Выбрать главу

Robert Silverberg

Die Herausforderung

Als das Raumschiff fest auf dem Boden von Domerang V stand, begann Justin Marner an seinem Verstand zu zweifeln.

»Wir müssen verrückt sein«, sagte er leise. »Eine andere Erklärung gibt es nicht.«

Der andere Erdenmensch, der durch die Sichtscheibe den fremdartigen Anblick genossen hatte, wandte sich auf die Bemerkung Marners um. »Was?«

»Es gibt Grenzen, die man nicht überschreitet, um etwas zu beweisen«, sagte Marner. Er deutete auf die Szene draußen. »Diese Reise geht über die Grenzen hinaus. Nun, da wir hier sind, bin ich dessen sicher, Kemridge. Niemand tut Dinge dieser Art.«

Kemridges Blick war mürrisch. »Seien Sie nicht albern, Justin. Sie wissen, warum wir hier sind, und Sie wissen auch, wie es kommt, daß wir hier sind. Dies ist nicht der Zeitpunkt…«

»Also gut«, sagte Marner. »Ich nehme alles zurück.«Er musterte sekundenlang seine schmalen Hände, die eher die Hände eines Chirurgen als die eines erstklassigen Ingenieurs waren. »Beachten Sie nicht, was ich sage. Die Spannung hat mich nervös gemacht.«

Die Türglocke der Kabine schlug melodiös an.

»Herein«, sagte Marner.

Die Tür glitt auf, und ein Domerangi mit einer hellgelben Schärpe, graugrünen Halbstiefeln und einem blitzenden Diadem aus kostbaren Steinen, trat schwer in den Raum. Zur Begrüßung streckte er zwei seiner fünf lederhäutigen Fangarme aus.

»Ich sehe, daß Sie den Flug gut überstanden haben.«

»Was geschieht nun, Plorvash?« fragte Marner.

»Das Schiff ist auf einem Raumhafen außerhalb der Stadt gelandet«, sagte der Fremde. »Ich bin gekommen, um Sie zu Ihren Unterkünften zu bringen. Wir haben Ihnen zwei der besten Quartiere gegeben, die der Planet anzubieten hat. Wir legen Wert darauf, daß Sie unter den günstigsten Bedingungen arbeiten können.«

»Freut mich, das zu hören«, sagte Marner. Er warf seinem Begleiter einen schnellen Blick zu. »Sie sind rührend um uns besorgt, nicht wahr, Dave?«

Der größere der beiden Terraner nickte. »Ganz entschieden.«

Plorvash sagte: »Wir wär’s, wenn Sie jetzt mitkämen? Sie wollen sich bestimmt gut ausruhen, ehe Sie mit Ihrer Arbeit beginnen. Sicher legen Sie Wert darauf, sich von Ihrer besten Seite zu zeigen, da es um die Ehre Ihres Planeten geht.«

»Natürlich«, sagte Marner.

Der Fremde grinste. »Der Test kann beginnen, sobald Sie es wünschen. Darf ich Ihnen viel Glück wünschen?«

»Wir werden es nicht brauchen«, sagte Kemridge grimmig. »Das Ganze hat nichts mit Glück zu tun. Köpfchen muß man haben und an harte Arbeit gewöhnt sein.«

»Um das zu beweisen, sind Sie hier«, sagte Plorvash. »Auf alle Fälle wird es amüsant werden.«

* * *

Obwohl es noch keine Statistik darüber gibt, ist es doch eine vielbeobachtete Tatsache, daß die meisten ernsthaften Meinungsverschiedenheiten in Bars ihren Anfang nehmen. In einer New Yorker Bar an der Kreuzung der 46. und der 6. Straße geschah es, daß Justin Marner sich unklugerweise auf ein Wortgefecht mit einem zu Besuch in der Stadt weilenden Domerangi eingelassen hatte. Vier Wochen waren seitdem vergangen. In der gleichen Bar hatte die Kette der Ereignisse ihren Anfang genommen, die den Besuch der beiden Erdenbewohner auf Domerang V zur Folge hatte.

Zuerst war es ein simpler Streit gewesen. Marner hatte nachdenklich seinen Whisky genossen, während Kemridge, die langen Beine angezogen, auf dem Barhocker thronte und trübsinnig in sein leeres Glas starrte. Der Domerangi hatte die Bar mit schweren Schritten betreten.

Kemridge und Marner hatten überrascht aufgeblickt. Obwohl der Kontakt zu Domerang V vor über einem Jahrhundert aufgenommen worden war, waren die Bewohner dieses Planeten doch noch ein seltener Anblick in New York. Diesen Domerangi aber kannten Kemridge und Marner. Er gehörte zum Gefolge des Domerangikonsulats, und sie hatten seine Bekanntschaft gemacht, als das Beleuchtungssystem des Konsulats einen Umbau erforderlich machte. Domerangi mit ihrem außergewöhnlichen peripheralen Sehvermögen bevorzugten gedämpftes, indirektes Licht. Marner und Kemridge hatten die Zeichnungen für den Umbau angefertigt.

Der Domerangi erblickte sie sofort und schob seine massige Gestalt auf den Barstuhl neben ihnen. »Ah, die beiden tüchtigen Ingenieure«, murmelte er. »Sie erinnern sich natürlich an mich?«

»Ja«, sagte Marner schnell. »Wir haben die Lichtanlage in Ihrem Konsulat neugestaltet. Wie sind Sie damit zufrieden?«

»Sie hat gehalten, was wir uns davon versprachen«, sagte der Domerangi und gab dem Bartender einen Wink. »Zwei Bier, bitte.«

»Was meinen Sie damit?« fragte Kemridge, als die Biere gebracht wurden.

»Einen Augenblick bitte«, sagte der Fremde. Er legte je einen Fangarm um eines der Gläser und goß ihren Inhalt in die beiden Münder auf seinen Gesichtshälften. Dann gab er ein zufriedenes Rülpsen von sich. »Wunderbarer Stoff, Ihr Bier. Der eine Punkt, in dem die Erde Domerang klar überlegen ist, ist die Brautechnik…«

»Um auf die Lichtanlage zurückzukommen…«sagte Kemridge.

»O ja«, sagte der Fremde, »die Lichtanlage. Nun, Sie haben ganz gute Arbeit geleistet. Mehr konnten wir von einer rückständigen Technik nicht erwarten.«

»He, warten Sie einen Augenblick!« knurrte Marner hitzig, und damit begann es.

* * *

»Ich wünschte, wir hätten den Mund gehalten«, sagte Marner mürrisch, als er an die Szene zurückdachte. Er starrte unbehaglich an die makellos weiße Decke des Hotelzimmers, in dem der Domerangi sie untergebracht hatte.

Kemridge wirbelte herum und funkelte den kleineren Mann an. »Hören Sie, Justin. Wir sind hier und werden es ihnen zeigen. Dann kehren wir reich und berühmt nach Hause zurück. Haben Sie das kapiert?«

»Okay«, sagte Marner. Er fuhr sich mit dem Finger über die schmale Unterlippe. »Tut mir leid, daß ich immer wieder explodiere, aber es kommt mir verrückt vor, daß uns eine Barraumdebatte auf einen anderen Planeten geführt hat.«

»Ich weiß«, sagte Kemridge. »Vergessen Sie aber nicht, daß wir nicht hier wären, wenn die Regierung nicht von dem Streitgespräch gehört und eine Klarstellung für erforderlich gehalten hätte. Die Domerangi haben ihre Überlegenheit in der Technik hinausposaunt, solange wir sie kennen. Ich halte es für eine großartige Idee, zwei biedere Ingenieure von der Erde hierherzuschicken, um den Brüdern endlich zu beweisen, wer der Klügere von beiden ist.«

»Und wenn wir es nicht beweisen können?«

»Wir werden es ihnen beweisen! Wir beide werden mit allem fertig, was sie uns vorsetzen. Etwa nicht?« sagte er.

Marner lächelte gezwungen. »Sicher können wir das«, sagte er.

»In Ordnung«, sagte Kemridge. Er ging zur Tür, und seine feinfühligen Finger fanden sofort die kleine Platte, hinter der sich der Türmechanismus verbarg. Er klappte sie auf. »Sehen Sie zum Beispiel hier herein«, fuhr er nach kurzer Musterung fort. »Ein einfacher kybernetischer Mechanismus. Ich begreife noch nicht ganz, wie dieses grüne Keramikrelais hier den Strom kontrolliert, aber das ist nichts, was wir nicht mit einem guten Schraubenzieher herausfinden könnten.«

Marner hob sich auf die Zehenspitzen und starrte in die Öffnung. »Ein klar verständliches System«, sagte er. »Nicht annähernd so wirksam wie unsere Systeme.«

»Das ist es, worauf es ankommt«, nickte Kemridge. »Diese Domerangi sind keineswegs die Tausendsassas, wie sie sich einbilden. Sehen Sie, Justin. Wir haben behauptet, daß wir imstande sind, von allem, was sie uns geben, ein zweites Exemplar anzufertigen. Mit unserem Verstand und ein wenig Schweiß müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn wir in diesem Wettstreit nicht Sieger blieben. Wenn wir hier oben bestehen und die beiden Domerangiingenieure auf der Erde versagen bei ihrer Hälfte des Tests, haben wir es geschafft. Die Regierung verläßt sich auf unsere Vielseitigkeit. Alles, was wir brauchen, Justin, ist Pfiffigkeit.«