollte, bemerkte Dannyl, dass Lady Merria die Anblicke, die sich ihr boten, mit hungrigen Augen aufsog. Obwohl sie erst vor zehn Tagen eingetroffen war, verspürte sie bereits die Langeweile, die es bedeutete, den größten Teil der Zeit im Gildehaus eingesperrt zu sein.