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Rothen blickte nachdenklich drein. »Manchmal wünschte ich, ich hätte nicht aufgehört, in den Abendsaal zu gehen, um mir den Klatsch anzuhören.«

»Ich werde sehen, was ich in Erfahrung bringen kann«, erklärte Dorrien achselzuckend.

»An einem einzigen Abend?«, spottete Sonea.

Dorriens Augen funkelten schelmisch. »Wenn man die Gilde nur für wenige Wochen im Jahr besucht, überschlagen sich alle, um einen über die letzten Skandale ins Bild zu setzen. Ich werde euch beide heute Abend ein wenig früher verlassen müssen, um zur richtigen Zeit dort zu sein, aber wenn es eine Antwort auf diese Frage gibt, werde ich sie euch morgen früh liefern können.«

Ein weicher, glatter Stoff ergoss sich über Lilias Kopf und fiel herab, nur um im letzten Moment an ihrer Hüfte strammgezogen und in kunstvolle Falten gelegt zu werden. Naki trat zurück.

»Es passt wie angegossen.« In ihrer Stimme lagen Erheiterung und Ärger, und sie verschränkte die Arme vor der Brust und zog demonstrativ einen Schmollmund. »Es ist nicht gerecht. Ich bin aus allem herausgewachsen, und es hat keinen Sinn, es dir zu schenken, weil wir nie wieder Gelegenheit haben werden, Kleider zu tragen.« Dann lächelte sie. »Du siehst großartig aus. Geh und schau einmal in den Spiegel.«

Lilia näherte sich zögernd dem Spiegel und betrachtete sich. Sie füllte das Oberteil des Kleides nicht ganz aus, aber das hätte sich mit einigen Polstern in Ordnung bringen lassen. Obwohl sie häufig die Frau und die Töchter ihres früheren Arbeitgebers so elegant gekleidet gesehen hatte, hätte sie es nie gewagt, ihre Kleider anzuprobieren.

»Du siehst wunderschön aus«, sagte Naki und trat hinter Lilia. Sie legte Lilia die Hände auf die Schultern. Ihre Finger waren kalt, und Lilia überlief ein Schauer. Sie dachte daran, was Madie und Froje über ihre neue Freundin gesagt hatten, dann drängte sie den Gedanken eilig beiseite.

Naki runzelte die Stirn. »Du bist ja ganz angespannt. Was ist los? Ist es unbequem?«

Lilia schüttelte den Kopf. »Ich habe das Gefühl, nun … wir tun etwas Verbotenes. Magier müssen immer Roben tragen.«

Naki verzog die Lippen zu einem schelmischen Grinsen. »Ich weiß. Es macht irgendwie Spaß, nicht wahr?«

Als sie das Grinsen ihrer Freundin sah, konnte Lilia nicht umhin zu lächeln. »Ja, aber das liegt nur daran, dass niemand sonst uns sehen kann.«

»Es ist unser böses Geheimnis«, sagte Naki und wandte sich ab. Sie bückte sich, um nach dem Saum ihres Kleides zu greifen, und zog es sich mit einer einzigen Bewegung über den Kopf. Darunter trug sie nur ein Unterhemd, und Lilia wandte hastig den Blick ab.

»Tatsächlich solltest du etwas wirklich Schlimmes tun«, fuhr Naki fort, während sie in ihre Novizenrobe schlüpfte. »Dann wirst du in der Lage sein, etwas wie dies hier zu machen, ohne dich so zu verkrampfen.« Sie hielt inne, um nachzudenken, dann grinste sie. »Ich weiß genau das Richtige für dich. Warte hier. Ich bin gleich wieder zurück.«

Naki verschwand durch die Haupttür zu ihrem Schlafzimmer. Lilia nutzte die Gelegenheit, sich umzuziehen, während ihre Freundin nicht zusah, schlüpfte aus dem Kleid und zog hastig wieder ihre Roben an. Als sie die Schärpe verknotete, kehrte Naki mit einem kleinen, schwarzen Gegenstand zurück. Sie hielt ihn mit einer triumphierenden Gebärde hoch.

Er war wie ein metallener Vogelkäfig, nur kleiner und klobiger. Lilia starrte ihn verwundert an. Naki lachte. Sie bedachte den Käfig mit einem direkten Blick, und Rauch begann aus den Öffnungen zu quellen. Lilia begriff jäh, und in das Begreifen mischten sich Bestürzung und Neugier.

»Es ist ein Kohlebecken für Feuel!«

»Natürlich.« Naki verdrehte die Augen. »Du bist so unschuldig, Lilia. Es ist schwer zu glauben, dass du aus einer Dienstbotenfamilie stammst.«

»Der Arbeitgeber meiner Familie hat Feuel missbilligt.«

Naki zuckte die Achseln. »Das tun jede Menge Leute. Sie vertrauen neuen Dingen nicht. Irgendwann werden sie einsehen, dass Feuel nicht schlimmer ist als Wein – und in mancher Hinsicht sogar besser. Man bekommt davon keinen Kater.« Sie begann, sich die Luft zuzufächeln, und atmete tief ein. Nach einigen Atemzügen schloss sie die Augen und seufzte anerkennend. Ihre Augen waren dunkel und verführerisch, als sie Lilia ansah und sie herbeiwinkte. »Komm näher. Versuch es.«

Lilia gehorchte. Sie beugte sich über das Kohlebecken und atmete tief ein. Ein wohlduftender Rauch füllte ihre Lunge. Sie hustete, und Naki legte eine Hand auf den Mund und kicherte. Statt gekränkt darüber zu sein, dass ihre Freundin sie ausgelacht hatte, stellte Lilia fest, dass es ihr nichts ausmachte. Weiterer Rauch füllte ihre Brust. Ihr Kopf begann sich zu drehen.

»Beim letzten Mal habe ich einen großartigen Platz dafür gefunden«, sagte Naki und ging auf ihr Bett zu. Sie hängte das Kohlebecken auf einen Kleiderbügel und schob die Kleider ans andere Ende der Stange. Dann ließ sie sich aufs Bett fallen.

Lilia lachte abermals. Naki drehte sich um, um ihr zuzulächeln, und klopfte auf die Bettdecken. »Komm und leg dich hin. Es ist sehr entspannend.«

Zu Lilias Erleichterung weckte die Aussicht, neben Naki auf einem Bett zu liegen, nur ein mildes, fernes Echo der Nervosität, die sie früher einmal verspürt hätte. Sie ließ sich neben ihrer Freundin auf die Matratze sinken.

»Machst du dir immer noch Sorgen, dass wir Ärger bekommen könnten?«, fragte Naki.

»Nein. Plötzlich ist mir alles egal.«

»Das ist es, was Feuel bewirkt. Man hört auf, die Dinge wichtig zu nehmen. Man hört auf, sich Sorgen zu machen.« Sie drehte den Kopf, um Lilia anzusehen. »Du scheinst dir in letzter Zeit eine Menge Sorgen zu machen.«

»Ja.«

»Worüber?«

»Die Mädchen in meiner Klasse. Die, die meine Freundinnen waren. Sie haben Dinge über dich gesagt.«

Naki lachte. »Darauf möchte ich wetten. Was haben sie denn gesagt?«

Warum habe ich das gesagt? Verdammt. Ich kann es ihr nicht erzählen … oder doch? Es wäre gut, die Wahrheit zu kennen … »Dass … dass du Frauen magst. Anstelle von Männern. Ich meine …« Lilia holte tief Luft und hustete abermals, als der Rauch ihre Lunge füllte. »Ich meine, du ziehst weibliche Geliebte vor, so wie manche Männer männliche Geliebte vorziehen.« Sie legte eine Hand auf den Mund. Warum habe ich das getan? Warum bin ich einfach damit herausgeplatzt? Naki wird mich hassen!

Aber Naki lachte nur abermals. Ein sorgloses, schelmisches Lachen. »Ich wette, das hat ihnen für Monate interessante Träume beschert.«

Lilia kicherte. Sie versuchte sich vorzustellen, dass Froje und Madie Tagträumen nachhingen über … Nein, denk nicht daran.

»Du willst wissen, ob es wahr ist.«

Lilia blinzelte überrascht, dann sah sie Naki an.

Ihre Freundin schaute ihr in die Augen und lächelte. »Es ist wahr. Und dir geht es genauso, hab ich recht? Oder … du bist dir nicht sicher.«

Lilia, deren Gesicht plötzlich brannte, wandte den Blick ab. »Ich …«

»Nur zu. Mir kannst du es erzählen.«

»Nun … ich glaube, ja … hm … kannst du mir etwas dazu raten?«

Naki drehte sich um und zog sich in eine sitzende Position hoch. »Mein Rat ist, dir deswegen keine Sorgen zu machen.« Sie hob die Hand und hängte das Kohlebecken ab. Es hatte aufgehört zu rauchen. »Frauen verlieben sich seit Jahrhunderten in Frauen. Männer haben immer angenommen, sie seien einfach enge Freundinnen. Was genau anders ist als bei den Männern, die keine engen Freunde sein können, aus Furcht, dass andere denken werden, sie seien in Wirklichkeit ineinander verliebt.« Sie kicherte, dann stieg sie aus dem Bett und winkte Lilia zu sich. »Mädchen können leicht Geheimnisse haben, weil niemand uns die Aufmerksamkeit schenkt, die uns gebührt. Lass uns in die Bibliothek gehen.«

Lilia richtete sich auf, dann hielt sie inne und schloss die Augen, als ihr Kopf sich zu drehen begann. »Die Bibliothek? Warum in die Bibliothek? Warum jetzt?«

»Weil da etwas ist, das ich dir zeigen will, bevor Vater nach Hause kommt. Und ich will noch ein wenig Feuel.«