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Allmählich reichte es Mike. »Sprich nicht so über sie!« sagte er scharf. »Sie ist -«

»- nicht das, was du erwartet hast«, unterbrach ihn Trautman.

Mike drehte sich mit einem Ruck zu ihm herum. Für eine Sekunde brodelte heißer Zorn in ihm empor, und er war nahe daran, Trautman anzuschreien - aber dann sah er etwas in dessen Augen, was ihn allen Zorn auf der Stelle vergessen und sich seiner eigenen Unbeherrschtheit schämen ließ: ein tiefes, ehrlich empfundenes Mitgefühl, das frei von jedem Spott und jeglicher Schadenfreude war. Plötzlich begriff er, daß er nahe daran gewesen war, sich nicht anders zu benehmen als Serena vorhin Denholm gegenüber.

»Ich... weiß nicht«, gestand er unsicher. »Sie ist... so völlig anders, als ich dachte.«

»Ich kann verstehen, was du fühlst«, sagte Trautman. »Uns allen erging es nicht anders, auch wenn wir nicht so von Serena fasziniert waren wie du. Und vielleicht waren wir auch alle ein bißchen zu naiv. Immerhin ist sie die Tochter eines Königs, der unvorstellbar mächtig gewesen sein muß.«

»Deswegen braucht sie sich nicht so anmaßend aufzuführen«, knurrte Ben. Trautman lächelte verzeihend. »Ich bin sicher, sie meint es nicht so«, sagte er. Er machte eine weit ausholende Handbewegung. »Denkt daran, daß ihre Vorfahren all das hier erschaffen haben. Und vielleicht noch viel mehr. Wir wissen nicht viel über das Volk der Atlanter, aber ich komme mehr und mehr zu der Überzeugung, daß sie weiter entwickelt waren als wir.«

»Etwas wie die NAUTILUS können wir jedenfalls bis heute nicht bauen«, pflichtete ihm Juan bei, aber Ben schnaubte nur abfällig.

»Das ist doch immer noch kein Grund, sich so zu benehmen«, sagte er.

»Natürlich nicht«, sagte Trautman. »Aber ich glaube nicht, daß sie es böse meint. Ich glaube, daß sie nicht einmal weiß, wie ihr Benehmen auf andere wirkt. Für sie ist das wahrscheinlich alles ganz selbstverständlich.«

»Was?« fragte Ben. »Vorlaut, unhöflich und herrschsüchtig zu sein?«

»Sich wie jemand zu gebärden, der die absolute Macht besitzt«, verbesserte ihn Trautman. »Sie ist so erzogen worden, verstehst du, Ben? Ihre Eltern waren absolute Herrscher, die von ihren Untertanen wahrscheinlich wie Götter verehrt wurden. Vermutlich ist ihr vom ersten Tag an jeder Wunsch von den Augen abgelesen worden. Sie weiß gar nicht, was es bedeutet, Widerspruch zu hören oder die Entscheidung eines anderen zu akzeptieren.«

»Dann wird es Zeit, daß sie es lernt«, stellte Ben fest. Sein Tonfall begann Mike nun doch wieder zu ärgern, aber er beherrschte sich und fügte mit einem Nicken hinzu: »Vielleicht sollte man es ihr wirklich erklären. Sie braucht möglicherweise mehr Zeit, um sich in unserer Welt zurechtzufinden.«

Trautman lächelte. »Das ist das Problem an der Sache, Mike. Strenggenommen ist das hier nicht unsere Welt, sondern vielmehr ihre. Und ich fürchte, sie glaubt tatsächlich, daß sie ihr gehört.«

Mike dachte an die häßliche Szene zurück, deren Zeuge er geworden war. Trautman war mit seiner Vermutung der Wahrheit nähergekommen, als er selbst ahnte. »Denholm und die anderen werden das nicht hinnehmen«, sagte er. »Früher oder später wird sie lernen müssen, daß sie keine Königin mehr ist.«

»Nein, das denke ich nicht«, sagte Trautman.

»Wieso?« fragte Mike beunruhigt.

»Nun, du hast erlebt, wie schnell sie deine Verletzungen geheilt hat«, antwortete Trautman. »Und erinnere dich, was sie auf der LEOPOLD getan hat. Serena verfügt über magische Kräfte.«

»Ich weiß«, antwortete Mike. »Und?« Er riß ungläubig die Augen auf. »Sie glauben doch nicht, daß sie sie gegen diese Leute hier einsetzen würde?«

»Ich fürchte doch«, sagte Trautman in ernstem Ton. »Ich fürchte sogar, sie hat es schon getan. Natürlich nicht so dramatisch wie auf der LEOPOLD, aber eindringlich genug, um zu demonstrieren, daß es nicht viel Sinn hätte, sich gegen sie zu stellen.«

»Das glaube ich nicht!« sagte Mike überzeugt. Trautman würde ihn nie belügen, aber er weigerte sich, zu glauben, was er hörte. Serena mochte ein wenig eigensinnig sein, aber sie würde doch niemals diesen Menschen hier etwas zuleide tun!

Er setzte dazu an, Trautman zu antworten, doch bevor er auch nur ein Wort herausbekam, hörte er einen so gellenden Hilfeschrei, daß er erschrocken in die Höhe sprang. Trautman und die anderen blickten alarmiert auf.

»Was ist los?« fragte Trautman. »Was hast du?«

»Was ich habe?« Mike starrte Trautman ungläubig an. »Aber... aber habt ihr es denn nicht gehört?«

»Was?« fragte Ben.

»Den Schrei!« antwortete Mike. »Jemand hat um Hilfe gerufen!«

Niemand antwortete, aber das war auch nicht nötig - ein einziger Blick in die Gesichter der anderen machte Mike sofort klar, daß er der einzige war, der den Hilferuf gehört hatte.

Genau in diesem Moment hörte er ihn wieder. Und jetzt begriff er, daß dieser Schrei nirgendwo anders als direkt in seinem Kopf ertönte!

»Astaroth!« keuchte er. »Das ist Astaroth!« Ehe einer der anderen reagieren konnte, fuhr er schon herum und rannte auf die Tür zu.

Es war eine fast getreuliche Wiederholung der Szene von vorhin. Astaroth raste durch die Tür herein, kurz bevor Mike sie erreichte, stieß sich mit einem gewaltigen Satz ab und prallte so heftig gegen Mike, daß dieser rückwärts taumelte und nun wirklich auf dem Hosenboden landete, den diesmal war niemand da, der ihn auffangen konnte. Der Kater krallte sich auch jetzt genauso heftig in Mikes Brust, kletterte unverzüglich an ihm empor und sprang schließlich auf seine Schultern. Hilf mir! schrie seine Stimme in Mikes Gedanken. Rette mich vor dieser Verrückten!

Einen Moment später erschien der Verfolger, vor dem Astaroth sich so wild in Mikes Arme geflüchtet hatte, unter der Tür - und es war niemand anders als die schwarzweiße Katze. Sie wich auch jetzt erschrocken zurück, als sie Mike erkannte, aber dann kam sie langsam, aber deutlich mutiger geworden näher.

Astaroth fauchte warnend. Die Katze blieb stehen, musterte erst ihn und dann Mike aus ihren großen, schönen Augen und setzte ihren Weg dann fort.

Jag sie weg! kreischte Astaroth, der einer Panik nahe schien. Scheuch dieses Ungeheuer fort!

Mike tat ihm tatsächlich den Gefallen, wenn auch nicht mit besonders viel Nachdruck. Er wedelte mit der Hand, und die Katze machte zwei Schritte rückwärts, blieb aber dann wieder stehen.

Jag sie weg! lamentierte Astaroth. Ich denke, du bist mein Freund! Dann hilf mir auch!

Allmählich wurde Mike die Sache zu dumm. Mit mehr oder weniger sanfter Gewalt bugsierte er Astaroth von seiner Schulter herunter und setzte ihn vor sich auf den Boden. »Was zum Teufel ist hier überhaupt los?« fragte er scharf.

Was los ist? antwortete Astaroth in schon fast hysterischem Ton. Das fragst du noch? Sieh doch hin, dann siehst du, was los ist! Diese Verrückte verfolgt mich, seit wir hierhergekommen sind!

Und erst jetzt begriff Mike wirklich. Das »Ungeheuer«, das Astaroth verfolgte, war nichts anderes als eine rollige Katze, die dem Kater nachstellte. Daß Astaroth kein normales Tier war, konnte die arme kleine Katze schließlich nicht wissen.

Sie versuchte auch jetzt wieder, sich Astaroth zu nähern, und sie schien wirklich großes Interesse an dem Kater zu haben, denn als Mike diesmal versuchte, sie mit einer Handbewegung zu verscheuchen, schlug sie blitzartig mit den Krallen nach ihm, so daß er sich einen blutigen Kratzer quer über den Handrücken einhandelte. Mike zog mit einem Fluch die Hand zurück, und Trautman griff rasch nach der Katze, nahm sie auf den Schoß und hielt sie mit einer Hand fest, während er sie mit der anderen zwischen den Ohren zu kraulen begann. In seinen Augen stand ein schwaches Lächeln. Offensichtlich hatte er die Situation viel schneller begriffen als Mike, ohne daß er dazu eigens mit dem Kater reden mußte.