«Das tut es«, versicherte Ned ihm.»Meine Töchter?«
«Sie sind jeden Tag bei Euch gewesen, Mylord. Sansa betet still, nur Arya…«Er zögerte.»Sie hat kein Wort gesagt, seit man Euch brachte. Sie ist ein wildes, kleines Ding, Mylord. Nie zuvor habe ich solchen Zorn bei einem Mädchen beobachtet.«
«Was immer auch geschieht«, sagte Ned,»ich will, daß meine Töchter in Sicherheit sind. Ich fürchte, das alles ist nur
der Anfang.«
«Ihnen wird nichts geschehen, Lord Eddard«, versprach Alyn.»Darauf verpfände ich mein Leben.«
«Jory und die anderen… «
«Ich habe sie den schweigenden Schwestern übergeben, damit sie nach Winterfell geschickt werden. Jory würde neben seinem Großvater liegen wollen.«
Es würde sein Großvater sein müssen, da Jorys Vater weit im Süden begraben war. Martyn Cassel war mit den anderen gefallen. Später hatte Ned den Turm eingerissen und mit dessen blutigen Steinen acht Gräber auf dem Hügel aufgeschichtet. Es hieß, Rhaegar habe diesen Ort den Turm der Freude genannt, doch für Ned bot er nur eine bittere Erinnerung. Sie waren sieben gegen drei gewesen, doch allein zwei von ihnen hatten überlebt. Eddard Stark und der kleine Pfahlbaumann Howland Reed. Er hielt es für kein gutes Omen, daß dieser Traum nach so vielen Jahren zurückgekehrt war.
«Ihr habt gut getan, Alyn«, sagte Ned, als Vayon Poole wiederkam. Der Haushofmeister verneigte sich tief.»Seine Majestät ist draußen, Mylord, und die Königin mit ihm.«
Ned schob sich höher, zuckte zusammen, als sein Bein vor Schmerz zitterte. Er hatte nicht erwartet, daß Cersei mitkommen würde. Auch das war kein gutes Zeichen.»Schickt sie herein und laßt uns allein. Was wir zu sagen haben, sollte innerhalb dieser vier Wände bleiben. «Schweigend zog sich Poole zurück.
Robert hatte sich mit dem Ankleiden Zeit gelassen. Er trug ein schwarzes, samtenes Wams, auf dessen Brust mit goldenem Faden der gekrönte Hirsch von Baratheon prangte, dazu einen goldener Mantel mit einem Umhang von schwarzen und goldenen Quadraten. Einen Weinkelch hielt er in der Hand, und sein Gesicht war bereits vom Trunk gerötet. Cersei Lannister trat nach ihm ein, mit juwelenbesetzter Tiara im Haar.
«Majestät«, sagte Ned.»Verzeiht. Ich kann nicht aufstehen.«
«Macht nichts«, sagte der König barsch.»Etwas Wein? Aus Arbor. Guter Jahrgang.«
«Einen kleinen Becher«, sagte Ned.»Mein Kopf ist noch schwer vom Mohnblumensaft.«
«Ein Mann in Eurer Lage sollte sich glücklich schätzen, daß sein Kopf noch auf den Schultern sitzt«, verkündete die Königin.
«Still, Weib«, fuhr Robert sie an. Er brachte Ned einen Becher Wein.»Hast du noch Schmerzen im Bein?«
«Ein wenig«, sagte Ned. Er fühlte sich umnebelt, doch wollte er vor der Königin keine Schwäche eingestehen.
«Pycelle schwört, daß es sauber verheilen wird. «Robert legte die Stirn in Falten.»Ich denke, du weißt, was Catelyn getan hat?«
«Ich weiß es. «Ned nahm einen kleinen Schluck Wein.»Meine Hohe Gattin trifft keine Schuld, Majestät. Alles, was sie getan hat, tat sie auf meinen Befehl hin.«
«Ich bin nicht erfreut, Ned«, brummte Robert.
«Mit welchem Recht wagt Ihr es, Hand an mein Fleisch und Blut zu legen?«verlangte Cersei zu wissen.»Für wen haltet Ihr Euch?«
«Die Rechte Hand des Königs«, erklärte Ned mit eisiger Höflichkeit.»Von Eurem eigenen Hohen Gatten dazu aufgerufen, den Frieden des Königs zu wahren und das Recht des Königs durchzusetzen.«
«Ihr wart die Hand«, setzte Cersei an,»aber jetzt…«
«Still!«brüllte der König.»Ihr habt ihm eine Frage gestellt, und er hat sie beantwortet. «Cersei fügte sich, kalt vor Wut, und Robert wandte sich wieder Ned zu.»Um den Frieden des Königs zu wahren, sagst du. So wahrst du meinen Frieden, Ned? Sieben Mann sind tot.«
«Acht«, berichtigte die Königin.»Tregar starb heute morgen von dem Hieb, den Lord Stark ihm versetzt hat.«
«Entführungen auf der Kingsroad und trunkenes Gemetzel auf meinen Straßen«, sagte der König.»Das lasse ich nicht zu, Ned.«
«Catelyn hatte guten Grund, den Gnom… «
«Ich sagte, das lasse ich nicht zu! Zum Teufel mit ihren Gründen. Du wirst ihr befehlen, den Zwerg auf der Stelle freizulassen, und du wirst Frieden mit Jaime schließen.«
«Drei meiner Männer wurden vor meinen Augen niedergemetzelt, weil Jaime Lannister mich züchtigen wollte. Soll ich das vergessen?«
«Mein Bruder war es nicht, der diesen Streit begonnen hat«, erklärte Cersei dem König.»Lord Stark kehrte betrunken aus einem Bordell heim. Seine Männer haben Jaime und seine Wache angegriffen, ganz wie seine Frau Tyrion auf der Kingsroad angegriffen hat.«
«Du kennst mich besser, Robert«, sagte Ned.»Frag Lord Baelish, wenn du mir nicht glaubst. Er war dabei.«
«Ich habe mit Littlefinger gesprochen«, sagte Robert.»Er behauptet, er sei vorausgeritten, um die Goldröcke zu holen, bevor der Kampf begann, aber er gibt zu, daß ihr aus irgendeinem Bordell kamt.«
«Aus irgendeinem Bordell. Verdammt, Robert, ich war dort, um mir deine Tochter anzusehen! Ihre Mutter hat sie Barra genannt. Sie sieht aus wie das erste Mädchen, das du gezeugt hast, als wir Jungen zusammen im Grünen Tal waren. «Er beobachtete die Königin, während er sprach. Ehr Gesicht war wie eine Maske, still und blaß, gab nichts preis.
Robert errötete.»Barra«, murmelte er.»Soll mir das gefallen? Verdammtes Mädchen. Ich dachte, sie hätte mehr Verstand.«
«Sie kann nicht älter als fünfzehn sein, und eine Hure, und du dachtest, sie hätte Verstand!«fragte Ned ungläubig. Sein Bein bereitete ihm arge Schmerzen. Es fiel ihm schwer, sich zu beherrschen.»Das dumme Kind hat sich in dich verliebt, Robert.«
Der König warf Cersei einen Blick zu.»Das ist kein Thema für die Ohren der Königin.«
«Ihrer Majestät wird nichts von alledem gefallen, was ich zu sagen habe«, erwiderte Ned.»Wie ich höre, ist der Königsmörder aus der Stadt geflohen. Gib mir die Erlaubnis, ihn vor Gericht zu stellen.«
Der König wirbelte den Wein in seinem Becher herum, brütend. Er nahm einen Schluck.»Nein«, sagte er.»Ich will nichts mehr davon hören. Jaime hat drei von deinen Männern erschlagen, und du fünf von seinen. Nun hat es ein Ende.«
«Ist das deine Vorstellung von Gerechtigkeit?«fuhr Ned ihn an.»Wenn ja, bin ich froh, daß ich nicht mehr deine Rechte Hand bin.«
Die Königin sah ihren Mann an.»Wenn irgend jemand es gewagt hätte, mit einem Targaryen so zu sprechen, wie er mit Euch gesprochen hat… «
«Haltet Ihr mich für Aerys?«unterbrach Robert.
«Ich habe Euch für einen König gehalten. Jaime und Tyrion sind Eure eigenen Brüder, durch die Gesetze der Ehe und all der Bande zwischen uns. Die Starks haben den einen vertrieben und den anderen entführt. Dieser Mann entehrt Euch mit jedem Atemzug, und trotzdem steht Ihr unterwürfig da, fragt, ob sein Bein schmerzt und ob er Wein möchte.«
Roberts Gesicht war düster vom Zorn.»Wie oft muß ich Euch noch sagen, daß Ihr Eure Zunge hüten sollt, Frau?«
Cerseis Miene bot ein Bild der Verachtung.»Welch einen Scherz haben die Götter aus uns gemacht«, sagte sie.
«Eigentlich solltet Ihr in Röcken gehen und ich im Kettenhemd.«
Puterrot vor Wut holte der König aus und traf sie mit einem bösen Rückhandschlag am Kopf. Sie taumelte gegen den Tisch und stürzte hart, doch Cersei Lannister schrie nicht auf. Die schlanken Finger strichen über ihre Wange, wo sich die blasse weiche Haut schon rötete. Am Morgen würde die Prellung ihr halbes Gesicht bedecken.»Ich werde es als Ehrenabzeichen tragen«, verkündete sie.
«Tragt es schweigend, oder ich beehre Euch noch einmal «schwor Robert. Er rief nach der Garde. Ser Meryn Tränt betrat den Raum, groß und düster in seiner weißen Rüstung.»Die Königin ist müde. Geleitet sie in ihr Schlaf gemach. «Der Ritter half Cersei auf die Beine und führte sie ohne ein Wort hinaus.