Nun trafen härtere Strahlen seinen Körper. Das Monster begann über sein Schicksal zu weinen. Es fühlte sich als schwache Kreatur, die unfähig war, mehr als einen kleinen Zeitraum in Zukunft oder Vergangenheit zu beherrschen. Es klagte über das Los seiner unschuldigen Nachkommen, die vielleicht keine Chance mehr hatten, zu leben.
In einer Entfernung von etwa sechstausend Kilometern beobachteten riesige Vögel ihre Instrumente unter den neugierigen Blicken von Colonel Veran. Der Energiestrahl, der tief ins Innere des Planeten drang, war dreimal absorbiert worden.
»Da ist es«, sagte Ngal R’nda unruhig. »Sind Sie sicher, daß Sie es ausschalten können?«
»Absolut«, antwortete Veran mit arrogantem Selbstvertrauen. Das Bündnis war in Kraft getreten, aber Veran hatte viele Vorteile für sich herausgeschlagen. Sein Lager war zwar durch die Waffen der Urianer bedroht, aber das kümmerte ihn nicht. Er hatte noch einen Trumpf im Ärmel. Er gab nun seine Befehle.
Das Monster mobilisierte seine Kräfte. Aber es fühlte sich wie gelähmt. Der Brutvorgang war zu weit fortgeschritten, als daß es einen Zeitsprung hätte machen können.
Es hatte die Wahl zwischen Selbsterhaltung oder Schutz der Nachkommenschaft. Es konnte auch nicht an die Oberfläche oder tiefer in die Erde dringen. Beides war zu gefährlich. Wieder beweinte es sein Schicksal.
Es bemerkte die Anwesenheit von Wesen in einer Entfernung von wenigen Kilometern. Einige Angehörige seiner eigenen Rasse näherten sich. Das war für das Monster kein Trost. Es wußte aus seiner Vergangenheit, daß brütende Monster eine saftige Beute waren. Kannibalismus erleichterte seiner Rasse den Austausch von Genen und verhinderte Entartung.
Im letzten Augenblick strengte es alle seine Kräfte an, um den Jägern zu entkommen. Es stieg auf und versteckte sich in einem Lavastrom. Aber Verans Pegasonen hatten dies vorausgesehen. Sie handelten nach einem bestimmten Plan, der für ihre Rasse sehr ungewöhnlich war. Sie nahmen das Monster in ihre Mitte und schlossen es ein, ähnlich wie es vor vielen tausend Jahren zahme Elefanten mit ihren wilden Artgenossen auf der Erde gemacht hatten.
Das Monster fand sich plötzlich in einem Energiefeld, das stärker war als das auf der Archimedes. Zuerst begann es wieder zu weinen, aber als dies nutzlos war, ließ es sich fortschleppen und fiel wieder in Schlaf, um sich den trügerischen Träumen von der alten Heimat hinzugeben.
30.
Corson genoß es, in einem Lager zu leben, in dem alles bis ins Kleinste organisiert war. Die Soldaten, die ihn im Reiten von Pegasonen ausbildeten und wahrscheinlich auch bewachten, waren nicht erstaunt über Corsons Halsband. Sie glaubten zweifellos, daß er nun zu Verans Leibwache gehörte.
Veran selbst machte Pläne mit Ngal R’nda und den Edlen von Uria. Er hatte offensichtlich ihr volles Vertrauen gewonnen. Sie hatten sich sogar überreden lassen, ihm ihre Waffen zur Verfügung zu stellen und deren Gebrauch zu erklären. Die Disziplin von Verans Armee hatte sie stark beeindruckt. Vielleicht hinderte aber ihr Überlegenheitsgefühl sie auch daran, sich vorzustellen, daß dieser Mensch, ihre Diener, das Bündnis brechen und sie betrügen könnte. Nach Corsons Meinung waren diese Vögel manchmal unbeschreiblich naiv. Verans scheinbare Ehrerbietung erfüllte sie mit selbstgefälliger Zufriedenheit. Die ganze Sache entwickelte sich sehr gut, wie Veran orakelhaft sagte.
Corson dachte anders. Unter seinen Augen entstand eine prächtige Kriegsmaschine. Das Monster, das nun bald seine Jungen haben würde, war in einem Energiekäfig eingesperrt. Da es zu alt zum Zähmen war, überließ man es den Jungen zum Fraß.
Es schien Corson, daß das Bündnis mit Uria sich völlig anders entwickelte, als er gerechnet hatte. Flucht war für ihn unmöglich. Er hätte es sofort versucht, wenn er einen Weg gesehen hätte. Er fühlte, daß er Zeuge eines der schlimmsten kriegerischen Abenteuers in der Geschichte werden würde. Aber aus seiner Zukunft kam kein Zeichen. Sein Schicksal schien besiegelt, aber in einer Weise, die er nicht gewollt hatte.
Aber nach einer ruhigen Nacht verschwanden die düsteren Gedanken etwas.
Er schaute gerade zum Himmel und fragte sich, warum man weder in Dyoto noch in einer anderen Stadt die Aktivitäten im Lager bemerkt hatte, als sich Veran näherte.
»Ein schöner Abend«, meinte er. Er zog an einer dünnen Zigarre.
Er blies den Rauch in die Luft und sagte plötzlich: »Ngal R’nda hat mich zur nächsten Vorstellung des Blauen Eies eingeladen. Das ist die Chance, auf die ich gewartet habe. Es wird hohe Zeit, daß ich den Kerl loswerde. Ich fürchte, er wird langsam mißtrauisch«, fuhr Veran fort. »In den letzten Tagen drängte er mich dauernd, mit den Feindseligkeiten zu beginnen. Dieser alte Geier hat nichts im Kopf als Krieg! Ich selbst bin nicht begierig auf Krieg, wissen Sie. Man vergeudet gutes Material und verliert die besten Soldaten. Ich kämpfe nur dann, wenn es keine andere Möglichkeit gibt, zum Ziel zu kommen. Ich bin sicher, daß ich mit der Regierung dieses Planeten eine Einigung erziele, wenn ich diesen Ngal R’nda aus dem Weg geräumt habe. Seltsam ist nur, daß man von dieser Regierung nichts sieht und nichts hört. Wissen Sie etwas darüber, Corson?« Eine lange Stille trat ein.
»Ich habe Spione in die verschiedenen Städte des Planeten geschickt«, sagte Veran plötzlich. »Sie hatten keinerlei Schwierigkeiten, sich dort umzusehen, aber erfahren haben sie praktisch nichts. Es scheint, als ob es auf diesem Planeten überhaupt keine offizielle Regierung gibt, wenn man einmal von Ngal R’ndas begrenzter Macht absieht.«
»Nun«, meinte Corson, »dann ist doch alles viel leichter für Sie.«
Veran schaute ihn scharf an. »Nein, das ist das Schlimmste, was mir passieren konnte. Wie kann ich mit einer Regierung verhandeln, die nicht existiert?«
Er blickte nachdenklich auf seine Zigarre.
»Aber«, fuhr er fort, »ich habe nur gesagt, daß es scheinbar so ist. Einer meiner Spione war etwas schlauer. Er hat mir eine hübsche Geschichte erzählt. Er sagte, dieser Planet habe eine politische Organisation, die aber sehr eigenartig sei. Es gibt einen Rat, der einige Jahrhunderte überwacht und irgendwo in der Zukunft residiert. Das ist das Verrückteste, was ich je gehört habe. Stellen Sie sich das vor, Corson. Eine Regierung, die über Tote und ungeborene Kinder herrscht!«
»Vielleicht haben die eine andere Vorstellung vom Regieren, als Sie«, meinte Corson sanft.
»Ja, es sind Demokraten, nicht wahr? Vielleicht sogar Anarchisten! Ich weiß, was die wollen. Sie reduzieren die Verwaltung auf ein Minimum, denn die meisten Verwaltungen haben keine lange Dauer und werden bei der ersten Invasion hinweggefegt.«
»Aber hier hat seit Jahrhunderten keine Invasion mehr stattgefunden«, gab Corson zu Bedenken.
»Dann werden sie jetzt eine böse Überraschung erleben. Übrigens, Corson, da gibt es noch etwas sehr Seltsames, was ich bisher noch nicht erwähnt habe. Ein Mitglied dieses Rates ist ein Mann.«
»Was ist daran so seltsam?«
»Er sieht Ihnen sehr ähnlich. Ist er vielleicht mit Ihnen verwandt?«
»Ich habe keine Verwandten in so wichtigen Positionen«, sagte Corson.
»Mein Spion hat diesen Mann nicht selbst gesehen, aber er ist auf dem Gebiet der Physiognomik ein Experte. Außerdem ist er ein guter Künstler. Er hat ein Porträt von Ihnen gezeichnet und es seinem Informanten gezeigt. Er hat Sie klar erkannt, Corson. Was halten Sie davon?«
»Nichts«, antwortete Corson freundlich.
Veran sah ihn stirnrunzelnd an. »Vielleicht sagen Sie die Wahrheit. Ich könnte Sie zu einem Test mit dem Lügendetektor zwingen, aber das würde bedeuten, daß Sie nachher ein Idiot wären. Und es war kein Idiot, der mir die Nachricht geschickt hat. Also brauche ich Sie leider noch. Als ich von der Sache mit dem Rat und Ihnen hörte, versuchte ich zwei und zwei zusammenzuzählen. Aber es kam nie vier heraus. Zuerst dachte ich, Sie seien eine Maschine oder ein Android. Aber wir haben Sie heimlich getestet, und ich mußte diesen Gedanken wieder aufgeben. Ich weiß alles über Sie, nur nicht, was in Ihrem Kopf vorgeht. Sie sind ein Mensch, Sie denken so und verhalten sich so. Sie sind vielleicht ein wenig zurückgeblieben, als kämen Sie aus einer vergangenen Zeit, aber wenn Sie eine Aufgabe zu erledigen haben, dann haben Sie Mut und Verstand, sie auszuführen. Natürlich sichern Sie sich ab, wie zum Beispiel mit dieser verdammten Nachricht. Corson, warum legen Sie Ihre Karten nicht offen auf den Tisch?«