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Mike unterdrückte im letzten Moment ein spöttisches Lächeln, und es gelang ihm sogar, die entsprechenden Gedanken zu unterdrücken, wenn auch nur mit äußerster Mühe.

»Wie meinst du das: Sie haben Sarah verwechselt?« fragte er, laut, damit die anderen der Unterhaltung wenigstens teilweise folgen konnten.

So, wie ich es sage, antwortete Astaroth. Muß man denn immer alles dreimal erklären? Menschen!

»Astaroth, bitte!« sagte Mike. »Das ist nicht der Zeitpunkt für deine üblichen Scherze.«

Ich mache auch keine Scherze, antwortete Astaroth beleidigt. Nicht mit Zweibeinern. Ihr seid ja so schwer von Begriff - aber bitte: Sie hatten den Auftrag, ein blondes Menschenjunges zu holen, das zusammen mit einigen Fremden neu hier angekommen ist. Und dank eures Freundes, der sich wie ein Verrückter gewehrt hat, haben sie das falsche erwischt.

Mike blickte den Kater, dann das in Stein gemeißelte Ebenbild Serenas auf dem Relief an - und plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. »Du... du meinst, sie wollten Serena?« sagte er verblüfft. »Sie sind hergekommen, um sie zu entführen, und sie haben Sarah mit ihr verwechselt?«

Ganz genau, antwortete der Kater. Ich habe ihre Gedanken gelesen. Vor einer Stunde hätte ich es noch nicht für möglich gehalten, aber sie sind tatsächlich noch begriffsstutziger als ihr. Sie haben sich einfach vertan.

»Moment mal«, mischte sich Juan ein. »Verstehe ich das richtig? Er meint, sie hätten Serena entführen wollen und nur aus Versehen an ihrer Stelle Sarah erwischt?«

»Ich glaube ja«, antwortete Mike. »Auch wenn es mir etwas komisch vorkommt.«

»Aber warum nicht?« meinte Trautman. »Wenn man nicht zu genau hinsieht, dann sieht sie ihr tatsächlich ein wenig ähnlich. Die Fischmenschen leben auf der anderen Seite der Bucht, vergeßt das nicht. Sie kennen die Menschen nicht genau.«

»Sie können ja auch nicht wissen, wie Serena aussieht!« warf Juan ein.

»Vielleicht doch«, murmelte Mike. Die anderen sahen ihn erstaunt an, aber er machte keine Anstalten, seine Worte zu erklären, sondern trat näher an das gewaltige Steinbildnis heran und betrachtete es. Genau wie beim ersten Mal hatte er das Gefühl, mehr als einem Kunstwerk gegenüberzustehen. Dieses Bild erzählte eine Geschichte - und sie war viel komplizierter und viel älter, als er bisher angenommen hatte. Es war ein unheimliches Gefühl - und ein sehr unangenehmes. Er war sicher, die Antworten auf all ihre Fragen zum Greifen nahe vor sich zu haben, und das im wahrsten Sinne des Wortes. Er mußte eigentlich nur hinsehen.

Aber es gelang ihm nicht. Es war, als hätte er alle Teile eines gewaltigen Puzzles vor sich, ohne das Gesamtbild zu kennen und ohne es richtig zusammensetzen zu können. Es war zum Verrücktwerden!

»Natürlich!« sagte Trautman plötzlich. Er hob die Hand, als wolle er sich damit vor die Stirn schlagen, führte die Bewegung aber nicht zu Ende, sondern deutete auf das Relief. »Erinnert euch - Denholm hat es uns selbst erzählt! Dieser Stein war schon hier, als die ersten Menschen hierherkamen. Und das heißt, daß nicht sie, sondern andere ihn geschaffen haben.«

»Stimmt«, sagte Mike verständnislos. »Und?«

»Und welche anderen auß er dem Volk gibt es hier noch?« fragte Trautman.

Diesmal war es an Mike, ungläubig die Augen aufzureißen. »Die... die Fischmenschen!« murmelte er.

»Genau!« antwortete Trautman. Er deutete aufgeregt auf das steinerne Bild. »Und das bedeutet, daß sie dieses Relief erschaffen haben. Sie haben gewußt, daß Serena kommen wird - oder jemand wie sie. Wahrscheinlich haben sie es einfach gespürt!«

»Und sind gekommen, um sie zu holen«, flüsterte Juan schaudernd. »Weil sie ihr Feind ist.«

»Vielleicht«, sagte Trautman. »Ich muß die ganze Zeit über an etwas denken. Erinnert ihr euch, wie wir vor dem Sturm geflohen sind? Serena hatte diese Alpträume - und sie ist schreiend daraus aufgewacht und hat gesagt: die Alten. Auch dein Vater hat diese Alten erwähnt. Ich konnte mir nie einen Reim darauf machen, aber vielleicht...« Er seufzte. Ein Ausdruck von tiefer Sorge breitete sich auf seinem Gesicht aus. »Diese Alten... vielleicht waren es die Feinde der alten Atlanter. Und möglicherweise sind sie nichts anderes als das, was Denholm und die anderen hier die Fischmenschen nennen.«

Mike wandete sich an Astaroth. »Stimmt das?« fragte er.

Vielleicht, antwortete Astaroth. Er versuchte ein menschliches Schulterzucken nachzuahmen. Das Ergebnis sah allerdings einigermaßen albern aus. Ich weiß sowenig wie ihr. Aber für einen Menschen ist dieser Gedanke ziemlich scharfsinnig.

»Seht mal!« sagte Chris plötzlich. Er war dichter an das Relief herangetreten und deutete mit dem ausgestreckten Finger auf eine kleine Zeichnung in der unteren linken Ecke. »Was ist denn das hier?«

Mike beugte sich neugierig vor. Das Bild war so klein, daß er es bisher nicht bemerkt hatte. Als er es genauer ansah, konnte er ein eisiges Schaudern nicht mehr ganz unterdrücken. Das Bild zeigte ein Ungeheuer, das wie eine bizarrre Kreuzung zwischen einem Menschen, einer Krake und einem häßlichen Vogel aussah. Etwas Düsteres und ungemein Drohendes schien von dieser Abbildung auszugehen, obwohl sie viel kleiner als die meisten anderen auf dem Bild und offensichtlich und mit nicht sehr viel Geschick in den Stein hineingekratzt worden war.

»Irgendein Unsinn«, sagte Ben. »Auf solchen Bildern wimmelt es doch immer von Dämonen und Geistern.«

Irgendwie spürte Mike, daß es nicht die Wahrheit war - und eine Sekunde später bekam er den Beweis für dieses Gefühl.

Auch Astaroth war neugierig herangekommen, um einen Blick auf das steinerne Relief zu werfen, und die kleine Schwarzweiße war keinen Schritt von seiner Seite gewichen. Im gleichen Moment jedoch, in dem ihr Blick auf das Bild des unheimlichen Krakenwesens fiel, stieß sie ein erschrockenes Fauchen aus und wich ein Stück zurück.

Mike sah das Tier überrascht an. Die Augen der Katze funkelten. Ihr Fell hatte sich gesträubt, und sie hatte drohend die Zähne gebleckt und die Krallen ausgefahren. Ein tiefes, warnendes Knurren drang aus ihrer Brust.

»Was hat sie?« fragte Mike. Die Frage galt Astaroth, der ebenfalls den Kopf gedreht hatte und die Schwarzweiße aus seinem einzelnen Auge durchdringend ansah.

Woher soll ich das wissen? antwortete Astaroth.

Mikes Geduld mit dem Kater neigte sich allmählich dem Ende zu. »Kannst du nun Gedanken lesen oder nicht?« fragte er unwillig.

Sie ist ein Tier! antwortete Astaroth beleidigt. Du willst mir doch nicht zumuten, die Gedanken eines Tieres zu lesen?

Mike packte blitzschnell zu, ergriff den Kater im Nacken und schüttelte ihn so derb, daß Astaroth ein erschrockenes Kreischen ausstieß und nach ihm schlug. Aber Mike hatte damit gerechnet und wich den Krallen des Katers ohne Mühe aus. »Ich mute dir gleich noch etwas ganz anderes zu!« sagte er drohend. »Spar dir deine Scherze für einen besseren Moment auf, Astaroth! Vielleicht steht das Leben jedes einzelnen Menschen in dieser Stadt auf dem Spiel!«

Ist ja schon gut! sagte Astaroth. Ich versuche es! Aber laß mich gefälligst herunter!

Mike gehorchte. Der Kater entfernte sich vorsichtshalber einige Schritte von ihm und maß ihn dabei mit einem Blick, der nichts Gutes verhieß. Aber schließlich blieb er wieder stehen und begann die schwarzweiße Katze zu fixieren. Seine Haltung verriet große Konzentration.

Eine ganze Weile verging, dann entspannte sich der Kater wieder und schüttelte sich.

»Nun?« fragte Mike ungeduldig.