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»Die Taucheranzüge!« sagte André plötzlich. »Wenn wir in die Anzüge steigen, haben wir noch Luft aus den Flaschen!«

»Die reichen nur für eine Stunde«, sagte Trautman.

»Aber wenn wir die NAUTILUS verlassen und mit den Anzügen zur Oberfläche hinaufschwimmen?«

»Das geht nicht«, antwortete Trautman traurig. »Dazu sind wir zu tief. Der Aufstieg zur Oberfläche würde Stunden dauern. Ganz davon abgesehen, daß uns der Druckausgleich umbringen würde. Außerdem haben wir gar nicht genug Anzüge. Zwei von uns müßten zurückbleiben.«

Damit endete die Diskussion, die ohnehin sinnlos gewesen war. Trautman hatte Mike schon vor längerer Zeit einmal erklärt, daß ein Mensch in einem Taucheranzug nicht nach Belieben ins Meer hinab- und wieder hinaufsteigen konnte. Der menschliche Körper brauchte eine gewisse Zeit, um sich an den veränderten Druck in großen Wassertiefen zu gewöhnen; und ebenso umgekehrt. Der Aufstieg aus einigen hundert Metern Tiefe konnte Stunden dauern, und der aus einigen tausend entsprechend Tage, wenn nicht Wochen. Außerdem hatte Trautman natürlich auch mit seinem zweiten Argument recht. Sie hatten zwei Taucheranzüge zuwenig. Wer von ihnen würde wohl in dem Bewußtsein in einen dieser Anzüge steigen wollen, damit einen der anderen zum sicheren Tode zu verurteilen?

Mikes Sinne begannen sich langsam zu verwirren. Er hatte ein Gefühl wie Fieber, und nach und nach schien er in einen dumpfen Traum abzudriften, hinter dem etwas Dunkles, Tiefes zu lauern schien, eine bodenlose Klippe, auf die er langsam zuschwebte, ohne daß er etwas dagegen tun konnte. Wenn das der Tod ist, dachte er, dann ist er sehr angenehm. Er hatte es sich qualvoller vorgestellt, langsam zu ersticken.

Jemand rüttelte an seiner Schulter. Die Bewegung setzte sich bis in seinen Traum hinein fort und störte den Frieden, der ihn ergriffen hatte. Mike versuchte die Hand abzuschütteln, die da so roh in seine Träume drang, aber es gelang ihm nicht. Im Gegenteiclass="underline" Das Rütteln wurde stärker, und dann hörte er eine Stimme, die in fast verzweifeltem Tonfall seinen Namen rief.

»Mike, wach auf! Mike! Mike!«

»Verschwinde«, murmelte Mike. »Ich will sterben.«

»Gerne«, antwortete die Stimme, die er jetzt als die Trautmans identifizierte. »In sechzig oder siebzig Jahren. Jetzt machst du gefälligst die Augen auf und kommst mit. Oder soll ich alter Mann dich jungen Spund etwa tragen?«

Mike öffnete widerwillig die Augen. Trautman stand über ihn gebeugt da. Er rüttelte noch immer an seiner Schulter. Und - die NAUTILUS lag nicht mehr still. Das Schiff schwankte leicht hin und her. Und das konnte nur eines bedeuten ...

»Sind wir aufgetaucht?«

»So könnte man es nennen«, antwortete Trautman ausweichend.

»Was soll das heißen?« fragte Mike.

»Ich denke, es ist besser, wenn du es dir selbst ansiehst«, sagte Trautman. »Komm. Die anderen sind schon alle oben.«

Mehr von Trautman gezogen als aus eigener Kraft, stemmte sich Mike aus dem Sessel. Mit einem Gefühl leiser Verwunderung registrierte er, wie leicht ihm die Bewegung fiel. Und erst in diesem Augenblick fiel es ihm auf: ein kühler Lufthauch streifte sein Gesicht.

Der Luftzug wurde stärker, und als sie sich auf der Treppe nach oben befanden, war es ein regelrechter Wind, der ihnen in die Gesichter schlug; köstliche, saubere Luft, so kalt und rein, daß Mike gar nicht genug davon bekommen konnte und so hastig ein- und ausatmete, daß ihm wieder schwindelig wurde.

Durch die weit offenstehende Turmluke fiel helles Licht zu ihnen herein. Mike konnte die Schritte der anderen oben auf dem Deck hören und einen Moment später ihre Stimmen. Die Worte waren nicht zu verstehen, aber sie klangen ziemlich erregt. Sie waren tatsächlich aufgetaucht!

Aber irgend etwas stimmte nicht.

Es hatte mit dem Licht zu tun. Es war nicht so, wie Tageslicht sein sollte.

Dicht vor Trautman stieg er die eiserne Luke zum Turm hinauf und trat schließlich ins Freie.

Vollkommen fassungslos blieb er stehen.

Die NAUTILUS trieb auf dem Wasser eines riesigen, halbkreisförmig angelegten Hafenbeckens. Die Kaimauern erhoben sich erstaunlich hoch über die Wasseroberfläche, und die dahinter liegenden Gebäude kamen Mike irgendwie... sonderbar vor, ohne daß er genau hätte sagen können, warum.

Sie waren auch zu weit entfernt, um sie genau zu erkennen.

Was er hingegen ganz genau sehen konnte, waren die Schiffe, die an der Kaimauer vertäut waren oder in kleinen Gruppen aneinandergebunden davor auf dem Wasser trieben.

Es mußten an die hundert sein. Die meisten waren uralt und zum Großteil verfallen und vermodert, und es waren alle nur vorstellbaren Schifftstypen darunter - spanische Galeonen, die aussahen, als wären sie einem Buch mit historischen Illustrationen entsprungen, ebenso wie ganz moderne Dampfschiffe, kleine Ruderboote ohne Segel genauso wie gewaltige fünfmastige Kriegsschiffe. Schlanke Wikingerboote waren an plumpen Lastkähnen vertäut. Es waren Schiffe darunter, wie Mike sie noch nie zuvor gesehen hatte, aber auch ganz moderne, die er kannte.

»Unglaublich«, flüsterte Mike.

»Wenn dir das schon unglaublich erscheint, dann schau doch bitte mal nach oben«, sagte Ben.

Mike gehorchte - und riß zum zweiten Mal binnen kürzester Zeit ungläubig die Augen auf.

Der Anblick des Hafens war bizarr gewesen, aber der des Himmels war... absurd. Es war nämlich keiner.

Über dem Hafen spannte sich eine gewaltige, halbrunde Kuppel aus - Wasser!

»Aber das ist doch vollkommen unmöglich!« krächzte Mike.

»Du bist genau der fünfte, der das sagt«, erklärte Ben mit einem säuerlichen Grinsen. »Übrigens auch mit derselben Betonung. Wer weiß - vielleicht sind wir ja längst tot, und das hier ist die Hölle?«

»Laß das!« sagte Trautman streng. »Mit so etwas scherzt man nicht.«

»Es war auch nicht als Scherz gemeint«, antwortete Ben.

Mike hörte nicht mehr hin. Mühsam löste er den Blick von der gigantischen Wasserkuppel und sah zum Heck der NAUTILUS hin. Der halbrunde Himmel setzte sich auch dort fort, bis er in einer Entfernung von mindestens drei oder vier Meilen mit dem Wasser des Hafens verschmolz. Hinter ihnen befanden sich keine Schiffe mehr, aber irgend etwas trieb auf dem Wasser. Auf den ersten Blick sah es aus wie Fetzen von weißem Segeltuch, aber dazu war es zu groß, und es setzte sich zu weit unter Wasser fort. Es war die Qualle. Sie hatte die NAUTILUS zwar freigegeben, aber sie befand sich noch immer in ihrer unmittelbaren Nähe; vielleicht, um sofort zugreifen zu können, sollten sie einen Fluchtversuch wagen. Mike verspürte ein eisiges Frösteln, als er sah, wie gewaltig die Qualle wirklich war. Viel größer, als sie alle geglaubt hatten. Selbst die NAUTILUS mußte dagegen wie ein Zwerg erscheinen.

Mike drehte sich wieder zu den Schiffen herum. »Ob sie... wohl alle auf die gleiche Weise hierhergekommen sind?« fragte er stockend.

Trautman hob die Schultern. »Die Vermutung liegt nahe«, gab er zurück. »Und jetzt frag mich bloß nicht, warum.«

Das tat Mike auch nicht. Und er ersparte sich auch die andere Frage, die ihm auf der Zunge lag - nämlich, was mit den Besatzungen all dieser Schiffe geschehen war. Er kannte die Antwort. Sie hatten den Angriff der Qualle mit Müh und Not überlebt, aber nur, weil sie sich in einem Unterseeboot befanden, einem Schiff, das dazu gebaut war, in große Wassertiefen vorzustoßen. Die Männer und Frauen auf all diesen Schiffen hier mußten jämmerlich ertrunken sein.

»Ich denke, wir werden uns diesen sonderbaren Hafen einmal ein wenig genauer ansehen«, sagte Trautman. »Ihr bleibt hier oben. Haltet die Augen offen.« Er ging in den Turm zurück, in dem sich ein zweites Steuerruder befand, so daß er die NAUTILUS im Notfall auch von hier aus steuern konnte. Es verging nur ein Moment, bis sie hören konnten, wie die Motoren des Schiffes wieder ansprangen. Die NAUTILUS setzte sich in Bewegung.