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»Das ist … interessant.«

»Ihr braucht das Parfüm nicht zu tragen«, erklärte er ihr. »Ihr könnt einfach einige Tropfen auf ein Tuch geben und es einen Raum beduften lassen.«

Sie griff nach ihrem Geldbeutel. »Wie viel?«

Er nannte einen Preis. Sie machte sich nicht die Mühe zu feilschen, da sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung in dem Fenster wahrnahm, auf das er sie hingewiesen hatte. Die Sichtblende glitt nach oben.

Er reichte ihr die Flasche, lächelte und neigte dankbar den Kopf, während er sich zurückzog. Sie nickte ihm einmal zu, dann ging sie zu dem Bolhaus hinüber und schob die Flasche in eine der Innentaschen des Mantels.

Mehrere Gäste blickten auf, als sie eintrat, und es war offensichtlich, dass sie bemerkt hatten, dass sie nicht die typische Besucherin war. Sie ging auf eine schmale Treppe zu, die an der linken Seite des Raums in die Wand eingelassen war. Die Treppe war steil, und schon bald hatte Sonea den dritten Stock erreicht. Im Flur standen zwei Männer, die sie argwöhnisch musterten. Die Tür zum letzten Raum auf der rechten Seite war offen, und sie konnte Stimmen hören. Eine gehörte Cery. Laut vor Ärger.

Welchen Streit Cery und Anyi auch arrangiert hatten, er fand gerade jetzt statt.

Die beiden Männer traten vor, um ihr den Weg zu versperren. Sie schob sie mit Magie zur Seite. Sobald sie begriffen, dass die Macht, mit der sie es zu tun hatten, magischer Natur war, wichen sie hastig vor ihr zurück. Einer rief eine Warnung.

Ein Mann spähte durch die Tür des letzten Raums und sah sie. Einen Herzschlag später kamen drei Leute aus dem Raum gerannt und stürmten die Treppe am Ende des Flurs hinunter. Eine der Personen war Anyi, wie sie sah. Als sie begriff, dass sie zu spät gekommen war, um den Angriff auf Cery zu verhindern, eilte sie zu der Tür und schaute in den Raum.

Cery und Gol standen mit Messern in der Hand auf der gegenüberliegenden Seite des kleinen Zimmers, aber sie lächelten und waren unversehrt. Sie seufzte vor Erleichterung.

»Sieht so aus, als wäre ich gerade noch rechtzeitig gekommen«, bemerkte sie, trat ein und schloss die Tür hinter sich.

Cery lächelte. »Der Zeitpunkt war perfekt«, sagte er. »Danke.«

»Das Mindeste, was ich tun konnte«, erwiderte sie. »Also, willst du hierbleiben oder dich aus dem Staub machen?«

Er schaute Gol an, der ein wenig blass und sehr erleichtert wirkte. »Ich denke, wir sollten besser weiterziehen. Willst du uns begleiten?«

»Ob ich das will?«, erwiderte sie.

Cery grinste. »Keine Bange. Ich werde dich an keinen Ort bringen, an dem du nicht gesehen werden willst.« Er klopfte mit dem Fuß auf den Boden, und neben ihm sprang eine Falltür auf.

Natürlich hatte er eine Fluchtroute in der Hinterhand, obwohl ich bezweifle, dass er eine Chance gehabt hätte, sie zu benutzen, wäre ich nicht aufgetaucht.

Cery machte einen Schritt auf die Falltür zu, dann hielt er inne und sah sie abschätzend an. »Übrigens«, bemerkte er. »Hübscher Mantel.«

10

Geteilte Geheimnisse

Etwas packte Lorkin an der Schulter und schüttelte ihn. Er riss die Augen auf und starrte einen grinsenden Evar an.

»Was?«, fragte er, während er gegen eine schwere Müdigkeit kämpfte. »Was ist passiert?«

»Nichts«, versicherte ihm Evar. »Aber wenn du nicht bald aufstehst, wirst du zu spät kommen.«

Lorkin richtete sich auf und betrachtete blinzelnd die leeren Betten um sich herum. Wenn die meisten Männer schon fort waren, hatte er sich bereits verspätet. Er stöhnte, rieb sich das Gesicht und stand auf.

»Ich wünschte, hier gäbe es Zeitmesser«, jammerte er. »Wie soll ich pünktlich aufwachen, wenn ihr keine Alarmglocken habt?«

»Einige der Frauen haben welche. Aber hier … auf welche Zeit sollten wir sie einstellen?«, erwiderte Evar achselzuckend. »Wir alle schlafen zu verschiedenen Zeiten und stehen zu verschiedenen Zeiten auf.«

Lorkin seufzte und begann seine Nachtgewänder gegen eine schlichte Hose und ein Hemd zu tauschen, Kleidungsstücke, die ihm von allen Stilrichtungen der Männerkleider bei den Verräterinnen am besten gefielen. Evar brachte ihm einen Teller mit Brot; die Schicht der süßen Fruchtpastete darauf war so dick, dass sie gegen die Regeln der Winterrationierung verstoßen musste. Lorkin aß hastig und redete sich ein, er tue es nur, um schneller in die Krankenstation zu kommen, nicht um den Beweis für Evars Verschwendung zu verbergen.

»Leota hat gestern Nacht mit mir geredet«, sagte Evar zwischen zwei herzhaften Bissen.

Lorkin hielt inne und musterte seinen Freund. Die Miene des Mannes war sehnsüchtig.

»Sie hat gesagt, sie habe unseren gemeinsamen Abend genossen«, fuhr Evar mit einem schwachen Lächeln fort.

Lorkin kaute, schluckte dann schnell und bedachte seinen Freund mit einem strengen Blick. »Ich bin mir sicher, dass sie das getan hat.«

Evar sah Lorkin an und zuckte die Achseln; sein Lächeln war verschwunden. »Oh, ich weiß, höchstwahrscheinlich meint sie, dass sie es genossen hat, den magischen und politischen Lohn zu ernten, aber es besteht eine Chance, dass sie die andere Art von Vergnügen nicht geheuchelt hat.«

»Fühlst du dich versucht, es herauszufinden?«, fragte Lorkin.

Evar schüttelte den Kopf. »Nun, zumindest nicht bis ich wieder das Gefühl habe, dass es den Preis wert ist«, erwiderte er und nahm noch einen Bissen.

»Du würdest ihr noch einmal vertrauen?« Lorkin war außerstande, die Ungläubigkeit aus seiner Stimme herauszuhalten.

»Ich habe ihr schon beim ersten Mal nicht vertraut«, sagte Evar mit vollem Mund. Er hielt inne, um zu schlucken. »Ich wusste, was geschehen könnte. Es musste einfach Leute geben, die dachten, ich solle dafür bestraft werden, dass ich dich zu der Höhle gebracht habe. Wenn nicht auf diese Weise, dann hätten sie eine andere Möglichkeit gefunden.« Er grinste. »Aber auf die Art hatte ich wenigstens etwas Spaß dabei. Und auch wenn diese Leota opportunistisch sein mag, hat sie doch einen wunderbaren Körper.«

Lorkin starrte seinen Freund an, außerstande zu entscheiden, was er darauf erwidern sollte. Ich kann kaum sagen: »Evar, du bist doch nicht so dumm, wie ich dachte.« Noch würde es ihm gefallen, wenn ich ihm erklärte, er sei genauso skrupellos wie die Frauen. Aber er ist nicht so macht- oder ahnungslos, wie er mir erschienen ist. Tatsächlich könnte er dies schon vor unserem Ausflug in die Höhlen der Steinemacher geplant haben.

»Und wenn sie zufällig doch mehr davon hatte als nur den Erwerb von ein wenig Magie und die Befriedigung, mich bestraft zu haben, dann wird sie vielleicht wiederkommen, um es noch einmal zu genießen«, fügte Evar hinzu, und in seine Augen trat erneut ein glasiger Ausdruck.

Oder vielleicht dreht er es sich jetzt einfach passend, überlegte Lorkin. Aber ich muss ihn trotzdem dafür bewundern. Er scheint in der Lage zu sein, jeder Situation etwas Positives abzugewinnen.

»Besser du als ich«, sagte Lorkin. Er klopfte die Brotkrümel von seinem Hemd, dann reckte er sich. »Nicht dass ich dafür Zeit hätte. Ich gehe jetzt in die Waschräume und dann zurück an die Arbeit.«

Evar verzog das Gesicht. »Ich habe gehört, dass es dort übel aussieht.«

Lorkin nickte. »Wir hatten für eine Weile den Eindruck, als sinke die Zahl der Fieberpatienten ein wenig, aber dann kamen doppelt so viele kranke Menschen herein, und einige von ihnen sind viel kränker als zuvor.«

»Das passiert jedes Jahr.«

»Das hat Kalia mir auch gesagt. Aber ich glaube nicht ohne Weiteres alles, was Kalia sagt, nur für den Fall, dass sie wieder versuchen sollte, mich zu überlisten.«

»Eine gute Idee«, erwiderte Evar und schob sich das letzte Stück Brot in den Mund. Er sprach einige gedämpfte Abschiedsworte, und Lorkin ging zur Tür.

Auf dem Weg zu den Waschräumen und dann weiter zur Krankenstation erschien Lorkin die Stadt ruhiger als gewöhnlich. Hustenanfälle hallten durch die Flure und drangen hinter verschlossenen Türen hervor. Als er sich der Krankenstation näherte, wurde ihm bewusst, dass er etwas nicht hörte: das stete Summen von Stimmen in der Stadt. Erst nahe der Krankenstation vernahm er etwas wie einen schwachen Widerhall dieses Summens – denn dort stieß er auf eine Schlange wartender Patienten, die bis auf den Flur hinausreichte.