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»Zumindest haben wir ein solches Ideal«, ergänzte Tyvara. »Ein großer Teil des Widerstands gegen Veränderungen entspringt dem Wissen, dass wir das einzige Volk sind, das von Frauen regiert wird. Wenn wir uns nicht isolieren, werden wir am Ende vielleicht so sein wie alle anderen.«

»Aber wir können nicht ewig in diesem Zustand verharren«, fuhr Zarala mit bekümmerter Miene fort. »Wir haben nur begrenzten Platz. Nur begrenztes bebaubares Land.« Sie schaute auf die Kanalisation hinab. »Selbst dies hier hat Grenzen. Unsere Vorgänger haben Tunnel in den Fels gehauen und den Lauf von Flüssen verändert, um unsere Abwässer auf die andere Seite der Berge zu leiten. Wenn wir sie in sachakanische Wasserwege fließen ließen, würden die Ashaki es vielleicht bemerken und ihnen zurück zu ihrer Quelle folgen. Aber wenn unsere Zahl wächst, werden vielleicht nicht einmal die elynischen Flüsse groß genug sein, um unsere Abwässer zu verbergen, und sie könnten anfangen sich zu fragen, woher sie kommen.«

»Einige von uns wollen die Zahl der Kinder beschränken, die wir haben dürfen«, sagte Tyvara. Sie sah ihn an. »Einige wollen Nichtmagier sogar daran hindern, überhaupt Kinder zu bekommen.«

Die Königin seufzte. »Sie erkennen nicht, dass auch solche Maßnahmen ändern würden, wer wir sind … Veränderung ist unausweichlich. Statt schlimme Konsequenzen und Vernachlässigung über unsere Zukunft entscheiden zu lassen, sollten wir beschließen, uns selbst zu verändern.« Sie sah ihn lächelnd an. »Wie dein Volk es getan hat.«

Er erwiderte ihren Blick und fragte sich, auf welche Veränderungen sie anspielte. Die Aufnahme von Novizen von außerhalb der Häuser? Oder – ein Gefühl der Bestürzung stieg in ihm auf – die eingeschränkte Duldung von schwarzer Magie?

Ich denke nicht, dass sie darüber Bescheid wissen …

»Welche Veränderungen würdest du denn vornehmen wollen?«, fragte er, um vom Thema abzulenken.

Sie grinste. »Oh, du wirst einfach abwarten müssen, um das herauszufinden.« Sie schlug sich auf die Knie und blickte zwischen Lorkin und Tyvara hin und her. »Nun, es wird Zeit, dass ich meine Runden fortsetze und euch zwei allein lasse.«

Als sie Anstalten machte, sich zu erheben, legte Tyvara der alten Frau eine Hand unter den Arm. Lorkin tat rasch das Gleiche. Sobald sie stand, hielt Zarala inne, dann trat sie einen Schritt vor. Gleichzeitig begann sie von ihnen fortzuschweben. Lorkin betrachtete die schimmernde Luft unter ihren Füßen und lächelte.

So ist sie also hier heraufgekommen.

»Lass dich nicht zu sehr ablenken, Tyvara«, rief sie über ihre Schulter. Dann verschwand sie im Tunnel, und das schwache Leuchten einer Lichtkugel flackerte auf, um für einen Moment die Wände zu erhellen.

Tyvara setzte sich, und Lorkin folgte ihrem Beispiel.

»Also … hat Kalia dich laufen lassen, oder hast du dich fortgeschlichen?«, fragte sie.

Er zuckte die Achseln. »Es ist alles ein wenig ruhiger geworden, also habe ich angefangen, sie mit Fragen über die Heilmittel zu belästigen, die sie herstellt.«

Sie lächelte. »Das dürfte seinen Zweck erfüllt haben. Warum bist du hierhergekommen?«

»Um mich bei dir zu bedanken. Danke übrigens.«

»Für die Warnung? Ich dachte, du hättest gesagt, du hättest nicht die Absicht, in irgendjemandes Bett zu steigen?«

»Das ist richtig.«

Sie musterte ihn nachdenklich, öffnete den Mund, um zu sprechen, schloss ihn dann jedoch wieder.

»Es sei denn, du würdest mich dazu auffordern«, fügte er hinzu.

Sie zog die Augenbrauen hoch, und ein schwaches Lächeln umspielte ihre Lippen, aber dann wandte sie den Blick ab und schaute auf die Kanalisation hinab. Es war kaum eine romantische Ablenkung, daher beschloss er, das Thema zu wechseln.

»Also … du drehst dieses Rad mit Magie?«

»Das stimmt.«

»Es muss nach einer Weile langweilig werden.«

»Ich finde es entspannend.« Sie blickte auf und seufzte. »Manchmal zu entspannend.«

»Soll ich bleiben und dich unterhalten?«

Sie lächelte. »Wenn du Zeit hast. Ich will dich nicht von der Krankenstation fernhalten.«

Er schüttelte den Kopf. »Kalia sagte, ich solle ein paar Stunden wegbleiben.«

Tyvara schnaubte verächtlich. »Sie ist nicht die Einzige, die die Rezepturen der Heilmittel kennt. Es wäre sehr dumm, wenn nur eine einzige Person dieses Wissen hütete.«

»Das wäre es.« Lorkin zuckte die Achseln. »Aber ich denke, wenn ich nicht willens bin, die Heilverfahren der Gilde mit ihr zu teilen, warum sollte sie dann ihr Wissen mit mir teilen? Außerdem verschafft mir das etwas Zeit, in der ich herkommen und dich treffen kann. Selbst wenn ich es eigentlich nicht soll.«

Sie lächelte. »Wenn wir entdeckt werden, werden wir klarmachen müssen, dass nur du geredet hast und ich nie ein Wort erwidert habe.«

»Das lässt sich machen. Oder alternativ, dass ich, solltest du etwas gesagt haben, es nicht gehört habe. Aber bist du dir sicher, dass überhaupt jemand verstehen wird, was wir meinen, und nicht einfach nur denken wird, ich sei eben ein typischer Mann?«

Sie lachte. »Dafür kann ich nicht garantieren. Aber ich bin mir sicher, dass wir irgendwie in der Lage sein werden, zu übermitteln, was wir wirklich sagen wollen.«

»Wir könnten heute Nacht Schnee bekommen«, bemerkte Rothen.

Sonea sah ihn an, dann verzog sie das Gesicht. »Der erste Schnee des Jahres. Wenn ich ihn sehe, kann ich nicht umhin, mich an die Säuberung zu erinnern. Selbst nach so vielen Jahren.«

Er nickte. »Ich erinnere mich ebenfalls.«

»Wisst Ihr, es gibt Erwachsene, die sie nie erlebt haben.«

»Die niemals begreifen werden, wie schrecklich es war – und das ist etwas Gutes.«

»Ja. Man wünscht sich, dass die eigenen Kinder es für selbstverständlich halten, dass sie ein besseres Leben haben als man selbst, aber gleichzeitig hofft man, dass sie es nicht für zu selbstverständlich halten, für den Fall, dass sie aus Unwissenheit die Wiederkehr schlimmer Dinge zulassen.«

»Solche Sorgen machen uns zu langweiligen alten Männern und Frauen«, sagte Rothen und seufzte.

Sonea kniff die Augen zusammen. »Wer nennt hier wen ›alt‹?«

Er lachte leise und erwiderte nichts. Sie lächelte und schaute wieder zum Universitätsgebäude. Wie lange war es her, seit sie die kunstvolle Fassade wahrgenommen hatte, die sie einst mit solcher Ehrfurcht erfüllt hatte? Auch ich nehme wunderbare Dinge für selbstverständlich.

»Da kommen sie«, murmelte Rothen.

Als Sonea sich umdrehte, sah sie, dass die Tore der Gilde sich öffneten. Eine Kutsche wartete dahinter. Schon bald war der Weg frei, und die Pferde setzten sich in Bewegung und zogen den Wagen hindurch und über die Straße zur Treppe der Universität.

Der Kutscher ließ die Pferde halten. Die Kutsche schwankte, dann wurde die Tür geöffnet, und eine vertraute, in Roben gewandete Gestalt beugte sich vor und grinste sie an.

»Nett von Euch, meinetwegen aufzubleiben«, sagte Dorrien. Er sprang herunter, dann drehte er sich um und ergriff eine behandschuhte Hand, die in der Tür aufgetaucht war. Ein Ärmel erschien und dann der Kopf einer Frau. Sie spähte hinaus und blinzelte zuerst Sonea, dann Rothen an.

Ein Ausdruck des Wiedererkennens trat in Alinas Augen, als sie den Vater ihres Mannes sah, und sie lächelte schwach. Sie musterte Sonea abermals, und eine Falte zwischen ihren Brauen vertiefte sich. Dann senkte sie den Blick auf Soneas Roben und zwang sich zu einer ernsten Miene.

Dorrien half ihr beim Aussteigen, dann tat er das Gleiche für seine beiden Töchter. Die Ältere, Tylia, erschien als Erste. Sie kam im Aussehen nach ihrer Mutter, bemerkte Sonea. Yilara, die Jüngere, ignorierte die dargebotene Hand ihres Vaters und sprang leichtfüßig die Stufen hinunter. Und diese da schlägt nach Dorrien, ging es Sonea durch den Kopf.

Als Nächstes wurden alle miteinander bekannt gemacht und Worte des Willkommens getauscht. Sonea stellte zu ihrer Erheiterung fest, dass Alina nicht auf ihre Begrüßung reagierte und sich dann damit beschäftigte zu überprüfen, dass ihre Töchter präsentabel waren. Sobald sie sich davon überzeugt hatte, ergriff sie Dorriens Arm und sah Sonea mit einem Ausdruck an, der beinahe trotzig war.