»Hm! Aber das Schlimmste ist nicht der Tod, sondern eine Schlacht zu verlieren.«
»Aber Sie sind doch hier.«
»Und hier bleibe ich auch. Wenn man mit Möglichkeiten jongliert, so ist das Wichtigste die Gegenwart. Ich habe eine neue Chance, und ich werde Gebrauch davon machen.«
»Aber nur solange Sie mich nicht töten«, bemerkte Corson.
»Das kann ich leider nicht«, antwortete Veran. »Ich will damit nicht sagen, daß ich die Absicht habe, Sie zu töten, es geht hier nur ums Prinzip.«
»Sie können mich nicht einmal festhalten. Sie müssen mich laufenlassen, damit ich die Nachricht schicken kann.«
»Ich werde mit Ihnen gehen«, sagte Veran.
»Dann werde ich die Nachricht nicht abschicken.«
»Ich werde Sie dazu zwingen.«
Corson hatte plötzlich eine Idee. Er hatte den schwachen Punkt in Verans Argumentation gefunden.
»Warum senden Sie dann die Nachricht nicht gleich selbst?«
Veran schüttelte den Kopf. »Sie machen wohl Scherze. Aergistal liegt am Ende des Universums. Ich wüßte überhaupt nicht, wie ich die Nachricht übersenden sollte. Ohne die Koordinaten, die Sie mir übermittelt haben, hätte ich diesen Planeten nicht in Millionen von Jahren gefunden. Außerdem muß man das Gesetz der Nicht-rückgängigen-Information beachten.«
»Was ist das für ein Gesetz?« fragte Corson.
»Ein Übermittler einer Nachricht kann nicht gleichzeitig der Empfänger sein. Ich kann mich nicht selbst warnen. Das würde Zweitschwankungen verursachen. Der Raum zwischen dem Absendepunkt und dem Empfangspunkt würde annulliert mit allem, was sich darin befindet. Darum habe ich Ihnen auch nicht den Text Ihrer Botschaft gezeigt. Ich habe sie nicht verlegt, sie ist in meinem Ärmel. Aber ich möchte Sie nicht beeinflussen.«
»Das Universum würde sicher keine Widersprüchlichkeiten zulassen«, meinte Corson.
»So ein Standpunkt kann nur aus einem schwachen Hirn kommen. Das Universum duldet alles. Man kann sogar mathematisch beweisen, daß man Systeme errichten kann, die sich völlig widersprechen.«
»Ich dachte, die Mathematik sei in sich selbst logisch«, sagte Corson sanft. »Die Theorie der Kontinu …«
»Sie überraschen mich«, unterbrach Veran. »Die Theorie der Kontinuität wurde doch schon vor dreitausend Jahren fallengelassen. Außerdem hat das wenig mit unserem Fall zu tun. Richtig ist, das jede Theorie, die auf einer unbegrenzten Zahl von Voraussetzungen beruht, ihre eigenen Widersprüche enthalten muß. Sie ist dann zwar unsinnig oder verschwindet ganz, aber trotzdem existiert sie auf dem Papier.«
Darum muß ich also meinen Weg in der Zeit suchen, dachte Corson. Mein Gegenstück in der Zukunft kann mir keine Nachricht übermitteln und mir sagen, was von mir erwartet wird. Aber durch bestimmte Lücken sickern mir Einzelinformationen zu, die mir helfen, meinen Weg zu finden. Wenn ich nun versuche, diese Nachricht an mich zu nehmen und die Zukunft zu zwingen …
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte Veran, als hätte er Corsons Gedanken gelesen. »Ich persönlich halte nicht allzuviel vom Gesetz der Nicht-rückgängigen-Information, aber ich würde es doch nicht wagen, es zu verletzen.«
Corson wußte, daß die Herren in der weiten Zukunft dies ständig taten. Sie spielten damit. Sie kannten keine Schranken.
»Sitzen Sie hier nicht träumend herum, Corson«, unterbrach Veran seine Gedanken. »Sie haben mir erzählt, daß diese Vögel phantastische Waffen besitzen, die mir zur Verfügung gestellt werden sollen. Sie haben mir weiter gesagt, daß ich das wilde Pegason, das hier auf dem Planeten versteckt ist, ohne die Hilfe der Urianer nicht fangen kann. Und sie brauchen mich als Werkzeug ihrer Rache. Sie benötigen einen kampferprobten Mann, der für sie Eroberungen macht. Auch muß man verhindern, daß das Sicherheitsbüro ihre Pläne nicht durchkreuzt. Vielleicht haben Sie recht. Es paßt alles sehr gut zusammen, nicht wahr?«
Plötzlich schoß Verans Hand so blitzschnell vor, daß Corson nicht mehr reagieren konnte. Er zerriß das Kettchen, das Corsons Abhörgerät festhielt. Er verschloß das Gerät in einer kleinen, schwarzen Schachtel, die er in seiner Hand verborgen gehalten hatte. Corson griff nach Verans Handgelenk, aber dieser schüttelte ihn ab.
»Jetzt können wir offen reden. Jetzt hört niemand mehr mit.«
»Sie werden es bemerken«, sagte Corson.
»Sie unterschätzen mich, mein Freund«, sagte Veran kalt. »Diese Vögel werden weiterhin unsere Stimmen hören. Wir plaudern über das Wetter, den Krieg und das Bündnis … Unsere Stimmen wurden analysiert. Warum glauben Sie, haben wir hier soviel Zeit mit Klatsch vertrödelt? Jetzt sendet ein kleiner Apparat ein ziemlich langweiliges Gespräch, das aber für Ihre urianischen Freunde sicher sehr informativ ist. Von mir bekommen Sie nun einen anderen Halsschmuck.«
Er gab kein Zeichen, aber Corson fühlte sich von festen Händen gepackt. Sein Kopf wurde zurückgedrückt. Er fühlte kaltes Metall an seiner Kehle.
Ein kleines Schloß klickte. Er wurde losgelassen. Corson griff sich an den Hals. Man hatte ihm einen Kragen angelegt. Corson hatte gesehen, daß einige von Verans Männern auch so ein Metallband um den Hals trugen.
»Ich hoffe, das stört Sie nicht«, sagte Veran. »Sie müssen sich daran gewöhnen. Sie werden es wohl lange tragen, vielleicht für immer. Das Band ist mit zwei Zündern verschlossen. Sollten Sie versuchen, es zu entfernen, wird es explodieren. Sie dürfen mir glauben, daß die Explosion stark genug sein wird, Sie wieder mit allem, was sich in Ihrer Nähe befindet, nach Aergistal zu blasen. Sollten Sie jemals versuchen, eine Waffe auf mich zu richten oder mit mir zu kämpfen, erhalten Sie eine Injektion mit einem sehr wirkungsvollen Gift. Dieser hübsche Apparat funktioniert immer und überall in Raum und Zeit. Sie können mich hassen und in Ihren Träumen hundertmal vernichten, aber Sie können Ihre Träume nicht in die Wirklichkeit umsetzen. Sollten Sie sich durch dieses schöne Halsband in Ihrer Würde verletzt fühlen, so können Sie sich damit trösten, daß auch die Männer meiner Leibwache mit diesem Gerät ausgestattet sind.«
Er schaute Corson zufrieden an.
»Ist das auch eine Art Patt?«
»Ja«, gab Corson zu. »Aber die Urianer werden überrascht sein.«
»Sie werden den Sinn des Halsbands verstehen. Sie haben inzwischen eine andere Version unseres Gesprächs empfangen. Und das kleine Abhörgerät der Urianer war auch nicht gerade so harmlos, wie es aussah. Auf ein bestimmtes Signal kann es genug Hitze ausstrahlen, um Sie zu töten. Aber wenn sie schlauer gewesen wären, hätten sie einen automatischen Zünder benutzt. Nun, ich kann mir vorstellen, daß Sie nun einen Drink nötig haben.«
»Ganz bestimmt habe ich das«, meinte Corson.
Veran nahm einen Krug aus einem Schubfach und zwei Becher aus Kristall. Er füllte sie, nickte Corson freundlich zu und nahm einen kräftigen Schluck.
»Ich hoffe, Sie nehmen mir das alles nicht übel. Ich mag Sie, Corson, und ich brauche Sie. Aber ich kann Ihnen nicht trauen. Es paßt alles viel zu gut zusammen. Der einzige Grund dafür ist, daß Sie hier sind, hier waren und überall sein werden. Ich weiß nicht, welches Spiel Sie spielen und was Sie in Ihrem Innern dazu treibt. Was Sie mir vorschlagen, ist Verrat an der Menschheit. Sie verlangen von mir, daß ich mich diesen fanatischen Vögeln zur Verfügung stelle, die nur davon träumen, die Menschheit auszurotten. Dafür bietet man mir persönliche Sicherheit und am Ende verdammt viel Macht. Nehmen wir an, ich sei fähig, mitzuspielen. Aber was ist mit Ihnen, Corson? Sie schauen nicht wie ein Verräter an Ihrer eigenen Rasse aus.«
»Ich habe keine andere Wahl«, meinte Corson.
»Für einen Mann, der unter Zwang handelt, sind Sie aber sehr unternehmungslustig. Sie überzeugen diese Vögel, sich mit mir zu verbünden, und kommen dann her, um selbst zu verhandeln. Außerdem haben Sie mich hergerufen, damit dies alles überhaupt möglich ist. Schön und gut. Nehmen wir an, Sie stellen mir eine Falle, und ich verschwinde. Dann stehen Sie allein mit diesen Vögeln da. Dann haben Sie Ihre Rasse noch einmal betrogen, indem Sie mich Wesen ausgeliefert haben, die von Ihrem Standpunkt aus sicher nicht mehr wert sind als ich. Sie müssen wieder von vorne anfangen. Aber das ist nicht Ihr Stil. Die Vögel halten Sie für ein wildes Tier, das fähig ist, ihre Nester auszurauben, das man aber auch zähmen kann. Ich habe Tausende von Soldaten gesehen, die waren wie Sie, Corson. Fast unfähig, ihre eigene Rasse zu verraten, oder ihr Land, nicht einmal ihre Generäle. Oh, das ist nicht das Ergebnis einer angeborenen Tugend, sondern das Ergebnis der militärischen Erziehung.