Ich muss gestehen, ich hoffe, er hat nicht aufgegeben, aber gleichzeitig ist die Vorstellung, was für ein mächtiger Mann Achati ist, sowohl ernüchternd als auch interessant. Nicht zu vergessen die Tatsache, dass er Sachakaner ist und ich Kyralier bin und manche Leute immer noch das Gefühl haben, wir seien Feinde. Wenn ich einen Sachakaner zum Freund hätte, würde man das für vorteilhaft halten, weil es dem gegenseitigen Respekt und Verständnis unserer Völker zugutekäme. Hätte ich aber einen als Geliebten, so würde das nur den Verdacht geteilter Loyalität erwecken.
»Also war der Schatz, der aus dem Palast gestohlen wurde, ein Gegenstand zum Einlagern von Magie«, sagte Achati mit nachdenklicher Miene.
Dannyl blickte auf und nickte. »Der König hat mir erzählt, dass vor langer Zeit etwas gestohlen wurde. Ich dachte, es würde Euch interessieren, was der Zweck des gestohlenen Gegenstands war.«
»Ja.« Fältchen der Erheiterung erschienen um Achatis Augen. »Wir haben uns nicht daran erinnert, was es war, nur dass es gestohlen wurde. Wenn wir uns doch nur daran erinnert hätten, dass es ein Gegenstand war, der benutzt wurde, um uns zu beherrschen – ein Gegenstand, der mächtig genug war, um das Ödland zu schaffen –, hätten wir vielleicht keinen solchen Groll gehegt. Oder doch gerade«, fügte er hinzu. »Da Euer Volk ihn schließlich tatsächlich benutzt hat, um das Ödland zu schaffen.«
»Ein Groll, der verdient ist.« Dannyl schauderte bei dem Gedanken an das tote Land, durch das er gereist war, um nach Arvice zu gelangen. »Ich habe mich oft gefragt, wie die Kyralier hier ihre Herrschaft aufrechterhalten haben. Soweit ich erkennen kann, waren nicht so viele kyralische Magier hier wie sachakanische. Vielleicht ist die Drohung des Lagersteins die Antwort.«
»Nicht lange nachdem der Gegenstand gestohlen wurde, haben die Kyralier die Herrschaft über mein Land aufgegeben«, erklärte Achati.
Dannyl nickte abermals. »Wir haben immer angenommen, unsere Vorfahren hätten es getan, weil sie glaubten, das Ödland sei Schutz und Abschreckungsmittel genug.«
Achati verzog das Gesicht. »Es hat Sachaka gewiss geschwächt. Wir hatten unsere fruchtbarsten Länder verloren und waren zu dem Zeitpunkt bereits ein Land mit mehr Menschen, als wir ernähren konnten, obwohl im Krieg so viele Ashaki ihr Leben gelassen hatten.« Er holte tief Luft und stieß sie dann langsam wieder aus. »Was Ihr vorhin gesagt habt, dass es Anfangserfolge bei der Rekultivierung des Ödlands gegeben habe, wird den König sicher interessieren. Es ist seine Hoffnung, dieses Land zurückzugewinnen.«
»Das wäre ein großer Erfolg.«
»Ja.« Achati runzelte die Stirn. »Es ist seltsam, dass die Kyralier keine Erinnerung an diesen Lagerstein haben.«
»Ich kann nur vermuten, dass alle Hinweise darauf bei Imardins Zerstörung verloren gingen, was, wie ich jetzt glaube, Jahrhunderte später geschah.« Dannyl seufzte. »Alle guten Entdeckungen werfen neue Fragen auf. Warum hat Narvelan den Stein gestohlen? Warum hat er ihn benutzt? Ich bezweifle, dass wir es jemals erfahren werden, da er und jene, die ihm vielleicht entgegengetreten sind, ihre Geschichte nicht mehr erzählen können.«
Achati nickte. »Ich wüsste gern, woher der Lagerstein kam. Hatte er seinen Ursprung in Kyralia? Wurde er geschaffen, oder war er natürlichen Ursprungs?« Achati schüttelte den Kopf. »Ich bin mir sicher, dass Ihr um Kyralias willen ebenso sehr Antworten auf diese Fragen sucht wie Eures Buches wegen. Jedem Land würde eine Katastrophe drohen, wie Sachaka sie erlitten hat, sollte eine solche Waffe in die Hände seines Feindes fallen.«
»Dankenswerterweise scheinen Lagersteine nicht allzu häufig zu sein. Möglicherweise gibt es gar keine mehr.«
Die beiden Männer schwiegen eine Weile und dachten darüber nach, dann lächelte der Ashaki wieder. »Ich muss zugeben, dass mich Eure Forschungen mehr und mehr interessieren. Ich habe darüber nachgedacht, wie ich Euch sonst noch helfen kann.«
»Die Buchhändler auf dem Markt werden mich in Kenntnis setzen, wenn sie weitere alte Dokumente ankaufen«, entgegnete Dannyl. Achati hatte bereits genug getan, indem er verschiedene Ashaki dazu überredet hatte, dem Gildebotschafter ihre Bibliotheken zu öffnen, und Dannyl wollte nicht, dass sein neuer Freund und Verbündeter an Respekt verlor, weil er fortfuhr, die Ziele eines unbeliebten Fremdländers zu fördern.
»Ihr könnt Euch nicht auf sie verlassen«, sagte Achati. »Sie werden an den Höchstbietenden verkaufen. Und es besteht kein Grund für Euch zu warten, bis ein Gutsbesitzer verzweifelt genug ist, um seine alten Dokumente zu verkaufen. Es besteht keine Notwendigkeit, sie alle zu erwerben. Wir können zu den Ashaki hinfahren.«
Dannyl sah den Mann mit einem überraschten Blinzeln an. »Zu ihnen hinfahren? Sie besuchen?«
»Ja. Wie Ihr wisst, sind Landgüter verpflichtet, reisenden Ashaki eine Mahlzeit und ein Bett anzubieten, und als Freund und Repräsentant des Königs stehen mir zusätzliche Aufmerksamkeit und Vergünstigungen zu. Wenn ich ein Interesse an ihren alten Dokumenten zeige, sind die Chancen groß, dass sie sie uns zeigen werden. Auf diese Weise braucht Ihr nichts zu kaufen, und das wäre sinnvoll, weil einige Leute denken könnten, Ihr würdet vom Niedergang der Opfer des Ödlands profitieren, das Euer Volk geschaffen hat.«
»Aber … was ist mit Euren Pflichten als Repräsentant und Ratgeber des Königs? Was ist mit meinen Pflichten als Gildebotschafter?«
Achati lachte leise. »Der König hat mehr als einen Freund und Ratgeber, und Ihr seid kaum überhäuft mit Arbeit. Sollte sich irgendetwas ergeben, bin ich mir sicher, dass Botschafter Tayend und Eure Assistentin damit fertig werden können.« Dann wurde er wieder ernst. »Ich möchte, dass Ihr so viel wie möglich über den Lagerstein in Erfahrung bringt. Sollte es immer noch einen solchen Stein geben oder einer neu geschaffen worden sein, könnte das schreckliche Folgen für alle Länder haben.«
Dannyl stockte der Atem. Achati hatte recht: Wenn noch ein Lagerstein existierte oder neu geschaffen werden konnte, würde er sowohl für Sachaka als auch für die Verbündeten Länder eine große Gefahr darstellen. Was würden die Verräterinnen tun, wenn sie einen solchen Stein in die Hände bekämen? Sie würden sich gegen die Ashaki erheben. Aber würden sie sich damit begnügen, Sachaka zu erobern? Oder würden sie versuchen, ihr Herrschaftsgebiet weiter auszudehnen?
Bei diesem Gedanken machten ihm ein schlechtes Gewissen und eine gewisse Furcht zu schaffen. Er hatte Achati selbstverständlich nicht alles erzählt, was er wusste. Vor allem nichts von den Edelsteinen, auf deren Herstellung Unhs Volk und die Verräterinnen sich verstanden. Darüber hatte Dannyl nur zwei Personen in Kenntnis gesetzt: Lorkin und Administrator Osen. Osen hatte ihm zugestimmt, dass es das Beste sei, dieses Wissen geheim zu halten, da es Lorkin gefährden könnte, wenn Dannyl den Sachakanern Informationen über die Verräterinnen offenbarte.
Er schauderte. Kann ich die Sachakaner irgendwie warnen, dass die Verräterinnen imstande sind, magische Edelsteine zu fertigen, ohne dass es den Eindruck erweckt, ich hätte bereits früher davon gewusst? Er glaubte nicht, dass ihm das möglich war.
Sollte ich Achatis Hilfe akzeptieren, um mehr über den Lagerstein in Erfahrung zu bringen? Wenn es irgendwo noch Wissen über diese Waffe gab, dann in Sachaka. Die Sachakaner würden früher oder später darauf stoßen, wenn Dannyl ihnen nicht zuvorkam. Er sollte sich den Umstand zunutze machen, dass Achati willens war, die Suche für ihn zu übernehmen.
Wo würde ich die Suche beginnen?
Er musste lächeln, als er die offensichtliche Antwort bedachte.