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»Wir sehen uns morgen«, hatte Naki gesagt. »Vergiss nicht, wir dürfen uns nicht anmerken lassen, dass wir vielleicht mehr sind als Freundinnen. Verstehst du? Nicht eine Andeutung. Nicht einmal dann, wenn du denkst, wir seien allein. Es ist der Beobachter, den du nicht siehst, der dich ertappt.«

»Mehr als Freundinnen.« Das heißt bestimmt, dass Naki mich ebenfalls liebt.

Ein plötzlicher Aufprall auf ihrem Schild lenkte ihre Aufmerksamkeit jäh zurück auf die Arena, und sie zog instinktiv mehr Magie in sich hinein und sandte sie in ihren Schild.

»Die erste Runde geht an Froje«, verkündete Lady Rol-Ley. »Beginn von Runde zwei.«

Am Tag nach ihrem Besuch im Glühhaus hatte Naki gesagt, Lilia könne am Wochenende bei ihr zu Hause übernachten. Lilia versuchte, nicht darüber nachzudenken. Stattdessen holte sie tief Luft und zwang sich, sich auf die beiden in der Arena kämpfenden Mädchen zu konzentrieren und darauf, ihren Schild stark zu halten.

Aber die ganze Zeit flatterte ihr Magen vor Erregung.

Sobald er die Tür öffnete, verstand Lorkin sofort, warum Evar diesen Durchgang in seiner Wegbeschreibung als Tunnel bezeichnet hatte. Die Wände waren nur grob behauen. Über eine lange Strecke hinweg sah es aus, als folge er einer natürlichen Kluft des Gesteins, deren Grund mit Steinplatten bedeckt war und deren Wände sich über seinem Kopf langsam verjüngten, bis sie in der Dunkelheit unkenntlich wurden. Seine Vermutung entpuppte sich als richtig, als der Boden abrupt endete. Er spähte über den Rand und sandte seine Lichtkugel voraus. Der Spalt führte nach unten, und die Steinplatten des Bodens waren einfach zwischen den Wänden verkeilt worden, wie er jetzt feststellte. Es war unmöglich zu erraten, wie tief es hinabging. Das Licht seiner Kugel drang nicht weit genug in die Dunkelheit vor.

Schaudernd wandte er sich einem großen, auf einer Seite in den Fels gehauenen Loch zu und trat hindurch in einen weiteren grob in den Stein gemeißelten Stollen. Dieser führte über einige Entfernung geradeaus, und Lorkin begriff, dass er inzwischen weit von den bewohnten Höhlen der Stadt entfernt sein musste.

Ich hoffe, das bedeutet nicht, dass ich die Stadt verlasse, überlegte er. Denn damit würde ich gegen eine Bestimmung verstoßen. Ich könnte zwar einwenden, dass mir unbekannt gewesen sei, dass die Abwasserkanäle außerhalb der Stadt liegen, aber ich glaube nicht, dass allzu viele Verräterinnen so bereitwillig an meine Unschuld glauben würden wie beim letzten Mal, wenn man mich wieder auf Abwegen ertappte.

Wenn es Tyvara nur gestattet gewesen wäre, sich mit ihm zu treffen. Dann würde er sie einfach in ihren Räumen besuchen können. Er hätte gern gewusst, wie ihre Räume aussahen. Und was sie ihm über sie verraten würden.

Manchmal habe ich das Gefühl, zu wenig über sie zu wissen, dachte er. Ich weiß nur das, was andere mir über sie erzählen und was ich auf der Reise von Arvice ins Sanktuarium von ihr erfahren habe. Aber niemand wird mir beschreiben, wie es in ihren Räumen aussieht. Nun, ich würde sie allerdings nicht weniger lieben, wenn ihre Einrichtung einen furchtbaren Geschmack offenbarte oder sie in einem schlimmen Durcheinander lebte …

Der Gang begann sich sanft zu biegen. Nach einigen hundert weiteren Schritten sah er vor sich ein Licht. Er verkleinerte seine Lichtkugel so weit, dass er gerade noch genug erkennen konnte, um nicht zu straucheln, und dämpfte seine Schritte.

Als er sich dem Ende des Tunnels näherte, drang ein Rauschen an sein Ohr.

Er starrte voraus, konnte aber niemanden entdecken. Als er aus dem Tunnel trat, fand er sich auf einem Sims wieder, der in die Wand eines gewaltigen, natürlichen Tunnels gehauen worden war. Das Rauschen wurde jäh lauter und schien einem eigenen Rhythmus zu folgen. Er beugte sich etwas vor, um hinabschauen zu können, und sah einen schmalen, aber schnell fließenden Fluss unter sich; der Sims befand sich um das Mehrfache der Höhe eines Hauses darüber. Ein großes Wasserrad beförderte Wasser aus einem Nebentunnel in den größeren Strom. Dieses Wasser war von einer dunkleren Farbe.

Das ist die Kanalisation, begriff er.

Die Luft roch nicht so stark, wie er befürchtet hatte, was vielleicht daran lag, dass er sich nicht in der Nähe des dunklen Wassers und des Wasserrads befand. Wenn man einen solchen Mechanismus aus einer gewissen Entfernung bedienen kann, warum sollte man das nicht tun? Und ich nehme an, man könnte auch einen magischen Schild schaffen, der die verdorbene Luft zurückhält.

»Lorkin.«

Beim Klang der Stimme fuhr er zusammen, aber er konnte deren Urheberin nicht entdecken.

»Hier oben.«

Er blickte auf und sah, dass zwei Frauen ihn von einem weiteren, höher gelegenen Sims herab beobachteten. Sie saßen auf einer aus dem Fels gehauenen Bank. Eine war Tyvara, und die andere …

Er blinzelte überrascht und bestürzt, als ihm klar wurde, dass die andere Frau die Königin war.

Er fasste sich und drückte sich hastig die Hand aufs Herz, um sich zu verbeugen. Die Königin lächelte und winkte ihn heran. Er sah sich um, entdeckte aber weder eine Treppe noch eine Leiter.

»Du kannst doch schweben, oder?«, fragte ihn Tyvara.

Er nickte, schuf eine Kraftscheibe unter seinen Füßen und schwebte darauf zu dem höheren Sims empor.

»Verletze ich irgendwelche Bestimmungen, indem ich hier bin?«, fragte er die Königin. »Ich weiß, dass Tyvara nicht mit mir sprechen soll.«

»Mach dir darüber keine Gedanken«, erwiderte Zarala und winkte ab. »Hier ist ja niemand, der es sehen könnte. Tatsächlich haben wir gerade von dir gesprochen.«

Er blickte zwischen ihr und Tyvara hin und her und bemerkte das erheiterte Glitzern in den Augen der beiden, als er auf den Sims hinübertrat. »Ich hoffe, nur Lobenswertes und Bewunderungswürdiges.«

»Das wüsstest du wohl schrecklich gern?« Zarala lachte, und die Fältchen um ihre Augen vertieften sich.

Einmal mehr stellte er fest, dass er sie automatisch mochte. Er fragte sich, wo ihre Helferin war. Wie war sie ganz allein hierhergekommen?

»Also, warum bist du hier?«, wollte die Königin wissen. Sie klopfte auf den Platz neben sich.

Er schaute Tyvara an, als er sich setzte. »Um mich bei Tyvara für einen Gefallen zu bedanken, den sie mir erwiesen hat.«

»Tatsächlich? Welchen Gefallen?«

»Ein Rat persönlicher Natur.«

Zarala zog die Augenbrauen hoch und sah Tyvara an. Die junge Frau erwiderte ihren Blick herausfordernd. Das Lächeln der Königin wurde breiter, und sie drehte sich wieder zu Lorkin um.

»Es hat nicht zufällig etwas mit dem Zustand zu tun, in dem sich dein Freund Evar vor einigen Tagen befand, oder?«

Er zog die Brauen zusammen. »Ich muss sagen, die Verräterinnen sind in meinem Ansehen gesunken, als ich erfuhr, dass es keine Bestrafung dafür geben würde.«

Die Miene der Königin wurde ernst. »Man hat ihn nicht dazu gezwungen.«

»Aber es ist gewiss gefährlich, einen Menschen so zu erschöpfen.«

»Ja, es war unvorsichtig.«

»Und vorsätzlich?«

Sie bedachte ihn mit einem strengen Blick. »Gib gut acht, welche Anklagen du gegen andere vorbringst, Lord Lorkin. Wenn du solche Behauptungen aufstellst, solltest du besser in der Lage sein, sie zu beweisen.«

»Ich bin mir sicher, dass Evar der einzige Zeuge war, und er wird mir kaum dabei helfen. Er scheint zu denken, dass es, wenn er das Bett mit einer Frau teilen will, der natürliche Preis ist, gedemütigt zu werden und Schaden zu nehmen.« Er sah Zarala eindringlich an.

Sie nickte. »Unsere Sitten sind nicht ohne Fehler. Wir mögen nicht in allen Dingen gerecht und gleichberechtigt sein, aber wir kommen diesem Ideal näher als jede andere Gesellschaft.«