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Dany wandte sich von dieser Paarung erschrocken ab, als ihr bewußt wurde, was dort geschah, doch ein zweiter Krieger trat vor, und ein dritter, und bald gab es keine Möglichkeit mehr, sich abzuwenden. Dann packten zwei Männer dieselbe Frau. Sie hörte einen Schrei, sah einen Stoß, und innerhalb eines Augenblicks waren die arakhs gezückt, lange, rasiermesserscharfe Klingen, halb Schwert, halb Sense. Ein Todestanz begann, als die Krieger einander umkreisten und zuschlugen, einander ansprangen, die Klingen über den Köpfen wirbeln ließen, bei jedem Hieb Beleidigungen brüllten. Niemand trat vor, um einzugreifen.

Es endete so schnell, wie es begonnen hatte. Die arakhs zuckten schneller, als Dany sehen konnte, ein Mann ließ einen Schritt aus, der andere schwang seine Klinge in flachem Bogen. Stahl schnitt knapp über der Hüfte des Dothraki in sein Fleisch und riß ihn vom Rückgrat bis zum Nabel auf, verteilte sein Gedärm im Staub. Noch während der Verlierer starb, packte sich der Sieger die nächststehende Frau — nicht einmal diejenige, um die sie gestritten hatten — und nahm sie auf der

Stelle. Sklaven trugen die Leiche fort, und der Tanz begann von neuem.

Auch davor hatte Magister Illyrio Dany gewarnt.»Eine dothrakische Hochzeit ohne mindestens drei Tote ist keine richtige Hochzeit«, hatte er gesagt. Ihre Hochzeit schien auf besondere Weise gesegnet zu sein. Bevor der Tag ein Ende nahm, war ein ganzes Dutzend Männer gestorben.

Während die Stunden verrannen, wuchs die Angst in Dany, bis sie nur noch darum rang, nicht aufzuschreien. Sie fürchtete sich vor den Dothraki, deren Sitten ihr fremd und grausam erschienen, als wären sie wilde Tiere in Menschenhaut und eigentlich gar keine Menschen. Sie fürchtete sich vor ihrem Bruder, vor dem, was er ihr antun mochte, wenn sie ihn enttäuschte. Vor allem jedoch fürchtete sie sich davor, was des Nachts unterm Sternenzelt geschehen mochte, wenn ihr Bruder sie dem ungeschlachten Riesen auslieferte, der mit einem Gesicht, das so unbewegt und grausam wie eine Bronzemaske war, trinkend neben ihr saß.

Ich bin das Blut des Drachen, sagte sie sich immer wieder.

Als die Sonne tief am Himmel stand, klatschte Khal Drogo in die Hände, und die Trommeln und Schreie und die ganze Feier erstarben mit einem Mal. Drogo stand auf und zog Dany neben sich auf die Beine. Es wurde Zeit für ihre Brautgeschenke.

Und nach den Geschenken, das wußte sie, nachdem die Sonne untergegangen war, würde es Zeit für den ersten Ritt und die Vollstreckung der Ehe. Dany versuchte, den Gedanken zu verdrängen, doch wollte es ihr nicht gelingen. Sie verschränkte die Arme vor der Brust, damit sie nicht zitterte.

Ihr Bruder Viserys beschenkte sie mit drei Mägden. Dany wußte, daß sie ihn nichts gekostet hatten. Zweifellos hatte Illyrio die Mädchen gestellt. Irri und Jhiqui waren kupferhäutige Dothraki mit schwarzem Haar und mandelförmigen Augen, Doreah ein blondes, blauäugiges lysenisches Mädchen.»Diese sind keine gewöhnlichen Dienerinnen, liebe Schwester«, erklärte ihr Bruder, als eine nach der anderen vorgeführt wurde.»Illyrio und ich haben sie persönlich für dich ausgewählt. Irri wird dich das Reiten lehren, Jhiqui die Sprache der Dothraki, und Doreah wird dich in der weiblichen Kunst der Liebe unterweisen. «Er lächelte schmal.»Sie ist sehr gut, das können Illyrio und ich beide bestätigen.«

Ser Jorah Mormont bat für seine Gabe um Verzeihung.»Es ist nur eine Kleinigkeit, meine Prinzessin, doch alles, was ein armer Verbannter sich leisten kann«, sagte er, als er einen kleinen Stapel alter Bücher vor sie legte. Es waren Historien und Lieder aus den Sieben Königslanden, wie sie sah, verfaßt in der Gemeinen Zunge. Sie dankte ihm von ganzem Herzen.

Magister Illyrio murmelte einen Befehl, und vier stämmige Sklaven eilten vor, trugen zwischen sich eine große, bronzebeschlagene Zederntruhe. Als sie diese öffnete, fand sie Stapel vom feinsten Samt und Damast, den es in den Freien Städten gab… und darauf ruhten — auf weichem Tuch aneinandergeschmiegt — drei übergroße Eier. Dany hielt den Atem an. Nie zuvor hatte sie etwas Schöneres gesehen. Jedes war anders als die anderen, mit Mustern in derart dunklen Farben, daß sie anfangs glaubte, sie seien mit Juwelen besetzt, und so groß, daß sie beide Hände brauchte, um eines davon festzuhalten. Vorsichtig hob sie es an, erwartete, daß es aus feinem Porzellan oder zartem Email wäre, sogar aus geblasenem Glas, doch war es viel schwerer als das, als wäre es ganz aus Stein. Die Oberfläche der Schale war von winzigen Schuppen überzogen, und als sie das Ei zwischen ihren Fingern drehte, schimmerten die Schuppen im Licht der untergehenden Sonne wie poliertes Metall. Ein Ei war von dunklem Grün mit geschliffenen Bronzeflecken, die kamen und gingen, je nachdem wie Dany es hielt. Ein anderes war von heller

Cremefarbe, mit Gold durchzogen. Das letzte war schwarz, so schwarz wie ein mitternächtlicher See, dennoch schienen rote Wellen und Wirbel darauf zu leben.»Was ist das?«fragte sie mit leiser Stimme voll Verwunderung.

«Dracheneier aus den Schattenländern jenseits von Asshai«, sagte Magister Illyrio.»Die Ewigkeiten haben sie in Stein verwandelt, doch dennoch leuchtet ihre Schönheit hell.«

«Ich werde sie stets in Ehren halten. «Dany hatte Geschichten von solchen Eiern gehört, doch hatte sie nie eines gesehen und auch nicht damit gerechnet, je eines zu Gesicht zu bekommen. Es war ein wahrlich prachtvolles Geschenk, obwohl sie wußte, daß Illyrio es sich leisten konnte, verschwenderisch zu sein. Er hatte für seine Mitwirkung daran, sie an Khal Drogo zu verkaufen, ein Vermögen an Pferden und Sklaven kassiert.

Die Blutreiter des khal boten ihr die drei traditionellen Waffen an, und es waren prächtige Waffen. Haggo überreichte ihr eine große Lederpeitsche mit Silbergriff, Cohollo ein herrliches arakh, in Gold ziseliert, und Qotho einen doppelt gebogenen Drachenknochen, der größer als sie selbst war. Magister Illyrio und Ser Jorah hatten sie die traditionelle Ablehnung dieser Gaben gelehrt.»Dieses ist eine Gabe, die eines großen Kriegers würdig ist, o Blut von meinem Blut, und ich bin nicht mehr als eine Frau. Laßt meinen Herrn und Gatten diese an meiner Stelle tragen. «Und so bekam auch Khal Drogo seine» Brautgeschenke«.

Zahlreich waren die Gaben, die andere Dothraki ihr brachten: Pantoffeln und Juwelen und Silberringe für ihr Haar, Gürtel mit Medaillons, bemalte Westen und weiche Felle, Rohseide und Krüge mit Duftwasser, Nadeln und Federn und winzige Fläschchen aus rotem Glas, und einen Umhang aus dem Fell von tausend Mäusen.»Ein nobles Geschenk, Khaleesi«, sagte Magister Illyrio von letzterem, nachdem er ihr erklärt hatte, was es war.»Großes Glück. «Die Gaben stapelten sich zu großen Haufen um sie, mehr Geschenke, als sie sich hatte vorstellen können, mehr Gaben, als sie wollen oder brauchen konnte.

Und als letzter holte Khal Drogo sein Brautgeschenk für sie hervor. Erwartungsvolle Stille breitete sich von der Mitte des Lagers aus, als er von ihrer Seite wich, und diese Stille wuchs, bis sie das ganze khalasar umfaßte. Als er zurückkam, teilte sich die dichte Menge der Dothrakis vor ihm, und er führte ein Pferd zu ihr.

Es war ein junges Stutenfohlen, feurig und wunderschön. Dany verstand gerade genug von Pferden, um es von einem gewöhnlichen Tier zu unterscheiden. Es hatte etwas an sich, das einem den Atem raubte. Es war grau wie das winterliche Meer, mit einer Mähne wie Silberrauch.

Zögernd streckte sie eine Hand aus und streichelte den Hals des Pferdes, fuhr mit den Fingern durch das silbrige Haar seiner Mähne. Khal Drogo sagte etwas auf Dothrakisch, und Magister Illyrio übersetzte.»Silber für das Silber Eures Haars, sagte der khal.«

«Sie ist wundervoll«, murmelte Dany.

«Sie ist der Stolz des khalasar«, sagte Illyrio.»Die Sitte verlangt, daß die khaleesi ein Pferd reiten muß, das ihrer Stellung an der Seite des khal entspricht.«

Drogo trat vor und legte seine Hände um ihre Hüften. Er hob sie so leicht an, als wäre sie ein Kind, und setzte sie auf den dünnen, dothrakischen Sattel, der um so vieles kleiner war als alle, die sie gewohnt war. Unsicher saß Dany einen Moment lang da. Von diesem Teil hatte ihr niemand erzählt.»Was soll ich tun?«fragte sie Illyrio.