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Das richtige Benehmen Besuchern gegenüber

Zuerst erweist man dem Ashaki Respekt, dann dem Magier, dann dem freien Mann. Männern vor Frauen. Älteren vor Jüngeren. Diebstahl ist eine große Missetat, und heute wurden unsere bleichen Besucher von einem der ihren beraubt. Von ihrem eigenen verrückten Kaiser. Er nahm die Waffe von unseren Kehlen und lief davon. Viele der Bleichen haben Jagd auf ihn gemacht. Es ist eine große Chance. Ich bin wütend und traurig. Meine Landsleute sind zu eingeschüchtert, um auch nur den Vorteil zu nutzen, den sie haben. Sie sagen, der verrückte Kaiser könnte mit dem Messer zurückkehren und uns bestrafen. Sie sind Feiglinge.

Aufgrund der Tatsache, dass die säuberlichen Buchstaben jetzt einem Gekritzel wichen, vermutete er, dass es mitten in der Eintragung einen Zeitsprung gab und dass der letzte Teil hastig oder in Wut hinzugefügt worden war. Der Hinweis auf eine Waffe war nicht neu – die Verfasserin hatte sie bereits als einen Grund dafür bezeichnet, dass die Sachakaner Angst davor hatten, sich gegen die Kyralier zu erheben. Aber jetzt hatte Narvelan diese Waffe gestohlen. Warum?

Wie man auf die Neuigkeit vom Tod eines Rivalen reagiert

Unsere Freiheit ist unvermeidlich und kommt von den Händen eines Narren! Eine große magische Explosion hat das Land im Nordwesten verbrannt. Solche Macht kann nur von dem Lagerstein gekommen sein. Kein anderes Artefakt und kein anderer Magier sind so mächtig. Es ist klar, dass der verrückte Kaiser versucht hat, ihn zu benutzen, als seine Leute ihn zur Rede stellten, aber dann hat er die Kontrolle über den Lagerstein verloren. Wir sind sie beide los! Viele der Bleichen sind gestorben, also sind noch weit weniger hier, um uns zu beherrschen. Es wird befürchtet, dass sie eine weitere Waffe haben. Aber wenn sie sie nicht hierherbringen, wird mein Volk sich aus seiner Feigheit erheben und sein eigenes Land zurückholen. Das Land, das durch den Lagerstein verbrannt wurde, wird sich erholen. Wir werden wieder stark sein.

Ein Schauer überlief Dannyl. In ihrer Aufregung hatte die Tagebuchschreiberin die Waffe bei ihrem wahren Namen genannt: der Lagerstein. Wenn sie also recht hatte, hatte Narvelan den Stein genommen. Er hatte versucht, ihn zu benutzen, die Kontrolle verloren und das Ödland geschaffen.

Es ergibt alles einen Sinn, wenn man es so zusammenfügt. Nur dass es keinen offenkundigen Grund gibt, warum Narvelan den Lagerstein gestohlen haben sollte. Vielleicht brauchte er keinen guten Grund, wenn er wirklich so wahnsinnig war, wie es die Unterlagen behaupten.

Plötzlich brach die Bindung, und mehrere Seiten fielen heraus. Als Dannyl noch einmal auf die erste Seite blickte, sah er, dass die Schrift bereits wieder verblasste. Er zog mehrere Bögen Papier heraus und füllte die Tinte im Fass nach. Dann rief er nach einem Sklaven, der ihm Sumi und etwas zu essen bringen sollte.

Ich werde das Buch jetzt abschreiben, beschloss er. Selbst wenn es mich die ganze Nacht kostet.

Lilia zögerte und musterte den massigen, strengen Mann in der Tür. Obwohl er sich verbeugt hatte, war diese Verbeugung nur eine Geste gewesen. Etwas an ihm verursachte ihr Unbehagen. Der Mann runzelte die Stirn, als sie nicht hinter Naki herging. Sein Blick wanderte zu der Straße hinter ihr, auf der Suche nach irgendetwas. Dann öffnete er den Mund.

»Kommt Ihr nun herein oder nicht?«

Die Stimme war überraschend hoch und mädchenhaft, und für einen Moment kämpfte Lilia gegen den Drang zu kichern. Ihre Nervosität verschwand, und sie schob sich an ihm vorbei in den schummrigen Flur.

Es war kein besonders großer Flur: Er bot lediglich genug Platz für den Wachposten, der dort stand, und die Leute, die an ihm vorbei zur Treppe gingen. Naki stieg ins nächste Stockwerk hinauf. Hinter den Wänden erklangen seltsame, gedämpfte Geräusche, und die Luft roch nach einer Mischung von Fremdartigem und Vertrautem. Wieder regte sich in Lilia ein leichtes Gefühl der Furcht.

Sie hatte erraten, was für ein Haus dies war. Sie hatte aus Nakis rätselhaftem Verhalten – ihre Freundin hatte sich geweigert zu sagen, wo sie hingingen – geschlossen, dass sie wohl kaum auf dem Weg zu einer konventionellen Abendunterhaltung waren. Obwohl es Novizen nicht verboten war, diese Häuser zu betreten, erwartete man dennoch von ihnen, dass sie sie nicht besuchten.

Sie wurden Glühhäuser genannt. Oder Lusthäuser. Als die beiden Mädchen oben an der Treppe angelangten, verneigte sich eine Frau in einem teuren, aber ziemlich geschmacklosen Kleid und fragte, was sie wünschten.

»Einen Glühraum«, antwortete Naki. »Und etwas Wein.«

Die Frau bedeutete ihnen, ihr zu folgen, und ging den Flur entlang.

»Ich habe Euch eine ganze Weile nicht mehr gesehen, Novizin Naki«, erklang eine männliche Stimme hinter Lilia.

Naki blieb stehen. Lilia bemerkte, dass keine Spur von Begeisterung in Nakis Zügen lag, als sie sich umdrehte. Das Lächeln ihrer Freundin war gezwungen.

»Kelin«, sagte sie. »Es ist wirklich zu viel Zeit vergangen. Was machen die Geschäfte?«

Als Lilia sich umwandte, sah sie einen relativ kleinen, untersetzten Mann, der stark schielte. Er öffnete die Lippen, und schiefe Zähne blitzten auf. Falls es ein Lächeln war, hatte es nichts Freundliches.

»Die Geschäfte laufen sehr gut«, antwortete er. »Ich würde Euch ja hereinbitten«, sein Blick flackerte zu Lilia, »aber wie ich sehe, habt Ihr eine bessere Gesellschaft, um Euch ein wenig Ablenkung zu verschaffen.«

»In der Tat.« Naki trat vor und hakte sich bei Lilia unter. »Aber vielen Dank, dass Ihr daran gedacht habt«, rief sie über die Schulter, während sie einen Schritt vorwärtsmachte und Lilia hinter der Dienerin herschob.

Sie wurden nach oben geführt, in einen kleinen Raum mit einem großzügigen Zweiersofa und einem winzigen Kamin, vor dem auf den Kacheln ein Kohlebecken stand. Ein schmales Fenster ließ eine Mischung aus Mond- und Lampenlicht herein, und die kleinen, beschirmten Lampen, die zu beiden Seiten des Kamins hingen, waren kaum heller. Es roch nach würzigem Rauch und etwas schwach Säuerlichem.

»Winzig, aber behaglich und privat«, sagte Naki und deutete auf den Raum.

»Wer war dieser Mann?«, fragte Lilia, als sie sich auf dem Sofa niederließen.

Naki rümpfte die Nase. »Ein Freund der Familie. Er hat meinem Vater einmal einen Gefallen getan, und jetzt benimmt er sich, als sei er ein Verwandter.« Sie zuckte die Achseln. »Aber er ist ganz in Ordnung, wenn man erst einmal versteht, was ihm wichtig ist.« Sie drehte sich zu Lilia um. »Das ist das Geheimnis im Umgang mit Menschen: zu wissen, was ihnen wichtig ist.«

»Was ist dir wichtig?«, fragte Lilia.

Ihre Freundin neigte den Kopf zur Seite, während sie nachdachte. Das Lampenlicht ließ ihr Profil sanft leuchten. Sie sieht nachts am besten aus, ging es Lilia durch den Kopf. Es ist ihre natürliche Tageszeit.

»Freundschaft«, antwortete Naki. »Vertrauen. Treue.« Sie beugte sich näher heran, und ihr Lächeln wurde breiter. »Liebe.« Lilia stockte der Atem, aber ihre Freundin rückte wieder von ihr ab. »Und dir?«

Lilia atmete tief ein, dann aus, aber ihr drehte sich der Kopf. Und wir haben mit dem Feuel noch nicht einmal angefangen. »Das Gleiche«, sagte sie, voller Angst, dass sie zu lange für ihre Antwort brauchte. Liebe? Sollte das möglich sein? Liebe ich Naki? Es macht mir auf jeden Fall mehr Spaß, mit ihr zusammen zu sein, als mit anderen, und sie hat etwas gleichzeitig Erregendes und leicht Beängstigendes an sich.

Naki erwiderte nichts, sondern starrte sie nur eindringlich an. Dann kam von der Tür ein Klopfen. Naki wandte den Blick ab und öffnete sie mit Magie. In Lilia wetteiferte Erleichterung mit Enttäuschung, als die Dienerin ein Tablett mit einer Flasche Wein, Kelchen und einer kunstvollen Schachtel hereintrug.