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Mike blickte mit wachsender Furcht aus dem Fenster. Das Wasser war glasklar, und sie konnten sicher zwei- oder auch dreihundert Meter weit sehen. Er glaubte nicht, daß das Gerät kaputt war - die NAUTILUS war eine phantastische Maschine, die ihren Dienst seit Tausenden von Jahren tat. Daß ein so wichtiger Teil ausgerechnet jetzt ausfallen sollte, war mehr als unwahrscheinlich.

»Seht mal«, sagte Ben plötzlich. Er deutete wieder nach draußen.

Mike blickte angestrengt in dieselbe Richtung, aber das Meer war noch immer leer. »Ich sehe nichts«, sagte er.

»Eben«, antwortete Ben. »Da draußen ist gar nichts. Kein einziger Fisch.«

Mike schauderte. Das Meer, durch das sie glitten, war leer. Vollkommen leer. Es ist, dachte er, als hätte irgend etwas jegliches Leben in weitem Umkreis vertrieben... Er sah nach rechts, nach links und dann noch einmal zur Wasseroberfläche hinauf, und als er das tat, wurde aus seiner Furcht schieres Entsetzen, das sich wie eine eiskalte Hand um sein Herz legte und es zusammenzupressen begann.

»Trautman«, sagte er. Er hatte Mühe, überhaupt zu sprechen. Trotzdem klang seine Stimme ruhig. »Ja?«

»Wo ist es jetzt?«

»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Trautman und sah auf. »Wenn die Anzeige hier recht hätte, dann müßte es überall um uns herum...«

Er sprach nicht weiter. Seine letzten Worte wurden zu einem erstickten Keuchen, als er in die gleiche Richtung sah wie Mike und die anderen.

Auf der Unterseite des Meeresspiegels war noch immer deutlich der Umriß der NAUTILUS zu erkennen. Aber nicht nur das: Ein ungeheuerlicher, formloser Schatten griff wie die Hand eines Riesen aus den Tiefen des Meeres empor und begann das Schiff zu verschlingen.

Die Maschinen der NAUTILUS liefen mit voller Kraft. Aus dem Wimmern war ein dumpfes Dröhnen geworden, so laut, daß sie schreien mußten, um sich über den Lärm hinweg zu verständigen. Das ganze Schiff vibrierte und ächzte, und manchmal flackerte das Licht, weil die elektrischen Motoren jedes bißchen Strom brauchten, den das Schiff aufbringen konnte.

»Das hat keinen Sinn mehr!« schrie Trautman über den tosenden Lärm hinweg. »Die Maschinen arbeiten fast mit dem Doppelten ihrer normalen Leistung! Ich schalte ab, ehe sie uns um die Ohren fliegen!« Die Motoren der NAUTILUS kämpften seit zehn Minuten mit aller Kraft gegen die unheimliche Macht, die das Schiff gepackt hatte, ohne daß sie auch nur einen Zentimeter von der Stelle gekommen wären. Alles was sie erreichen konnten, wenn sie weiter versuchten, sich mit Gewalt zu befreien, war wahrscheinlich, die NAUTILUS ernsthaft zu beschädigen. Die NAUTILUS war eine phantastische, sehr robuste Maschine, aber sie war nicht unzerstörbar. Das Dröhnen und Rumoren wurde leiser, sank binnen weniger Augenblicke zu einem Tuckern herab und erlosch dann ganz. Trautman hatte die Motoren abgeschaltet.

Mike drehte sich wieder zum Fenster herum. Der Anblick war seit zehn Minuten der gleiche, aber er hatte trotzdem nichts von seinem Schrecken verloren. Der lichtdurchflutete blaue Ozean war verschwunden und hatte einer unheimlichen, weißen Masse Platz gemacht, die das gesamte Fenster bedeckte. Keiner von ihnen wußte, was es war - das Zeug war nicht ganz glatt, sondern von unregelmäßigen Streifen in verschiedenen Weiß- und Grautönen durchzogen, und hier und da gewahrte er kleine, durchsichtige Blasen, die mit irgendeiner Flüssigkeit gefüllt zu sein schienen. Manchmal bewegte sich die weiße Mauer vor dem Fenster; auf eine gleitende, zähe Art, als bestünde sie aus Gummi.

»Was ist das bloß?« murmelte Ben kopfschüttelnd. Er verzog das Gesicht. »Es sieht... fast lebendig aus. Und ziemlich ekelhaft.«

Mike konnte ihm nur zustimmen. Und noch etwas: Er hatte das Gefühl, eigentlich genau zu wissen, was er da sah. »Warten wir, bis Singh und Juan zurück sind«, sagte er. »Vielleicht haben sie etwas herausgefunden.« Juan und der Inder hatten den Salon verlassen, um die NAUTILUS gründlich zu inspizieren.

Wie auf ein Stichwort hin tauchten die beiden in diesem Moment unter der Tür auf. Juans Gesicht war so finster, daß Mike sich die Frage sparte, ob es von irgendeinem Bullauge aus etwas anderes zu sehen gab als von hier. Singh wirkte völlig unbewegt, aber das hieß gar nichts. Singh hätte auch dann noch vollkommen ungerührt dreingesehen, wenn ihm der Himmel auf den Kopf gefallen wäre.

»Nun?« fragte Trautman.

»Nichts«, antwortete Juan mit einem ärgerlichen Stirnrunzeln. »Ich war oben im Turm, aber da sieht es genauso aus wie hier. Ich fürchte, das Zeug ist um das gesamte Schiff herum.«

Trautmans Mine verdüsterte sich noch mehr. Er wandte sich an Singh.

»Unten ist es dasselbe«, sagte Singh in einem Ton, als hätte man ihn gefragt, wie das Wetter sei. »Die Bodenschleuse läßt sich zwar noch öffnen, aber draußen ist kein Wasser, sondern nur noch diese Masse.« Er hob die Hand. »Ich habe etwas davon mitgebracht, hier. Es ist ziemlich zäh. Ich hatte Mühe, es mit dem Messer herauszuschneiden.«

Mike verzog das Gesicht, als er den widerwärtigen Geruch verspürte, der von dem weißen Zeug in Singhs Hand ausging. Trotzdem trat auch er wie alle anderen neugierig näher, während Singh es zum Tisch trug und darauf ablegte.

Es sah tatsächlich wie eine Art Fleischklumpen aus, der ziemlich grob aus einem größeren Stück herausgeschnitten worden war. Er war weiß, fast durchsichtig, und aus den Schnittflächen sickerte eine farblose, zähe Flüssigkeit, die aber auch kein Wasser war. Der Gestank, den das Stück verstömte, war wahrhaft atemberaubend.

»Es hüllt die ganze NAUTILUS ein«, erklärte Singh weiter. »Bis jetzt ist es nirgendwo eingedrungen, aber es scheint auch keinen Weg hinaus zu geben.«

Mike mußte daran denken, wie sich der Schatten über den der NAUTILUS gelegt hatte. Es hatte tatsächlich so ausgesehen, als ob irgend etwas die NAUTILUS verschlang.

»Was ist das nur?« fragte Ben kopfschüttelnd. Er nahm ein Messer vom Tisch und berührte den weißen Brocken mit seiner Spitze. Er zuckte leicht, als wäre noch immer Leben in ihm. Ben zog eine Grimasse und trat wieder einen Schritt vom Tisch zurück. »So etwas habe ich noch nie gesehen.«

»Doch«, widersprach Mike. »Das hast du.« Plötzlich wußte er, wieso ihm dieses sonderbare Etwas draußen vor dem Bullauge bekannt vorgekommen war, trotz allem. Ben und die anderen blickten ihn erstaunt an.

»Wir alle haben es schon einmal gesehen. Nur größer.« Mike machte eine Kopfbewegung auf die weiße Masse auf dem Tisch. »Das da ist ein Stück von einer Qualle.« Ben, Juan und die beiden anderen Jungen rissen erstaunt die Augen auf, während Trautman die Hand hob, als ob er sich damit vor die Stirn schlagen wollte.

»Eine Qualle von der Größe der NAUTILUS?« Ben versuchte seiner Stimme einen spöttischen Klang zu verleihen, aber es gelang ihm nicht ganz. »Lächerlich.«

»Natürlich«, sagte Trautman kopfschüttelnd. »Wieso bin ich nicht schon längst darauf gekommen?«

»Weil es völlig verrückt ist!« sagte Ben aufgebracht. »Eine hundert Meter große Qualle! Das ist... lächerlich.«

Mike deutete auf das Fenster und sagte: »Sieh doch mal dorthin. Und dann lach weiter.«

Ben funkelte ihn an, aber Trautman unterbrach den drohenden Streit mit einer energischen Geste. »Hört auf, ihr beiden«, sagte er. »Das führt zu nichts. Laßt uns lieber gemeinsam darüber nachdenken, was wir tun können.«

»Aber wenn es doch nur eine Qualle ist, dann kann sie uns doch gar nichts tun, oder?« fragte Chris. »Ich meine, eine Qualle ist doch nicht gefährlich, oder?«

»Ich habe keine Ahnung, wie gefährlich eine Qualle von dieser Größe ist«, antwortete Trautman. »Ich glaube nicht, daß sie die NAUTILUS ernsthaft beschädigen könnte, wenn du das meinst.«

»Ich verstehe überhaupt nicht, warum es uns angreift«, sagte Ben nachdenklich. »Ob es uns für... für eine Art Beute hält?«