Выбрать главу

Die Entrüstung über Tayends Einschätzung seiner Person verblasste. »Du warst niemals ein jämmerlicher Gelehrter«, entgegnete Dannyl. »Wenn ich gewusst hätte, dass du dich immer noch für die Forschungen interessierst, hätte ich etwas gefunden, irgendeine Möglichkeit, dich weiter mit einzubeziehen.«

Tayend blickte auf und legte die Stirn in Falten. »Ich dachte, du würdest mich aussperren. Dass du ohne mich nach Sachaka gegangen bist, hat es mir bestätigt.«

»Es war … ich glaubte, es sei gefährlich hier für dich.«

»Du hast auf jeden Fall erreicht, dass ich besorgt war. Als mein König meinen Vorschlag, als erster elynischer Botschafter nach Sachaka zu gehen, annahm, war ich mir sicher, mich auf etwas viel Gefährlicheres einzulassen, als es bisher den Anschein hat.«

»Wie hast du ihn überzeugt?«

»Ich gar nicht. Andere haben das getan.« Tayend zuckte die Achseln. »Es scheint, als hätten alle es für eine großartige Idee gehalten, jetzt, da Kyralia einen Botschafter hier hatte, ebenfalls jemanden herzuschicken, aber niemand war dumm genug, es vorzuschlagen, für den Fall, dass man ihn mit dem Amt betraute.«

»Wer hat dich unterstützt?«, fragte Dannyl, hauptsächlich aus Neugier.

Tayend lächelte. »Das werde ich nicht verraten.« Er schaute auf seinen Teller hinab. »Wir sollten essen, oder die Mahlzeit wird kalt werden.«

Dannyl schnaubte leise. »Elyner und ihre verwickelte Politik.«

»Wir sind gut darin – und es war hier von Vorteil. Ich könnte mich vielleicht sogar als fähig erweisen, dich vor Schwierigkeiten zu bewahren.«

Dannyl, der sich wieder seiner Mahlzeit zuwandte, dachte über die Worte seines ehemaligen Geliebten nach. »Also bist du den ganzen Weg bis nach Sachaka gekommen, nur um zu sehen, was ich im Schilde führe?«

Wieder wurden Tayends Augen schmal. Er antwortete nicht sofort, sondern kaute stattdessen nachdenklich. »Nein«, sagte er schließlich. »Als du fortgingst, hast du mir damit zu der Erkenntnis verholfen, dass ich mich langweilte. Es stellte sich heraus, dass du recht hast: Eine Aufgabe zu haben macht das Leben tatsächlich interessanter.«

»Und diese Aufgabe ist was?«

Aber Tayend kaute wieder.

Der erste elynische Botschafter in Sachaka zu sein, beantwortete Dannyl seine eigene Frage. Er musste zugeben, dass Tayends Kühnheit ihn beeindruckte, und der extravagante Mann taugte sehr gut für die Aufgabe. Er verstand viel von Politik – selbst wenn er sich häufig dafür entschied, gesellschaftliche Tabus und Traditionen zu ignorieren – und war sehr scharfsichtig, was Menschen betraf.

Aber ich hoffe, nicht zu scharfsichtig, wenn es um Achati geht.

Das Abendessen mit Naki und ihrem Vater war stets von langen Minuten des Schweigens erfüllt. Lord Leiden erkundigte sich immer danach, wie ihre Studien sich entwickelten, und Nakis Antworten waren im Allgemeinen höflich, aber kurz. Er fragte auch nach Lilias Familie, aber sie sah sie nicht mehr allzu oft, daher gab es nicht viel zu erzählen, und er schien sich ohnehin nicht wirklich für ihre Antworten zu interessieren.

Diesmal hatte Lilia das Gefühl, dass das Abendessen sich viel länger hinzog als gewöhnlich, und das aus Anstand geheuchelte Interesse hatte begonnen sie zu ärgern. Nicht einmal das hervorragende Essen konnte sie für die Langeweile entschädigen. Sie war sich nicht sicher, ob die langen Tage der Erwartung der Grund für ihre Ungeduld waren, endlich mit Naki allein zu sein, oder ob Nakis Stimmung auf sie abfärbte.

Ihre Freundin war definitiv in einer seltsamen Gemütsverfassung. Nakis Antworten auf die Fragen ihres Vaters waren kürzer ausgefallen als gewöhnlich – beinahe schnippisch. An einem Punkt hatte sie ihn nach irgendjemandem gefragt, und er war zusammengezuckt, hatte sie missbilligend angesehen und das Thema gewechselt. Zu Lilia war sie jedoch übertrieben freundlich, beugte sich zu ihr vor, tätschelte ihr das Knie, zwinkerte ihr zu oder schnitt Grimassen. Lilia war erleichtert, als die Mahlzeit schließlich zu Ende ging.

Naki führte sie wie gewöhnlich nach oben in ihr Schlafzimmer. Sobald die Tür sich geschlossen hatte, ging Naki im Raum auf und ab und begann eine Tirade von Flüchen, wie Lilia sie nicht mehr gehört hatte, seit sie als Kind den Hafen besucht hatte.

»Was ist los?«, fragte Lilia.

Naki seufzte und drehte sich zu ihr um. »Ich kann dir die Einzelheiten nicht verraten. Alles, was ich sagen kann, ist, dass er etwas über ein kleines Projekt herausgefunden hat, das ich heimlich in Gang gesetzt hatte, und um mich zu bestrafen, hat er mir etwas weggenommen – nein, er hat mir etwas gestohlen.« Sie ballte die Fäuste, stolzierte zum Bett hinüber und setzte sich auf die Kante. Als sie zu Lilia aufblickte, verdrängte ein verlorener Ausdruck den früheren Zorn. »Weißt du, er gibt mir nur gerade genug Geld, um davon alles zu kaufen, was ich für die Universität brauche. Wenn ich Spaß haben will, muss ich eine andere Möglichkeit finden, dafür zu bezahlen. Und jetzt habe ich keine mehr.«

Das Glühhaus. Der Wein, den sie in die Gilde schmuggelt. Sie hat immer dafür bezahlt. Ich habe nichts bezahlt. Lilia fühlte sich schuldig. Sie ging zum Bett hinüber und setzte sich neben ihre Freundin.

»Was ist mit dem Taschengeld, das wir bekommen?«

Naki verzog das Gesicht. »Du bekommst es; ich bekomme es nicht. Weil ich aus einem der Häuser stamme, bekomme ich gar nichts. Stattdessen wird von meiner Familie erwartet, mir ein Taschengeld zu zahlen.«

»Du hast immer alles bezahlt«, begann Lilia. »Ich sollte …«

»Nein!« Naki schnitt ihr das Wort ab. »Biete mir ja nicht an, für meine kleinen Extras zu bezahlen.«

»Unsere Extras«, korrigierte Lilia sie. »Lass mich zumindest dafür bezahlen, bis du … eine andere Möglichkeit findest, etwas Geld zu verdienen. Es wäre schön, wenn ich für eine Weile dich verwöhnen könnte.«

Naki sah Lilia überrascht an, dann verzog sie die Lippen zu einem breiten Lächeln. »Oh Lilia. Du bist so nett.« Sie schlang die Arme um Lilia und zog sie an sich.

Lilia erwiderte die Umarmung ihrer Freundin. Die schlichte Wärme dieser Geste erfüllte sie mit Glück. Als Naki von ihr abrückte, ließ sie sie los, aber das andere Mädchen lehnte sich nur ein wenig zurück. Lilia schaute auf und stellte fest, dass Naki sie mit nachdenklicher Miene eindringlich musterte.

Dann beugte Naki sich vor und küsste sie.

Wieder einmal stürmten alle möglichen Hoffnungen und Ideen auf Lilia ein, die die anderen Novizen missbilligten, und ihr Herz begann sehr schnell zu schlagen. Sie erwiderte den Kuss und wagte nicht, darüber nachzudenken, was als Nächstes geschehen könnte; sie wollte das Risiko nicht eingehen, den Augenblick zu verderben.

Unausweichlich beendete Naki den Kuss. Ihre Augen waren dunkel, ihre Miene undeutbar. Lilia hätte ihr gern ihre Liebe gestanden, aber sie zögerte aus Angst, dass sie die Situation falsch einschätzte und Naki sie vielleicht abstoßend finden mochte.

Plötzlich grinste Naki und sprang vom Bett. »Lass uns in die Bibliothek gehen«, sagte sie. »Ich habe dort ein wenig Feuel verstaut.«

Können wir denn gar nichts ohne Feuel tun? Lilia schob den mürrischen Gedanken beiseite und stand auf. »In Ordnung …«

Naki wurde noch übermütiger und rastloser, als sie sich leise in die Bibliothek schlichen, und ihre Bewegungen verrieten größte Erregung. Sobald das Kohlebecken brannte, drängte sie Lilia, den Rauch tief einzuatmen. Sie ließen sich in zwei großen Sesseln nieder.

»Wird dein Vater nicht hier hereinkommen?«, fragte Lilia, bevor die Droge sie daran hindern konnte, der Angelegenheit genug Beachtung zu schenken.

»Er wird schlafen«, erwiderte Naki. »Bevor du gekommen bist, hat er sich darüber beklagt, dass er einen langen Tag gehabt habe und so müde sei.«