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Corson griff sich an den Hals. Das Band war noch da. Es war fest, kalt und unbeweglich, aber gefährlicher als eine Giftschlange. Der Gedanke, die Frauen als Soldaten zu benutzen, schien offenbar keine offene Feindschaftserklärung an Veran zu sein.

Es wurde ihm übel, und er beugte den Kopf. Er merkte, daß Antonella ihn beobachtete. Der Gedanke, die Frauenkörper zu benutzen, entsetzte ihn. Aber diese Frauen waren leere Hüllen! Sie waren nicht mehr fähig zu denken oder zu fühlen, höchstens auf einer sehr niedrigen Stufe. Sie mit künstlichen Identitäten auszustatten, wäre allerdings ein geringeres Verbrechen, als eine Stadt durch einen Knopfdruck auszuradieren.

Er bedeckte sein Erbrochenes mit Sand, schluckte und wischte sich die Mundwinkel sauber.

»Es geht mir schon wieder besser«, beruhigte er Antonella, die ihn immer noch erschrocken ansah. »Es war nur ein leichter Anfall.«

Sie hatte ihm weder helfen wollen, noch hatte sie eine Spur von Mitleid gezeigt. Sie hatte sich nicht gerührt.

Vielleicht ist sie noch zu jung, dachte er. Erzogen in der wattierten Sicherheit einer Welt, die weder Krankheit noch Schmerz kannte. Sie ist kaum mehr als eine schöne Blume. Die Erfahrung wird sie verändern. Dann werde ich sie wieder lieben können. Bei allen Göttern, ich werde Aergistal Stein um Stein in Stücke schlagen, um sie wieder zu finden! Sie können sie nicht hierbehalten. Sie hat sich niemals ihre Hände mit einem Verbrechen beschmutzt.

Darum war er hier. Antonella konnte nicht tun, was er getan hatte, noch was er tun mußte. Keiner aus ihrer Zeit konnte diese Aufgabe erfüllen. Sie waren dazu nicht hart genug. Ihre Welt war leider nicht frei von Gefahren, und Leute wie Corson mußten diese Gefahren aus dem Weg räumen.

Wir sind, sagte er sich, die Straßenkehrer der Geschichte, die Kanalreiniger. Wir wühlen im Dreck, damit unsere Nachfahren saubere Wege finden.

»Gehen Sie mit zum Schwimmen?« fragte das Mädchen.

Er nickte nur, da er noch nicht sprechen konnte. Das Wasser würde ihm das Gefühl der Sauberkeit wieder zurückgeben.

35.

Als Corson aus dem Wasser kam, war Cid wieder da. Er murmelte eine Entschuldigung, um Antonella loszuwerden, und entwickelte Cid seinen Plan. Im großen und ganzen stimmten sie miteinander überein, aber einige Einzelheiten waren noch zu klären. Da war zum Beispiel das Halsband von Veran, das er nicht loswerden konnte. Vielleicht würde er auf Aergistal oder in der Zukunft eine Möglichkeit finden.

Es würde leicht sein, Veran zu entkommen. Nachdem man ihm das Halsband umgelegt hatte, war er mit guten Waffen ausgerüstet worden, da Veran sicher war, er könne nun nichts mehr gegen ihn unternehmen.

Die Verpflegung, die er vor dem Mausoleum ablegen würde, hatte er bei sich. Es fehlten nur die beiden Raumanzüge, die er seinem anderen Ich und Antonella geben mußte. Aber es würde sicher nicht schwierig sein, diese während des Getümmels in Verans Lager zu besorgen.

Entgegen seinen Erwartungen hatte Cid keine Einwände gegen den wichtigsten Punkt seines Planes: die Wiederbelebung der scheintoten Mädchen.

»Ich habe auf dem Gebiet der Wiederbelebung und der Einpflanzung neuer Identitäten etwas Erfahrung«, meinte Corson. »Man hat solche Versuche schon während des Krieges mit Uria gemacht. Allerdings brauche ich eine spezielle Ausrüstung und vielleicht auch technische Hilfe.«

»Ich vermute, Sie werden in dem Mausoleum alles Nötige finden. Diese Sadisten, die die Mädchen konserviert haben, sind sicher für alle Fälle vorbereitet gewesen«, entgegnete Cid. »Wenn Sie einen Rat brauchen, wenden Sie sich einfach an die Herren von Aergistal.«

»Wie denn? Soll ich laut schreien? Beobachten die mich ständig?«

Cid lächelte leise. »Vielleicht. Aber das ist nicht notwendig. Wußten Sie nicht, daß Sie mit Hilfe des Pegasons ständig mit den Herren von Aergistal Verbindung aufnehmen können? Sie waren doch auf Aergistal. Der Weg dahin ist untilgbar in Ihrem Gehirn eingeprägt. Außerdem ist es eigentlich kein Weg, sondern mehr eine Vorstellung. Aergistal liegt auf der Oberfläche des Universums. Das bedeutet, es ist überall. Mehr brauchen Sie nicht zu wissen.«

»Aber was muß ich tun?« fragte Corson verblüfft.

»Ich kenne die Pegasone nicht besser als Sie. Außerdem war ich nie auf Aergistal. Ich vermute aber, Sie brauchen nur mit dem Pegason Gedankenverbindung aufzunehmen und sich an Aergistal zu erinnern. Das Pegason wird Sie instinktiv hinbringen und dabei notwendige Korrekturen vornehmen. Sie dürfen nicht vergessen, daß das Pegason tief in Ihr Unterbewußtsein eindringen kann.«

Cid rieb sich das Kinn. »Sehen Sie«, fuhr er fort, »alles begann mit den Pegasonen, zumindest auf diesem Planeten. Früher waren sie auf Uria nicht bekannt.« Er lächelte traurig. »Dann haben Sie das erste Pegason hierhergebracht. Urianische Wissenschaftler studierten seine Nachkommenschaft und fanden heraus, wie sie die Zeit überwinden und kontrollieren. Dann versuchten sie, Menschen mit dem gleichen Talent auszustatten. Ich sagte Ihnen schon, es ist weniger eine Frage der Begabung als der Art und Weise, wie man die Dinge betrachtet. Das menschliche Nervensystem hat keine spezielle Kraft, aber es kann sie sich aneignen. Vor einigen Jahrhunderten, als wir unsere Aufgabe hier im Rat übernahmen, konnten die Menschen auf Uria nur ein paar Sekunden in die Zukunft sehen. Aus irgendeinem Grund hatten die Eingeborenen noch mehr Schwierigkeiten damit.«

»Das war auch gut so«, murmelte Corson und dachte an Ngal R’nda. »Aber die Leute, die ich bei meiner Ankunft traf, hatten diese Fähigkeit schon, während die Versuche mit den Pegasonen erst später stattgefunden haben können.«

Cid lächelte wieder, diesmal war er sichtlich erheitert. »Wieviele Leute haben Sie denn damals eigentlich getroffen?«

Corson dachte nach. »Nur zwei, Floria Van Nelle und Antonella.«

»Die kamen aus der Zukunft«, erklärte Cid. »Später nahmen die Leute, die am weitesten fortgeschritten oder am begabtesten waren, Verbindung mit Aergistal auf. Dann wurde alles einfacher.«

Er streckte sich und nahm einen tiefen Atemzug.

»Jetzt haben wir begonnen, durch die Zeit zu reisen, ohne daß wir ein Pegason oder einen anderen Apparat dazu brauchen. Wir benützen nur eine kleine Vorrichtung, eine Art Gedächtnisführer. Aber bald werden wir den auch nicht mehr benötigen.«

»Bald?«

»Morgen oder in hundert Jahren. Das ist doch kein Unterschied. Zeit bedeutet wenig für den, der sie beherrscht.«

»Immerhin sterben zwischen jetzt und später viele Leute.«

»Sie sind doch auch schon einmal gestorben, nicht wahr, Corson? Das hinderte Sie doch nicht daran, Ihre Aufgabe durchzuführen.«

Corson schwieg eine Weile und konzentrierte sich auf seinen Plan. Was Cid ihm gesagt hatte, stellte ihn vor zwei Probleme: Wie konnte er das Pegason veranlassen, sein anderes Ich und Antonella nach Aergistal zu bringen? Wie konnte er den Planeten mit dem Mausoleum wiederfinden? Er war schon dort gewesen und würde darum den Weg zurückfinden. Es war wohl unmöglich, sich unter den vielen Milliarden Himmelskörpern in dieser Ecke des Universums zurechtzufinden, die alle ihren relativen Bahnen folgten. Aber man konnte immer wieder einen Weg finden, den man schon einmal gegangen war.

»Wir hätten Ihnen vielleicht beibringen können, wie man durch die Zeit reist«, bemerkte Cid, der im Sand wühlte, »aber das hätte sehr lange gedauert. Außerdem wäre es vielleicht gar nicht nützlich. Für Sie ist es besser, das Pegason weiter zu benutzen.«

Er holte einen silbrigen Behälter hervor.