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Die Tatsache, daß Corson die Verteidigungsmaßnahmen ungehindert besichtigen konnte, zeigte deutlich, was Veran für ein Mensch war, ebenso wie seine Absicht, eine Million Männer anzuwerben. Bluffte er? Vielleicht. Es sei denn, er hatte ungeahnte Hilfsquellen. Diese Überlegungen führten zu einer Frage, die sich Corson zu seiner eigenen Überraschung erst jetzt stellte. Gegen wen hatte Veran auf Aergistal gekämpft?

12.

Die Pegasone waren nicht angebunden. Sie verhielten sich so ruhig, daß man sie für riesige Baumstümpfe hätte halten können. Ihre sechs großen Pfoten sahen aus wie Wurzeln. Die Augen, die in halber Höhe um den Körper saßen, etwa in Corsons Kopfhöhe, glänzten nur schwach. Hier und da stieß eines der Monster einen kurzen, klagenden Laut aus, gefolgt von einem Grunzen, wie man es auch von Schweinen hörte. Diese Pegasone hatten nichts mit dem wilden Biest gemeinsam, das Corson vor der Zerstörung der Archimedes zu erforschen versucht hatte. An den Seiten hatte ein kompliziertes System von Gurten und Zügeln tiefe Narben hinterlassen.

Wie konnte man diese Pegasone reiten? Auf den ersten Blick schien kein Teil ihres Körpers für die Auflage eines Sattels geeignet zu sein. Wieviele Männer konnten sie gleichzeitig tragen? Aus Verans Forderung konnte man eine ungefähre Schätzung ableiten. Eine Million Männer und zweihunderttausend Pegasone … also konnte eines dieser Biester mindestens fünf Männer mit Ausrüstung tragen. Aber welche Rolle spielten sie beim Kampf? Ihre Beweglichkeit und primitive Wildheit machten sie zu idealen Kriegswerkzeugen. Ihre Gabe, in die Zukunft zu sehen und sich einige Sekunden in Vergangenheit oder Zukunft bewegen zu können, machten sie fast unverletzlich. Aber diese Pegasone, die Corson hier sah, schienen nicht besonders wild zu sein. Er hätte geschworen, daß sie keinerlei Intelligenz besaßen, im Gegensatz zu dem wilden Artgenossen, der den Dschungel des Planeten durchsuchte, um einen idealen Platz zu finden, wo er seine Nachkommen zur Welt bringen konnte.

Der Gebrauch von Reittieren zu Kriegszwecken war Corson nicht unbekannt. Während des Krieges mit Uria war Corson oft mit Verbündeten zusammengetroffen, die Reptilien, Flügelrösser oder gar riesige Spinnen zum Reiten benutzt hatten. Er selbst war mehr an eine mechanisierte Armee gewöhnt. Was ihn hier erstaunte, war die Verbindung von höherer Technologie mit Reittieren. Wie war das Gelände auf Aergistal beschaffen?

Er konnte es sich nicht vorstellen. Vielleicht war diese rätselhafte Welt felsig, mit Klippen und Abgründen, die in ein stahlhartes Licht getaucht waren. Aber es konnte sich ebenso um einen Planeten mit grünen, lieblichen Tälern handeln. Einen kurzen Moment fragte er sich, ob Aergistal nur einen bestimmten Teil von Uria bezeichnete, aber sowohl Antonella als auch Floria hatten behauptet, daß auf Uria seit Jahrtausenden kein Krieg mehr stattgefunden hatte.

Nein. Die Schlacht, in der Veran den größten Teil seiner Männer verloren hatte, mußte auf einem anderen Planeten stattgefunden haben. Er hatte dann wohl seine Soldaten auf ein Schiff gebracht und eine Welt gesucht, wo er seine Truppen auffrischen konnte. Dabei hatte er Uria entdeckt, war gelandet und hatte das Schiff in den Raum zurückgeschickt, damit es nicht in Gefahr geriet.

Aber nein … das konnte nicht sein!

Veran mußte direkt aus der Schlacht gekommen sein. Seine Männer waren noch in voller Kampfausrüstung, als sie Corson abfingen. Sie waren schmutzig und völlig erschöpft. Egal wie nahe Aergistal war und wie schnell Verans Schiff, es hätte mindestens Stunden oder Tage gedauert, um eine Entfernung zwischen zwei Planeten zurückzulegen. Er versuchte sich an die Karte des Systems von Uria zu erinnern. Es gab hier nur noch zwei Planeten, die aber nur aus Gaswolken bestanden. Für ein Schlachtfeld waren sie ungeeignet. Was war mit den Monden? Die kamen auch nicht in Frage, da Antonella von einer ständigen Verbindung mit den Monden gesprochen hatte. Also mußte Aergistal mindestens sechs Lichtjahre von Uria entfernt sein. Der Gedanke, daß es ein Raumschiff gab, das einige Lichtjahre in Minuten überbrücken konnte, war reichlich lächerlich. Andererseits …

Corson war der einzig Überlebende einer Welt, die sechstausend Jahre in der Vergangenheit lag. In sechzig Jahrhunderten mußten viele neue Erfindungen gemacht worden sein. Selbst was er in Dyoto gesehen hatte, überstieg seine Vorstellungskraft.

Während Corson die Tätigkeiten im Lager beobachtete, überkam ihn eine leichte Sehnsucht. Obwohl er selbst nicht besonders kriegslüstern war, fühlte er sich in dieser kriegerischen und disziplinierten Umgebung sehr heimisch. Er folgte mit seinen Blicken dem Wachtposten, der vor den Pegasonen hin und her marschierte, das Gewehr leicht angehoben. Sein Leibwächter zeigte mit keiner Miene, was er dachte. Noch vor zwei Tagen war Corson wie dieser Mann gewesen. Seltsam, was zwei Tage aus einem Menschen machen konnten. Nein, Corson verbesserte sich mit einem Gefühl der Bitterkeit. Zwei Tage, sechstausend Jahre … und zwei Frauen.

Er wandte sich an seinen Leibwächter.

»War es schlimm auf Aergistal?«

Der Soldat rührte sich nicht. Er schaute stur an ihm vorbei, auf irgendeinen imaginären Punkt. Corson fragte in schärferem Ton: »Wollen Sie mir nicht antworten?«

Jetzt sagte der Soldat mit klarer Stimme: »Darüber wird Colonel Veran selbst berichten. So lautet sein Befehl.«

Corson drängte ihn nicht weiter. Der Soldat hätte auch seine nächste Frage nicht beantwortet. Wo lag Aergistal? Auch auf die dritte Frage würde er keine Antwort bekommen. Wann war die Schlacht von Aergistal?

Corson kam zu dem Schluß, daß die Schlacht in ferner Vergangenheit stattgefunden haben mußte. Verans Schiff hatte nicht nur den Raum, sondern auch die Zeit durchquert. Er mußte aus einer Zeit kommen, als interstellare Kriege noch üblich waren und es noch kein Sicherheitsbüro gegeben hatte.

Er fragte sich, wie das Büro reagieren würde, wenn es von der Anwesenheit Verans auf Uria erfuhr.

Er umkreiste den Ruheplatz der Pegasone. Es wurde langsam dunkel. Ein kühler Wind hatte sich erhoben. Er fröstelte. Zum erstenmal wurde ihm bewußt, wie lächerlich seine Bekleidung war. Es war ja kein Wunder, daß die Wache Schwierigkeiten hatte, ihn als Offizier anzuerkennen. Er lächelte. Es war noch nicht lange her, daß er die Uniform ausgezogen hatte. Kaum länger als achtundvierzig Stunden! Vielleicht war das Erscheinen Verans vom Schicksal bestimmt. In seiner Begleitung würde er wieder den einzigen Beruf ausüben, den er gelernt hatte, den des Soldaten.

Dann dachte er an Antonella und runzelte die Stirn. Es war vernünftig, einem Soldaten beizubringen, daß er sich von Frauen fernhielt. Sie machten alles nur kompliziert. Als ob die Lage nicht schon schwierig genug war.

Aber er konnte sie nicht einfach fallenlassen.

»Ich gehe zurück«, sagte er. Der Soldat folgte ihm auf den Fersen.

13.

Corson war eingeschlafen und wälzte sich in schweren Träumen, als ihn plötzlich eine leichte Berührung weckte. Er warf sich so plötzlich zur Seite, daß seine enge Koje wackelte. Dann konnte er den Schatten Antonellas erkennen, die sich über ihn beugte.

Antonella flüsterte: »Ich weiß, daß etwas geschehen wird. Aber ich sehe noch nicht klar.«

Als er die Hand ausstreckte, um Licht zu machen, sagte sie: »Nein. Es ist besser, sie nicht zu warnen!«

Er warf seine Decke zurück und sprang auf. Dabei stieß er mit ihr zusammen. Sie lehnte sich an ihn, und er drückte sie an sich. Er fühlte ihre Lippen nahe bei seinem Ohr.

Bevor er begreifen konnte, was sie sagte, hörte man plötzlich Schreie im Lager. Männer rannten fluchend umher, Gewehre knatterten. Ein Motor brüllte auf, und eine heftige Vibration erschütterte die Luft. Kanonen begannen zu dröhnen. Offiziere brüllten Befehle und riefen die Männer auf ihre Posten. Scheinwerfer durchstachen die Dunkelheit. Zwischen den Schreien und dem Krachen der Waffen hörte Corson auch das Seufzen der ängstlichen Pegasone.