Er verneigte sich tief und sah sich einen Moment lang im Saal um. Lady Arryn hatte ihre Ritter und Gefolgsleute zusammengerufen, damit sie sich sein Geständnis anhörten, ganz wie er gehofft hatte. Er sah Ser Brynden Tullys runzliges Gesicht und das derbe, gutmütige von Lord Nestor Royce. Neben Nestor stand ein jüngerer Mann mit wildem, schwarzem Backenbart, bei dem es sich nur um seinen Erben Ser Albar handeln konnte. Die meisten der führenden Familien des Tales waren vertreten. Tyrion bemerkte Ser Lyn Corbray, schlank wie ein Schwert, Lord Hunter mit seinen gichtkranken Beinen, die verwitwete Lady Waynwood, umgeben von ihren Söhnen. Andere trugen Embleme, die er nicht kannte. Gebrochene Lanze, grüne Natter, brennender Turm, der geflügelte Becher.
Unter den Herren aus dem Tal fanden sich mehrere seiner Gefährten von der Bergstraße. Ser Rodrik Cassel, blaß von halb verheilten Wunden, stand neben Ser Willis Wode. Marillion, der Sänger, hatte eine neue Holzharfe gefunden. Tyrion lächelte. Was auch immer heute abend hier geschehen mochte… er wollte es nicht im geheimen geschehen lassen, und wenn man eine Geschichte landauf, landab verbreiten wollte, dann ging nichts über einen Troubadour.
Im hinteren Teil der Halle lümmelte sich Bronn unter einem Pfeiler. Die schwarzen Augen des freien Ritters waren starr auf Tyrion gerichtet, und seine Hand lag auf dem Knauf seines Schwertes. Tyrion warf ihm einen langen Blick zu, fragte sich…
Catelyn Stark sprach als erste.»Ihr wünscht, Eure Verbrechen zu gestehen, so hat man uns gesagt.«
«Das will ich, Mylady«, antwortete Tyrion.
Lysa Arryn lächelte ihre Schwester an.»Die Himmelszellen brechen jeden. Die Götter können sie dort finden, und man kann sich im Dunkel nicht verstecken.«
«Für mich sieht er nicht wie ein gebrochener Mann aus«, entgegnete Catelyn.
Lady Lysa schenkte ihr keine Beachtung.»Sagt, was Ihr zu sagen habt«, befahl sie Tyrion.
Und jetzt fallen die Würfel, dachte er mit einem weiteren, kurzen Blick auf Bronn.»Wo soll ich beginnen? Ich bin ein böser, kleiner Mann, das gestehe ich. Meine Verbrechen und Sünden sind nicht zu zählen, Mylords und Myladies. Ich habe bei Huren genächtigt, nicht einmal, sondern Hunderte von Malen. Ich habe meinem eigenen Hohen Vater den Tod gewünscht, und meiner Schwester, unserer gütigen Königin, ebenso. «Hinter ihm lachte jemand leise.»Nicht immer habe ich meine Diener freundlich behandelt. Ich habe gespielt. Ich habe sogar betrogen, wie ich zu meiner Schande gestehen muß. Ich habe viele schreckliche und bösartige Dinge über die edlen Herren und Damen des Hofes gesagt. «Das rief offenes Gelächter hervor.»Einmal habe ich… «
«Still!«Lysa Arryns blasses, rundes Gesicht war zu flammendem Rosa geworden.»Was glaubst du, was du hier tust, Zwerg?«
Tyrion neigte seinen Kopf zu einer Seite.»Nun, ich gestehe meine Sünden, Mylady.«
Catelyn Stark trat einen Schritt nach vorn.»Man beschuldigt Euch, einen gedungenen Mörder ausgesandt zu haben, der meinen Sohn Bran im Bett ermorden sollte, und außerdem beschuldigt man Euch der Verschwörung zum Mord an Lord Jon Arryn, der Rechten Hand des Königs.«
Tyrion zeigte ein hilfloses Achselzucken.»Diese Untaten kann ich nicht gestehen, wie ich fürchte. Ich weiß nichts von irgendwelchen Morden.«
Lady Lysa erhob sich von ihrem Wehrholzthron.»Ich werde mich nicht verspotten lassen. Du hattest deinen kleinen Spaß, Gnom. Ich denke, du hast ihn genossen. Ser Vardis, bringt ihn in seinen Kerker zurück… doch sucht ihm diesmal eine kleine Zelle, mit abschüssigem Boden.«
«Wird so im Grünen Tale Recht gesprochen?«brüllte Tyrion so laut, daß Ser Vardis für einen Augenblick erstarrte.»Endet die Ehre am Bluttor? Ihr werft mir Verbrechen vor, ich streite sie ab, und deshalb werft Ihr mich in eine offene Zelle, damit ich dort verhungere und erfriere. «Er hob den Kopf, damit sie alle einen Blick auf die Prellungen werfen konnten, die Mord in seinem Gesicht zurückgelassen hatte.»Wo ist das Recht des Königs? Ist die Eyrie nicht Teil der Sieben Königslande? Ich stehe unter Anklage, so sagt Ihr. Also schön. Ich verlange eine Verhandlung! Laßt mich sprechen und richtet offen darüber, ob ich die Wahrheit sage oder nicht, vor den Menschen und vor den Göttern.«
Leises Murmeln erfüllte die Hohe Halle. Er hatte sie, daß wußte Tyrion. Er war von hoher Geburt, der Sohn des mächtigsten Lords im ganzen Reich, der Bruder der Königin. Man konnte ihm das Verfahren nicht verweigern. Gardisten in hellblauen Umhängen hatten sich zu Tyrion aufgemacht, doch Ser Vardis hieß sie stehenbleiben und sah zu Lady Lysa hinüber.
Ihr kleiner Mund zuckte mit verdrießlichem Lächeln.»Falls man Euch den Prozeß macht und der Verbrechen, derer Ihr angeklagt seid, für schuldig befindet, müßt Ihr mit Eurem Blut bezahlen. Wir haben keinen Henker auf der Eyrie, Mylord von Lannister. Öffnet die Tür zum Mond.«
Die Menge der Zuschauer teilte sich. Eine schmale Wehrholztür stand zwischen zwei schlanken Marmorsäulen, ein Halbmond war ins weiße Holz geschnitzt. Jene, die ihr am nächsten standen, wichen zurück, als zwei Gardisten durch die Menge marschierten. Ein Mann entfernte die schweren Bronzeriegel.
Der zweite zog die Tür nach innen. Ihre blauen Umhänge peitschten von den Schultern, als sich der plötzliche Wind darin verfing, der durch die offene Tür heulte. Dahinter lag die Leere des nächtlichen Himmels, gefleckt von kalten, achtlosen Sternen.
«Erschaut das Recht des Königs«, sagte Lysa Arryn. Flammen flackerten wie Wimpel entlang der Mauern, und hier und da erlosch die eine oder andere Fackel.
«Lysa, ich halte das für unklug«, sagte Catelyn Stark, als der schwarze Wind durch die Halle fuhr.
Ihre Schwester achtete nicht auf sie.»Ihr wollt ein Verfahren, Mylord von Lannister. Also schön, Ihr sollt Euer Verfahren haben. Mein Sohn wird sich anhören, was immer Ihr zu sagen habt, und Ihr werdet sein Urteil hören. Dann könnt Ihr gehen… durch die eine Tür oder durch die andere.«
Sie sah so zufrieden mit sich aus, dachte Tyrion, und es nahm nicht wunder. Wie konnte ein Verfahren sie gefährden, wenn ihr Schwächling von einem Sohn oberster Richter wäre? Tyrion sah sich die Tür zum Mond an. Mutter, ich will ihn fliegen sehen! hatte der Junge gesagt. Wieviel Männer hatte der rotznasige, kleine Bengel schon durch diese Tür geschickt?
«Ich danke Euch, Verehrteste, aber ich sehe keinen Grund, Lord Robert zu behelligen«, sagte Tyrion freundlich.»Die
Götter wissen um meine Unschuld. Ihr Urteil werde ich anerkennen, nicht das Urteil der Menschen. Ich verlange den Schiedsspruch durch einen Kampf.«
Ein Sturm plötzlichen Gelächters erfüllte die Hohe Halle der Arryns. Lord Nestor Royce schnaubte, Ser Willis gluckste, Ser Lyn Corbray lachte schallend, und die anderen warfen die Köpfe in den Nacken und heulten, bis ihnen Tränen über die Gesichter liefen. Unbeholfen zupfte Marillion mit den Fingern seiner gebrochenen Hand ein paar fröhliche Töne auf seiner neuen Harfe. Selbst der Wind schien voller Hohn durch die Tür zum Mond hereinzupfeifen.
Lysa Arryns wäßrig blaue Augen wirkten verunsichert. Er hatte sie aus dem Gleichgewicht gebracht.»Das Recht habt Ihr sicherlich.«
Der junge Ritter mit der grünen Natter auf seinem Wappenrock trat vor und sank auf ein Knie.»Mylady, ich bitte um die Gunst, für Eure Sache einzutreten.«
«Die Ehre sollte die meine sein«, sagte der alte Lord Hunter.»Im Namen der Liebe, die ich für Euren Hohen Gatten empfunden habe: Laßt mich seinen Tod rächen.«
«Mein Vater hat Lord Jon treu als Haushofmeister des Grünen Tales gedient«, dröhnte Ser Albar Royce.»Laßt mich seinem Sohn in dieser Sache dienen.«
«Die Götter sind dem Manne gnädig, der die gerechte Sache vertritt«, sagte Ser Lyn Corbray,»doch oft genug entpuppt sich dieser als der Mann mit dem sichersten Schwert. Wir alle wissen, wer das ist. «Er lächelte bescheiden.
Ein Dutzend anderer Männer sprachen alle gleichzeitig, brüllten, um sich Gehör zu verschaffen. Tyrion fand es etwas entmutigend, festzustellen, daß so viele Fremde es kaum erwarten konnten, ihn zu töten. Vielleicht war es am Ende doch kein so kluger Plan gewesen.