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Etwas rieb unter dem Tisch an seinem Bein. Jon sah rote Augen, die zu ihm aufblickten.»Schon wieder Hunger?«fragte er. Es lag noch ein halbes, honigbestrichenes Hühnchen auf dem Tisch. Jon streckte eine Hand aus, um ihm ein Bein auszureißen, dann hatte er eine bessere Idee. Er spießte den ganzen Vogel mit der Gabel auf und ließ ihn zwischen seinen Beinen zu Boden gleiten. Mit gefräßigem Schweigen machte sich Ghost darüber her. Jons Brüder und Schwestern hatten ihre Wölfe nicht mit zu dem Bankett bringen dürfen, doch tummelten sich an diesem Ende des Saales mehr Köter als Jon zählen konnte, und niemand hatte ein Wort über sein Wolfsjunges verloren. Auch darin hatte er Glück, so sagte er sich.

Seine Augen brannten. Wild rieb Jon daran herum, verfluchte den Rauch. Er nahm noch einen Schluck Wein und beobachtete, wie sein Schattenwolf das Huhn verschlang.

Hunde liefen zwischen den Tischen herum, folgten den Bediensteten. Eine Hündin, eine schwarze Promenadenmischung mit gelben Augen, witterte das Huhn. Sie blieb stehen und sprang unter die Bank, um sich ihren Teil zu holen. Jon sah sich den Streit an. Die Hündin knurrte tief in der Kehle und näherte sich. Schweigend blickte Ghost auf und stierte den Hund mit seinen rotglühenden Augen an. Die Hündin schnappte wütend zu. Sie war dreimal so groß wie das Wolfsjunge. Ghost rührte sich nicht. Er stand über seiner Beute und öffnete das Maul, zeigte seine Reißzähne. Die Hündin spannte sich, bellte noch einmal, dann überlegte sie es sich anders. Sie fuhr herum und schlich davon, mit einem letzten, trotzigen Schnappen, um ihren Stolz zu wahren. Dann machte sich Ghost wieder an sein Mahl.

Jon grinste und langte unter den Tisch, um das zottig weiße Fell zu zerzausen. Der Schattenwolf sah zu ihm auf, leckte sanft an seiner Hand, dann machte er sich wieder an sein Fressen.

«Ist das einer der Schattenwölfe, von denen ich soviel gehört habe?«fragte eine sehr vertraute Stimme ganz in der Nähe.

Freudig sah Jon auf, als sein Onkel Ben ihm eine Hand auf den Kopf legte und sein Haar zerzauste, ganz wie Jon es beim Wolf getan hatte.»Ja«, sagte er.»Er heißt Ghost.«

Einer der Knappen unterbrach die Zote, die er eben erzählte, um am Tisch Platz für den Bruder ihres Herrn zu machen. Benjen Stark setzte sich mit langen Beinen rittlings auf die Bank und nahm Jon den Weinbecher aus der Hand.»Sommerwein«, sagte er, nachdem er davon probiert hatte.»Nichts ist süßer. Wie viele Becher hast du davon schon gehabt, Jon?«

Jon lächelte.

Ben Stark lachte.»Ganz wie ich befürchtet hatte. Ach, na ja, ich glaube, ich war jünger als du, als ich mich zum ersten Mal wahrlich und ehrlich betrunken habe. «Er griff sich eine geröstete Zwiebel, triefend braun, von einem Schneidebrett in der Nähe, und biß hinein. Sie knirschte.

Sein Onkel hatte scharfe Züge, zerklüftet wie eine Bergklippe, doch stets lag die Andeutung eines Lächelns in seinen blaugrauen Augen. Er kleidete sich schwarz, wie es von einem Mann der Nachtwache erwartet wurde. Heute abend war es satter, schwarzer Samt mit hohen Lederstiefeln und einem breiten Gürtel mit silberner Schnalle. Eine schwere Silberkette hing um seinen Hals. Benjen betrachtete Ghost mit amüsiertem Blick, während er auf seiner Zwiebel kaute.»Ein sehr stiller Wolf«, bemerkte er.

«Er ist nicht wie die anderen«, sagte Jon.»Er gibt nie auch nur einen Ton von sich. Deshalb habe ich ihn Ghost genannt. Deshalb, und weil er weiß ist. Die anderen sind alle dunkel, grau oder schwarz.«

«Es sind noch immer Schattenwölfe jenseits der Mauer. Wir hören sie auf unseren Patrouillen. «Benjen warf Jon einen langen Blick zu.»Ißt du normalerweise nicht am Tisch bei deinen Brüdern?«

«Meistens«, antwortete Jon mit tonloser Stimme.»Aber heute abend dachte Lady Stark, die königliche Familie könnte gekränkt sein, wenn sie mit einem Bastard an der Tafel sitzt.«

«Ich verstehe. «Sein Onkel blickte über die Schulter hinweg zu dem erhöht stehenden Tisch am anderen Ende des Saales.»Mein Bruder scheint heute abend nicht eben in Feierlaune zu sein.«

Das war auch Jon schon aufgefallen. Ein Bastard mußte lernen, aufzupassen und die Wahrheit zu erkennen, die Menschen hinter ihren Blicken verbargen. Sein Vater betrachtete den Hof, doch strahlte er eine Anspannung aus, die Jon kaum je bei ihm gesehen hatte. Er sagte wenig, sah sich mit verhüllten Blicken im Saal um, ohne etwas wahrzunehmen.

Zwei Stühle daneben hatte der König den ganzen Abend schwer getrunken. Sein breites Gesicht war hinter seinem großen, schwarzen Bart gerötet. Er brachte manchen Trinkspruch aus, lachte laut über jeden Scherz und machte sich wie ein Verhungernder über jede neue Speise her, doch wirkte die Königin an seiner Seite kalt wie eine Skulptur aus Eis.»Auch die Königin ist böse«, erklärte Jon seinem Onkel mit leiser, ruhiger Stimme.»Vater hat mit dem König am Nachmittag die Gruft besucht. Die Königin wollte nicht, daß er geht.«

Benjen warf Jon einen sorgsamen, musternden Blick zu.»Dir entgeht nicht viel, was, Jon? Einen Mann wie dich könnten wir auf der Mauer gut gebrauchen.«

Jon wollte platzen vor Stolz.»Robb ist besser mit der Lanze als ich, aber ich bin besser mit dem Schwert, und Hüllen sagt, ich reite so gut wie kaum einer in der ganzen Burg.«

«Bemerkenswerte Leistungen.«

«Nehmt mich mit, wenn Ihr wieder zur Mauer geht«, sagte Jon, von einer plötzlichen Anwandlung ergriffen.»Vater wird es mir erlauben, wenn Ihr ihn fragt. Ich weiß, er wird es tun.«

Sorgsam betrachtete Onkel Benjen sein Gesicht.»Es ist für einen Jungen auf der Mauer nicht leicht, Jon.«

«Ich bin fast schon ein erwachsener Mann«, protestierte Jon.»An meinem nächsten Namenstag werde ich fünfzehn, und Maester Luwin sagt, Bastarde wachsen schneller als andere Kinder.«

«Das mag stimmen«, sagte Benjen mit herabgezogenen Mundwinkeln. Er nahm Jons Becher vom Tisch, schenkte aus dem Krug nach, der ihm am nächsten stand, und trank mit einem langen Zug.

«Daeron Targaryen war erst vierzehn, als er Dorne eroberte«, erklärte Jon. Der Junge Drache war einer seiner Helden.

«Eine Eroberung, die nur einen Sommer Bestand hatte«, erklärte sein Onkel.»Dein Kindkönig hat zehntausend Mann verloren, um es einzunehmen, und weitere fünfzigtausend, um es zu halten. Jemand hätte ihm sagen sollen, daß der Krieg kein Spiel ist. «Er nahm noch einen Schluck Wein.»Außerdem«, sagte er und wischte sich den Mund,»war Daeron Targaryen erst achtzehn, als er starb. Oder hast du den Teil schon vergessen?«

«Ich vergesse nie etwas«, prahlte Jon. Der Wein verlieh ihm Kühnheit. Er versuchte, sich aufrecht hinzusetzen, um größer zu wirken.»Ich möchte in der Nachtwache dienen, Onkel.«

Er hatte lange und ausgiebig darüber nachgedacht, nachts wenn er im Bett lag, während seine Brüder schliefen. Robb würde eines Tages Winterfell erben, würde als Wächter des Nordens große Armeen befehligen. Bran und Rickon wären Robbs Vasallen und würden in seinem Namen über Festungen herrschen. Seine Schwestern Arya und Sansa würden die Erben anderer großer Häuser heiraten und als Herrscherinnen über ihre eigenen Burgen in den Süden ziehen. Doch welches Erbe konnte sich ein Bastard erhoffen?

«Du weißt nicht, worum du mich bittest, Jon. Die Nachtwache ist eine verschworene Bruderschaft. Wir haben keine Familien. Keiner von uns wird jemals Söhne zeugen. Unser Weib ist die Pflicht. Unsere Geliebte ist die Ehre.«

«Auch ein Bastard kann Ehre haben«, sagte Jon.»Ich bin bereit, Euren Eid abzulegen.«

«Du bist ein Junge von vierzehn Jahren«, sagte Benjen.»Kein Mann, noch nicht. Bevor du nicht eine Frau gehabt hast, kannst du nicht verstehen, worauf du verzichten würdest.«

«Das ist mir egal!«widersprach Jon böse.

«Das wäre es vielleicht nicht, wenn du wüßtest, was es bedeutet«, sagte Benjen.»Wenn du wüßtest, was der Eid dich kostet, wärst du kaum so begierig, den Preis dafür zu zahlen,