»Eins ist jedenfalls sicher«, meinte Corson. »Wenn du die Wahrheit gesagt hast, werde ich die Möglichkeit finden, die Zeit in der Zukunft zu finden, aus der du stammst. Und dort werde ich dich treffen, bevor du kamst, um mich zu warnen. Du wirst mich zum ersten Mal in deinem Leben sehen. Ich sehe dich dann zum zweiten Mal. Ich werde Dinge sagen, die für dich unverständlich sein werden. Vielleicht kann ich am Ende meines Weges Ordnung in dieses unergründliche Durcheinander bringen.«
Er warf sich in das Polster, und während sie auf die Stadt zuflogen, überkam ihn plötzlich Müdigkeit.
11.
Er erwachte durch Schreie und knirschende Geräusche. Man hörte das schwere Stampfen von Stiefeln, und eine knarrende Stimme schrie Befehle. Auch das Klirren von Waffen klang durch den Lärm.
»Haben wir einen Unfall gehabt?«
»Nein. Wir sind angegriffen worden. Ich habe nichts vorhergesehen. Nur diese dunkle Wolke. Ich kann nicht feststellen, was das ist.«
»Und was geschieht nun?«
»Ich kann nichts erkennen. Nur Dunkelheit, totale Dunkelheit.« In ihrer Stimme lag Verzweiflung.
Er drückte ihre Schulter, um ihr Mut zu machen. Aber in dieser totalen Dunkelheit konnte selbst ein körperlicher Kontakt nicht völlig das Gefühl des Verlassenseins mildern.
Er flüsterte: »Ich habe eine Waffe!« Mit einer raschen Bewegung zog er die Pistole aus dem Halfter und schoß um sich. Aber statt des heißen Silberstrahls, den er gewohnt war, sah er nur einen schwachen violetten Strahl aus der Mündung kommen, der im Nichts verschwand. Die Dunkelheit, die sie umgab, mußte ein Kraftfeld sein, daß nicht nur Licht absorbierte, sondern auch Strahlenenergie. Corson fühlte im ganzen Körper ein scheußliches Prickeln, als wollten alle seine Zellen auseinanderfallen.
Dann rief eine tiefe und mächtige Stimme, die aus einer Höhle zu kommen schien: »Corson, hören Sie auf zu schießen — wir sind Freunde!«
»Wer sind Sie?« rief er zurück.
»Colonel Veran«, antwortete die Stimme. »Sie kennen mich nicht, aber das macht nichts. Schützen Sie Ihre Augen, wir entfernen den Schutzschirm.«
Corson steckte die Pistole weg und suchte Antonellas Hand.
»Tu, was er sagt. Sagt dir der Name etwas?«
Sie flüsterte: »Ich kenne niemand, der Colonel heißt.«
»Das ist ein militärischer Dienstgrad. Sein Name ist Veran. Ich kenne ihn genausowenig wie du, aber …«
Durch seine Finger sah Corson zuerst einen grauen Schleier und rote Punkte, dann hatte er sich an die Helligkeit gewöhnt. Er sah, daß der Gleiter auf einer Lichtung im Dschungel schwebte. Sie waren von Männern in grauen Uniformen umringt. Sie trugen unbekannte Waffen. Hinter den Soldaten konnte er die Konturen von Maschinen ausmachen, aber alles war noch zu verschwommen.
Dann bewegte sich eine der Maschinen, und Corson hätte fast laut aufgeschrien.
Diese »Maschinen« waren Monster!
Es waren Monster, die genau dem ähnelten, das an Bord der Archimedes gewesen war. Diese Kreaturen waren so schrecklich, daß die Menschen, deren Sprache während des Krieges verarmt war, nur einen Namen für sie finden konnten: Monster.
Corson schaute zu Antonella. Sie hatte die Lippen zusammengepreßt, hielt sich sonst aber gut unter Kontrolle.
Nun löste sich ein Mann in grüner Uniform aus der Gruppe der Soldaten und schritt auf den Gleiter zu. In einer Entfernung von drei Metern blieb er stehen, stand stramm und sagte in scharfem Ton: »Colonel Veran! Auf wunderbare Weise mit dem Rest des 623. Kavallerieregiments der Katastrophe auf Aergistal entkommen. Danke Ihrer Hilfe, Corson. Ihre Idee, uns eine Warnung zu schicken, hat uns das Leben gerettet. Wie ich sehe, ist es Ihnen gelungen, eine Geisel zu nehmen. Sehr gut. Wir werden sie später verhören.«
»Ich war nie …«, begann Corson, dann verstummte er wieder. Wenn der Colonel glaubte, er stände in Corsons Schuld, so war es besser, ihn in diesem Glauben zu lassen.
Er sprang aus dem Gleiter. Erst jetzt bemerkte er, daß die Uniform der Soldaten zerrissen und verschmutzt waren. Die schwarzen Schutzmasken über ihren Gesichtern waren verbeult. Seltsamerweise schien aber niemand verwundet zu sein. Sofort wußte Corson aus eigener Erfahrung, was das bedeutete. Verwundete wurden getötet …
Der Name »Aergistal« sagte ihm nichts, und auch die Uniformen waren ihm unbekannt. Der Dienstgrad »Colonel« war seit mindestens fünfzehntausend Jahren üblich. Dieser Colonel Veran konnte also aus jeder Schlacht kommen, die seit Corsons Zeit und der Jetztzeit geschlagen worden war. Allein die Tatsache, daß diese Männer gezähmte Monster besaßen, wies drauf hin, daß sie aus einer Zeit stammten, die weit hinter Corsons Zeit lag. Wie lange hatte es wohl gedauert, bis man sich mit diesen Monstern hatte verständigen können, sie zähmte und im Kampf einsetzte? Zehn, hundert oder tausend Jahre seit den ersten Versuchen der Solar-Mächte?
»Welchen Dienstgrad hatten Sie?« fragte Colonel Veran.
Instinktiv stand Corson stramm. Dann wurde er sich über die groteske Situation klar. Er trug eine völlig unmilitärische Kleidung und war, ebenso wie Veran nur ein Geist in diesem Moment. Was Antonella betraf, so war sie eigentlich noch gar nicht geboren.
»Lieutenant«, sagte er.
»Ich befördere Sie zum Captain«, sagte Veran feierlich. »Die Vollmacht wurde mir von seiner Hoheit, dem Ptar von Murphy, verliehen.«
Seine Stimme wurde fast herzlich, als er fortfuhr: »Natürlich werden Sie Feldmarschall, wenn wir den Krieg gewonnen haben. Im Augenblick kann ich Sie nur zum Captain ernennen, da Sie in einer fremden Armee gedient haben. Ich denke, Sie sind sehr froh, wieder in einer guten Truppe zu dienen. Ich habe harte und zuverlässige Männer. Sicher haben Sie in der kurzen Zeit, die Sie in dieser Welt verbracht haben, wenig Erfreuliches erlebt.«
Er trat dicht zu Corson und sagte leise: »Glauben Sie, ich könnte auf diesem Planeten Rekruten anwerben? Ich könnte etwa eine Million Mann gebrauchen. Außerdem brauche ich zweihunderttausend Pegasone. Wir können Aergistal noch retten!«
»Ich zweifle nicht daran«, sagte Corson, »aber was sind Pegasone?«
»Unsere Reittiere, Captain Corson!« Mit einer weiten Geste zeigte Veran auf die acht Monster.
»Oh, ich habe einige große Pläne im Sinn, Captain«, fuhr er fort. »Ich bin sicher, Sie schließen sich mir an. Wenn ich Aergistal zurückerobert habe, werde ich auf Naphur landen. Ich werde die dortigen Nachschublager besetzen und dann die lausige Küchenschabe, den Ptar von Murphy, entthronen!«
»Um offen mit Ihnen zu reden«, sagte Corson. »Ich glaube nicht, daß Sie auf diesem Planeten viele Rekruten anwerben können. Was die Pegasone betrifft … Nun, in diesem Dschungel streift eines herum, aber es ist völlig wild.«
»Sehr gut!« sagte Veran. Er nahm seinen Helm ab, und Corson sah, daß sein Kopf glattrasiert war. Das Haar hatte wieder zu wachsen begonnen, und nun sah sein Schädel aus wie ein Nadelkissen. Seine tiefliegenden grauen Augen erinnerten Corson an harte Steine. Verans Gesicht war wettergebräunt und von alten Narben übersät. An den Händen trug er Handschuhe aus einem glänzenden, elastischen Metall.
»Geben Sie mir bitte Ihre Waffe, Captain Corson«, sagte er.
Corson zögerte einen Moment lang. Dann gab er Veran seine Waffe, der sie mit einem Ruck an sich nahm. Er untersuchte sie, wog sie in der Hand und lächelte dann.
»Das ist kaum mehr als ein Spielzeug!«
Er schien eine Weile nachzudenken. Dann gab er die Waffe zurück.
»Im Hinblick auf Ihren Rang und den Dienst, den Sie uns erwiesen haben, glaube ich, daß ich Ihnen die Waffe lassen kann. Ich brauche nicht zu sagen, daß sie nutzlos ist, außer gegen unsere Feinde. Aber ich fürchte, sie bietet Ihnen nicht genügend Schutz. Darum werde ich Ihnen zwei meiner Männer zur Verfügung stellen.«
Er nickte, und zwei seiner Soldaten, die leichte Metallhalsbänder trugen, traten vor und nahmen Haltung an.