»Und wie erreichen wir das?«
»Durch Umsteuerung der Kraftquelle, denke ich. Es müßte genügen, einen negativen Impuls durch die Eingangsenergie zu schicken, der die Polarität umkehrt.«
Eine halbe Stunde geschäftiger Tätigkeit mit Schraubenzieher und Lötkolben genügte, um der ersten Forderung gerecht zu werden. Sie schoben den Stecker in die Dose. Die Maschine sprang zweimal an, dann blieb sie stehen.
»Okay«, sagte Marner und rieb sich die Hände mit einer Begeisterung, die er keineswegs empfand. »Und nun nehmen wir das Ding auseinander, um festzustellen, wie es arbeitet.«Er wandte sich um und musterte Kemridge bedeutungsvoll. »Das Motto, unter dem unsere Arbeit steht, ist klar, Dave. Da die Domerangi diesen Apparat bereits gebaut haben, ist es nicht unmöglich.«
Kemridge nickte. »Das scheint die einzige Basis zu sein, mit der wir an unsere Arbeit gehen können.«
Sie beugten sich über die Apparatur, um hinter das Geheimnis ihrer Konstruktion zu kommen. Marner deutete auf ein blitzendes Teil des Mechanismus. »Dies scheint so etwas Ähnliches wie ein Rückkopplungsoszillator zu sein«, bemerkte er. »Und ich möchte wetten, daß dies da drüben eine Thyratronröhre ist. Ihre Technik weist Parallelen zu der unsern auf. Rein technisch gesehen, dürften sich uns kaum Schwierigkeiten bieten.«
»Hm«, murmelte Kemridge, »und das Ergebnis ist ein Regenerativsystem mit positiver Rückkopplung. Unbegrenzte Energie im ewigen Kreislauf. Ziehen wir hundert Watt oder mehr oder weniger ab, so ändert das nichts am Resultat. Unendlich weniger hundert bleibt immer noch unendlich.«
»Woran nicht zu zweifeln ist«, gab Marner zu. Er tupfte sich die Schweißtropfen von der Stirn. »Dave, wir müssen von Grund auf an dieses Rätsel herangehen und dürfen nicht versagen.«
Mit verbissener Miene griff er nach seinem Schraubenzieher.
»Erinnern Sie sich an unser Motto«, murmelte er. »Viel Köpfchen und ein wenig Schweiß, dann schaffen wir es.«
Drei Wochen später hatten sie das erste Versuchsmodell beendet. Es arbeitete eine halbe Stunde, dann gab es seinen Geist auf.
Einen Monat danach besaßen sie eine Maschine, die nicht mehr versagte.
Zögernd schickten sie nach Plorvash.
»Da steht sie«, sagte Marner und deutete auf das bizarre Gebilde neben dem Originalmodell. Beide Maschinen summten munter, obwohl die Verbindungskabel aus den Steckdosen gezogen waren.
»Sie arbeitet?« fragte Plorvash und erblaßte.
»Bis jetzt hat sie uns noch nicht im Stich gelassen«, sagte Marner. Tiefe Schatten lagen unter seinen Augen, sein Gesicht war hager, straff spannte sich die Haut über seinen Backenknochen. Zwei Monate unablässiger Arbeit lagen hinter ihnen, und man sah ihnen die Strapazen an.
»Sie arbeitet?« wiederholte Plorvash. »Und wie arbeitet sie?«
»Durch eine recht komplizierte Hyperspacefunktion«, sagte Kemridge. »Ich will nicht versuchen, es Ihnen zu erklären. Sie finden alle notwendigen Angaben in unserem Bericht. Wir mußten zu einem topologischen Kunstgriff Zuflucht nehmen. Wir konnten Ihr Modell zwar nicht nachbauen, erreichten aber denselben Zweck, womit nach der Vereinbarung die Aufgabe erfüllt ist.«
»Die Maschine ist das Ergebnis Ihrer Herausforderung«, sagte Marner. »Wir hätten nie gedacht, daß es uns gelingen würde. Aber wir mußten es schaffen, und darum schafften wir es.«
»Auch ich habe nicht geglaubt, daß es Ihnen gelingen würde«, sagte Plorvash heiser. Er ging zu dem zweiten Modell und beugte sich darüber. »Sie arbeitet tatsächlich?« Die Stimme drohte ihm zu versagen.
»Natürlich«, sagte Marner leicht gekränkt. »Sie sehen es doch.«
»Wir haben nur eine Frage«, sagte Kemridge. Er deutete auf ein kleines schwarzes Kästchen im Mittelpunkt des Leitungsgewirrs des Originalmodells. »Dieses Ding dort brachte uns fast zur Verzweiflung. Wir konnten es nicht öffnen, um es zu untersuchen, also mußten wir darüber hinweggehen und sehen, wie wir ohne es weiterkamen. Was zum Teufel hat es für eine Bedeutung?«
Plorvash wandte sich um und musterte die beiden Männer. »Das«, sagte er mit halb erstickter Stimme, »ist die Kraftquelle. Ein kleiner fotoelektrischer Verstärker, durch dessen Kraft das Modell vielleicht noch zwei Wochen weiterlaufen wird. Dann endet der Spaß.«
»Was heißt das?« fragte Marner überrascht.
»Es ist an der Zeit, Ihnen eine Erklärung zu geben«, sagte Plorvash müde. »Wir haben kein Perpetuum mobile. Wir haben uns den grausamen Scherz mit Ihnen erlaubt, Sie dieses Ding erfinden zu lassen. Es hört sich häßlich an, aber wir glaubten nicht, daß Sie Erfolg haben würden. Wir mußten unsere fähigsten Köpfe einsetzen, um Ihnen dieses Modell zu liefern.«
Marner zog sich einen Laborstuhl heran und setzte sich. Sein Gesicht war weiß vor verhaltener Wut. Kemridge blieb stehen, seine Miene zeigte Ungläubigkeit. Schließlich sagte Marner: »Sie meinen, wir erfanden dieses Ding, ohne daß Sie…«
Plorvash nickte. »Ich bin ebenso verblüfft wie Sie«, sagte er. Er ließ sich auf einem Laborstuhl nieder, der unter seinem Gewicht ächzte.
Kemridge gewann als erster seine Fassung wieder. »Unsere Aufgabe ist also beendet«, sagte er. »Wir werden unsere Maschine nehmen und zur Erde zurückkehren. Das macht unsere Vereinbarung natürlich ungültig.«
»Ich fürchte, Sie werden Ihre Absicht nicht ausführen können«, sagte Plorvash. »Ein vor siebenhundert Jahren erlassenes Gesetz bestimmt, daß alle Erfindungen, die in einem Regierungslabor von Domerang gemacht werden, automatisch in den Besitz der Regierung übergehen. Das bedeutet, daß wir gezwungen sind, Ihre Maschine zu beschlagnahmen.«
»Das kommt nicht in Frage«, sagte Marner hitzig.
»Darüber hinaus werden auch Sie unserer Regierung unterstellt«, fuhr Plorvash fort. »Wir legen Wert darauf, daß Sie bleiben und uns mit dem Mechanismus vertraut machen.«
»Das ist ein Kriegszustand«, sagte Kemridge. »Die Erde wird nicht zulassen, daß Sie mit einer Entführung unbeschadet davonkommen.«
»Möglicherweise nicht«, sagte Plorvash. »Aber in Anbetracht der Lage ist es das Vernünftigste, was wir tun können. Und ich glaube nicht, daß die Erde sich Ihretwegen zu einem Krieg entschließt.«
»Wir verlangen unseren Konsul zu sprechen«, sagte Marner.
»Selbstverständlich«, stimmte Plorvash bei. »Das ist Ihr gutes Recht.«
Der Erdkonsul war ein weißhaariger, kräftiger Mann namens Culbertson, der spät am gleichen Tage eintraf.
»Das ist sehr unangenehm für uns alle«, sagte er, als er mit der Lage vertraut gemacht worden war.
»Sie müssen uns aus der Klemme helfen«, sagte Marner. »Diese Maschine ist unser Eigentum. Sie haben kein Recht, uns hier zurückzuhalten, damit wir sie mit unserer Erfindung vertraut machen. Oder?«
»Nein, natürlich nicht«, nickte Culbertson. »Jedenfalls nicht nach Erdgesetzen. Unglücklicherweise bleibt es aber Tatsache, daß sie nach ihren Gesetzen Anspruch auf Ihre Erfindung haben. Nach dem Vertrag von 2716 unterstehen Erdbewohner auf Domerang den hiesigen Rechten, und umgekehrt.«
»Mit einem Wort — wir sitzen hier fest«, stellte Marner klar. Er schloß die Augen und sah wieder die in der »Bar«am Boden liegenden Domerangi vor sich. Die Vorstellung, den Rest seines Lebens auf diesem wenig einladenden Planeten zu verbringen, war unerträglich. »Raus mit der Sprache, sagen Sie uns die Wahrheit«, forderte er den Konsul auf.
Culbertson legte die Fingerspitzen gegeneinander. »Natürlich werden wir alle Anstrengungen unternehmen. Sie freizubekommen, weil wir in Ihrer Schuld stehen«, sagte er. »Ihrer Tüchtigkeit haben wir es zu verdanken, daß die Erde weiterhin ihre Vorrangstellung im Weltraum einnimmt.«