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Jemand räusperte sich hinter Mike, und als er sich herumdrehte, begegnete er Trautmans Blick. Der weißhaarige Steuermann der NAUTILUS wirkte ein bißchen verlegen, aber in seinen Augen stand jetzt wieder das gewohnte, warme Lächeln.

»Es ist soweit«, sagte er. »Wir können losfahren.«

Mike nickte. Er wäre gerne noch geblieben, noch ein paar Tage, aber es gab etwas zu tun, was wichtiger war. Sie waren nicht mehr nur zu acht an Bord der NAUTILUS. Im Inneren des Schiffes hielten sich jetzt gut siebzig Männer, Frauen und Kinder auf, Mitglieder des Volkes, die beschlossen hatten, die Stadt auf dem Meeresgrund zu verlassen und in die Welt unter der Sonne zurückzukehren, aus der ihre Vorfahren stammten. Mike war erstaunt gewesen, daß es nicht mehr waren - er hatte ganz automatisch angenommen, daß alle Menschen ihnen hinauf auf die Erdoberfläche folgen würden, aber der weitaus größte Teil des Volkes wollte hierbleiben, in einer Welt, die viel kleiner, auch einfacher und ärmer war als die, aus der Mike und die anderen stammten, die aber trotzdem ihre Heimat war. So hatte sich schließlich nicht einmal ein Viertel von ihnen an Bord der NAUTILUS eingefunden.

Sarah und ihre Familie waren nicht unter ihnen. Das Mädchen stand Arm in Arm mit André neben Mike auf dem Deck der NAUTILUS, aber sie war nur gekommen, um sich zu verabschieden, nicht, um sie zu begleiten.

Mike lächelte ihr zu, ehe er sich an André wandte. Der junge Franzose erwiderte sein Lächeln, aber seine Augen schimmerten feucht. Mike war der letzte, von dem er sich noch nicht verabschiedet hatte, und es war ihm anzusehen, wie schwer ihm dies fallen würde.

»Du bist wirklich sicher, daß du hierbleiben willst?« fragte Mike. »Es kann lange dauern, bis wir zurückkommen. Vielleicht Jahre.«

»Und vielleicht nie, ich weiß«, sagte André. »Trotzdem, mein Entschluß steht fest.« Er schloß seinen Arm fester um Sarahs Schulter. »Ich bleibe hier. Vielleicht verschlägt es euch ja doch noch einmal hierher.«

»Bestimmt«, sagte Mike, obwohl er nicht sicher war, daß er dieses Versprechen wirklich halten konnte. Sie hatten sich fest vorgenommen, wiederzukommen, aber wer wußte schon, was die Zukunft brachte? Und wenn die NAUTILUS erst einmal abgefahren war, dann war André hier unten ebenso gefangen wie alle anderen.

Aber er sprach nichts davon aus. Der Anblick des Jungen und des blonden Mädchens, die eng aneinandergeschmiegt vor ihm standen, machte es ihm unmöglich. Vielleicht hätte er André tatsächlich überreden können, sie zu begleiten, aber er hatte nicht das Recht, sich in sein Leben zu mischen. André hatte sein Glück gefunden.

Plötzlich spürte er einen dicken Kloß im Hals. Seine Augen begannen zu brennen. »Ich hasse große Abschiedsszenen«, sagte er mühsam. »Also dann - macht es gut, ihr zwei.«

Und damit fuhr er herum und rannte so schnell zur Einstiegsluke des Schiffes zurück, daß André nicht einmal Zeit blieb, seine Worte zu erwidern. Mike vermied es, ihn und das Mädchen noch einmal anzusehen, sondern schloß den stählernen Deckel über sich, so rasch er nur konnte, und kletterte hastig die Leiter hinunter.

Trautman erwartete ihn bereits. Neben ihm standen Serena und ein dunkelhaariger Mann, den er in den letzten Tagen darin unterwiesen hatte, das Steuer der NAUTILUS zu bedienen, und zwischen den beiden hockte Astaroth.

»Sind sie fort?« fragte Trautman.

Mike nickte wortlos. Über ihnen polterten die Schritte Andres und Sarahs, als sie das Deck der NAUTILUS überquerten, um zu dem Boot zu gelangen, das an seiner Seite festgemacht hatte. Mike hatte bis jetzt geglaubt, sich in der Gewalt zu haben, aber es war ihm deutlich anzusehen, was er fühlte, denn Trautman streckte plötzlich den Arm aus und legte ihm mit einer väterlichen Geste die Hand auf die Schulter.

»Es tut weh, einen Freund zu verlieren«, sagte er. »Aber André weiß, was er tut. Er hört auf die Stimme seines Herzens, und das ist niemals falsch.«

»Ich weiß«, murmelte Mike. Nun liefen ihm wirklich die Tränen über das Gesicht, aber er kämpfte nicht dagegen an, und seltsam: Er schämte sich ihrer nicht einmal, obwohl Trautman, der Fremde und Serena dabei waren. Vielleicht weil er in den Augen des Mädchens dasselbe warme Lächeln entdeckte, das er auch in Andres und Sarahs Blicken gelesen hatte. Serena hatte sich wirklich verändert. Sie litt sicherlich schwer unter dem Verlust, den sie hatte hinnehmen müssen, denn sie war von einer Sekunde auf die andere von einer Prinzessin zu einem ganz normalen Mädchen, von einer Magierin zu einem ganz normalen Menschen geworden. Mike hatte es niemandem gesagt, aber im stillen bewunderte er die Stärke, mit der Serena diese Verwandlung verkraftet hatte.

»Immerhin sind wir noch genauso viele wie vorher«, sagte er mit einem erzwungenen Lächeln in Serenas Richtung. »Es bleibt doch dabei - du gehst nicht mit ihnen, sondern bleibst bei uns?«

»Aber natürlich.« Serena lächelte. »Das hier ist immer noch mein Schiff, hast du das vergessen?«

Trautman räusperte sich. »Also, darüber sollten wir noch reden«, sagte er. »Aber ich bin sicher, wir finden eine Lösung. Sobald wir einen Ort gefunden haben, an dem unsere Passagiere sicher an Land gehen können, besprechen wir das weitere Schicksal der NAUTILUS. Er wandte sich an den Mann am Steuerruder.«

»Fertig?« Der Dunkelhaarige nickte und deutete durch eines der beiden großen Fenster nach draußen. Das Boot, mit dem André und Sarah gekommen waren, hatte abgelegt und begann sich rasch von der NAUTILUS zu entfernen.

»Also dann«, sagte Trautman. »Tauchen.«

Tief im Rumpf der NAUTILUS begannen die Pumpen zu arbeiten, die die Tauchkammern des Schiffes mit Wasser füllten, und vor den Fenstern stieg der Wasserspiegel allmählich an, bis die Welt draußen wieder den gewohnten, dunkelgrünen Farbton angenommen hatte.

Das Schiff zitterte sacht, als die Maschinen anliefen und die NAUTILUS Fahrt aufnahm.

Mike wollte sich gerade umwenden, um zur Treppe und seiner Kabine hinunterzugehen, als er ein leises Miauen hinter sich hörte. Überrascht blieb er stehen und senkte den Blick. Astaroth saß noch immer zwischen Serena und Trautman, aber er hatte sich erschrocken aufgerichtet und die Ohren gespitzt. Von ihm war das Miauen ganz eindeutig nicht gekommen.

»Ach ja«, sagte Serena mit einem leichten Lächeln. »Nachdem alles so gut ausgegangen ist, habe ich mir gedacht, daß du auch eine Belohnung verdienst, mein lieber kleiner Wächter. Schließlich warst du nicht ganz unschuldig an allem, nicht wahr?«

Astaroth sprang mit einem Satz auf die Pfoten und sah sich wild um, und in diesem Moment erklang das Miauen erneut, und dann löste sich ein kleiner, schwarzweißer Umriß aus den Schatten und trat auf Astaroth zu.

Mike wußte zwar, daß es ganz und gar unmöglich war - aber er hätte in diesem Moment seine rechte Hand darauf verwettet, daß der Kater blaß wurde.

»Wir haben in letzter Minute noch einen zusätzlichen Passagier an Bord genommen«, fuhr Serena in spöttischem Ton fort. »Besser gesagt, eine Passagierin. Ich bin sicher, du freust dich genau wir wir alle, Astaroth.«

Bei Poseidon! kreischte Astaroths Stimme in Mikes Kopf. Die Bekloppte!

Und damit schoß er davon, dicht gefolgt von der kleinen, schwarzweißen Katze, die ein klägliches Miauen hören ließ, ihm aber an Geschwindigkeit kaum nachstand.