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»Schatz«, sagte sie fröhlich, »sag mal, magst du dir heute Nachmittag nicht meine Perlen ausleihen?« Sie hielt ein doppelreihiges Perlenkropfband mit einem Diamantverschluss in die Höhe. »Sähe toll aus zu diesem Pullover!«

»Mummy, wir gehen doch bloß zum Pfarrer«, entgegnete Milly. »Das ist doch nicht wichtig. Wozu brauch ich da eine Perlenkette!«

»Natürlich ist es wichtig!«, versetzte Olivia. »Du musst das ernst nehmen, Milly. Schließlich gibt man sein Ehegelübde nur einmal ab!« Sie hielt inne. »Und außerdem tragen alle Bräute aus der Oberschicht Perlen.« Sie hielt die Kette an Millys Hals. »Echte Perlen. Nicht diese albernen Dingerchen da.«

»Ich mag meine Süßwasserperlen«, verteidigte sich Milly. »Und ich komme nicht aus der Oberschicht.«

»Schatz, in Kürze bist du Mrs. Simon Pinnacle.«

»Simon kommt auch nicht aus der Oberschicht!«

»Sei nicht albern«, meinte Olivia scharf. »Natürlich tut er das. Sein Vater ist Multimillionär.« Milly verdrehte die Augen.

»Ich muss gehen!«

»Na gut.« Mit Bedauern legte Olivia die Perlen zurück in ihre Schmuckschatulle. »Wie du willst. Und, Schatz, denk doch bitte dran, Pfarrer Lytton wegen der Rosenblätter zu fragen.«

»Mach ich«, versprach Milly. »Bis später!«

Sie eilte die Treppe hinab in die Diele und schnappte sich von der Garderobe ihren Mantel.

»Hi!«, rief sie ins Wohnzimmer, und als Simon in die Diele trat, warf sie hastig einen Blick auf das Titelblatt des Daily Telegraph und versuchte, sich so viele Schlagzeilen wie möglich einzuprägen.

»Milly!«, sagte Simon grinsend. »Du siehst hinreißend aus.« Milly sah auf und lächelte.

»Du auch.« Simon war fürs Büro gekleidet, er trug einen dunklen Anzug, der wie angegossen an seinem drahtigen Körper saß, ein blaues Hemd und eine dezente Seidenkrawatte. Das dunkle Haar stand widerspenstig von seiner breiten Stirn ab, und er duftete diskret nach Aftershave.

»So«, meinte er, öffnete die Haustür und geleitete sie in die frische Nachmittagsluft hinaus. »Na, dann wollen wir uns doch mal eine Lektion über das Eheleben anhören.«

»Tja«, sagte Milly. »Seltsam, nicht?«

»Die totale Zeitverschwendung«, meinte Simon. »Was kann uns ein hinfälliger alter Pfarrer schon darüber erzählen? Er ist ja nicht mal selbst verheiratet!«

»Tja«, meinte Milly vage. »Ich schätze, es gehört sich halt so.«

»Wehe, er fängt an, uns von oben herab zu behandeln. Da werde ich stocksauer.«

Milly warf ihm einen Blick zu. Sein Nacken war angespannt, der Blick entschlossen nach vorn gerichtet. Er erinnerte sie an eine junge, kampflustige Bulldogge.

»Ich weiß, was ich mir von der Ehe erwarte«, sagte er und runzelte die Stirn. »Das wissen wir beide. Völlig unnötig, dass sich da ein Fremder einmischt.«

»Wir hören einfach bloß zu und nicken«, schlug Milly vor. »Und dann gehen wir wieder.« Sie fühlte in ihrer Hosentasche nach ihren Handschuhen. »Außerdem weiß ich ohnehin schon, was er sagen wird.«

»Was?«

»Seid lieb zueinander und schlaft nicht mit anderen Leuten.«

Simon überlegte einen Augenblick. »Ich schätze, den ersten Teil könnte ich hinbekommen.«

Milly gab ihm einen Knuff, und er zog sie lachend an sich und küsste sie auf das glänzende Haar. Als sie sich seinem Wagen näherten, griff er in seine Hosentasche und piepste mit der Fernbedienung sein Auto auf.

»Fast hätte ich keinen Parkplatz gefunden«, sagte er und ließ den Motor an. »Die Straßen sind völlig zugeparkt.« Er zog die Stirn kraus. »Ob dieses neue Gesetz wirklich etwas bringt …«

»Das Umweltgesetz?«, parierte Milly sofort.

»Genau«, sagte Simon. »Hast du davon gelesen?«

»O ja.« Milly rief sich rasch den Telegraph in Erinnerung. »Meinst du, dass sie auch wirklich die richtigen Prioritäten setzen?«

Und als Simon zu sprechen anfing, blickte sie aus dem Fenster, nickte gelegentlich und fragte sich dabei träge, ob sie sich für die Flitterwochen noch einen dritten Bikini anschaffen sollte.

Pfarrer Lyttons Raum war groß, zugig und voller Bücher. Bücher säumten die Wände, Bücher bedeckten jede Oberfläche, und Bücher erhoben sich in staubigen, schwankenden Stapeln auf dem Boden. Die Teekanne hatte die Form eines Buches, der Funkenschutz des Kamins war mit Büchern dekoriert; selbst die Pfefferkuchenstücke auf dem Teetablett ähnelten einer Reihe Lexika.

Pfarrer Lytton selbst erinnerte an ein altes Stück Papier. Seine dünne, spröde Haut schien in Gefahr, jeden Moment zu zerreißen; wann immer er lachte oder die Stirn runzelte, legte sich sein Gesicht in tausend Falten. Augenblicklich – wie schon während der ganzen Sitzung – tat er es auch. Seine buschigen weißen Augenbrauen waren miteinander verwachsen, seine Augen vor Konzentration verengt, und seine knochige Hand, die eine noch volle Tasse Tee umklammerte, fuhr gefährlich durch die Luft.

»Das Geheimnis einer erfolgreichen Ehe«, deklamierte er, »ist Vertrauen. Vertrauen ist der Schlüssel. Vertrauen ist der Fels.«

»Genau«, sagte Milly, wie sie es in der vergangenen Stunde alle drei Minuten getan hatte. Sie warf Simon einen Blick zu. Er hatte sich nach vorn gebeugt, so, als wolle er einhaken. Aber Pfarrer Lytton duldete keine Unterbrechungen. Jedes Mal, wenn Simon zu einer Erwiderung ansetzte, hob der Geistliche seine Stimme und wandte sich ab, sodass Simon den Mund frustriert wieder schließen musste. Dabei war Simon anzumerken, dass er so einigen Äußerungen Lyttons liebend gern widersprochen hätte. Was sie selbst anbelangte, so hatte sie kein Wort mitbekommen.

Ihr Blick glitt schläfrig auf die Bücherschränke zu ihrer Linken. Da war sie, gespiegelt in deren Glasscheiben. Elegant, gepflegt und erwachsen. Ihr Erscheinungsbild gefiel ihr. Nicht, dass Pfarrer Lytton es zu würdigen gewusst hätte. Wahrscheinlich hielt er es für sündhaft, Geld für Kleidung auszugeben. Er würde sagen, dass sie es stattdessen den Armen hätte geben sollen.

Sie veränderte ihre Lage auf dem Sofa etwas, unterdrückte ein Gähnen und blickte auf. Da bemerkte sie zu ihrem Entsetzen, dass Pfarrer Lytton sie beobachtete. Seine Augen verengten sich, und er brach mitten im Satz ab.

»Es tut mir leid, wenn ich Sie langweile, meine Liebe«, versetzte er sarkastisch. »Vielleicht ist Ihnen dieses Zitat schon bekannt?«

Milly spürte, wie sie errötete.

»Nein«, erwiderte sie. »Ist es nicht. Ich bin bloß … ähm …« Sie blickte rasch zu Simon, der ihr grinsend zublinzelte. »Ich bin bloß ein bisschen müde«, führte sie ihren Satz lahm zu Ende.

»Die Hochzeitsvorbereitungen machen der armen Milly schwer zu schaffen«, fügte Simon hinzu. »Was es da nicht alles zu organisieren gibt! Der Champagner, der Kuchen …«

»In der Tat«, meinte der Geistliche streng. »Aber dürfte ich Sie daran erinnern, dass es bei einer Hochzeit weder um den Champagner noch um den Kuchen geht! Und im Übrigen auch nicht um die Geschenke, die Sie zweifellos erhalten werden.« Sein Blick glitt durch sein Zimmer, als vergliche er seine schäbigen Habseligkeiten mit den Unmengen prachtvoller und aufwendiger Geschenke für Milly und Simon, und sein Gesicht verdüsterte sich noch mehr. »Es betrübt mich«, fuhr er fort und stolzierte zum Fenster, »wie salopp viele junge Paare ihre Trauung angehen. Man sollte das Sakrament der Ehe nicht als reine Formalität betrachten.«

»Natürlich nicht«, gab Milly ihm recht.

»Wie Sie beim Trauungsgottesdienst noch hören werden, sollte man die Ehe nicht sorglos, leichthin oder aus selbstsüchtigen Gründen eingehen, sondern …«

»Und so ist es bei uns auch nicht«, fiel Simon ihm ungeduldig ins Wort; er beugte sich auf seinem Stuhl vor. »Pfarrer Lytton, ich weiß, Sie haben es vermutlich tagtäglich mit Leuten zu tun, die aus den verkehrten Gründen heiraten. Aber bei uns ist das nicht der Fall, okay? Wir lieben uns, und wir wollen den Rest unseres Lebens miteinander verbringen. Und für uns ist das was Ernstes. Der Kuchen und der Champagner haben damit nichts zu tun.«