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Draußen vor dem Turm begann ein Wolf zu heulen. Eine Sekunde lang zitterte Catelyn.

«Brans. «Robb öffnete das Fenster und ließ die Nachtluft ins stickige Turmzimmer. Das Heulen wurde lauter. Es klang kalt und einsam, voller Melancholie und Verzweiflung.»Nicht«, sagte sie.»Bran muß es warm haben.«»Er muß sie singen hören«, widersprach Robb. Irgendwo draußen in Winterfell stimmte ein zweiter Wolf in das Geheul des ersten mit ein. Dann ein dritter, näher.»Shaggydog und Grey Wind«, sagte Robb, als sie gemeinsam die Stimmen erhoben.»Man kann sie auseinanderhalten, wenn man genau hinhört.«

Catelyn zitterte. Es war die Trauer, die Kälte, das Heulen der Schattenwölfe und die graue, leere Burg, und immer ging es weiter, wandelte sich nie, und ihr Junge lag zerschmettert da, das süßeste ihrer Kinder, das sanfteste, Bran, der so gern lachte und kletterte und von der Ritterwürde träumte, alles fort, nie mehr würde sie sein Lachen hören. Schluchzend löste sie ihre Hand aus der seinen und hielt sich die Ohren gegen dieses schreckliche Geheul zu.»Mach, daß sie aufhören!«schrie sie.»Ich kann es nicht ertragen, mach, daß sie aufhören, mach, daß sie aufhören, töte sie alle, wenn es sein muß, aber mach, daß sie aufhören!«

Sie erinnerte sich nicht daran, wie sie zu Boden gefallen war, doch lag sie dort, und Robb hob sie auf, hielt sie mit seinen starken Armen.»Hab keine Angst, Mutter. Sie würden ihm nie etwas antun. «Er half ihr zu dem schmalen Bett in der Ecke der Krankenstube.»Schließ die Augen«, sagte er sanft.»Ruh dich aus. Maester Luwin sagt, du hättest seit Brans Sturz kaum geschlafen.«

«Ich kann nicht«, weinte sie.»Mögen mir die Götter vergeben, Robb, ich kann nicht, was ist, wenn er stirbt, während ich schlafe, was ist, wenn er stirbt, was ist, wenn er stirbt…«Noch immer heulten die Wölfe. Sie schrie und hielt sich wieder die Ohren zu.»Oh, bei allen Göttern, schließ das Fenster!«

«Wenn du mir schwörst, daß du ein wenig schläfst. «Robb trat ans Fenster, doch als er nach den Fensterläden griff, mischte sich noch etwas anderes unter das traurige Geheul der Schattenwölfe.»Hunde«, stellte er lauschend fest.»Alle Hunde bellen. Das haben sie noch nie getan…«Catelyn hörte, wie ihm die Luft im Halse steckenblieb. Als sie aufblickte, war sein Gesicht ganz fahl im Lampenschein.»Feuer«, flüsterte er.

Feuer, dachte sie, und dann Bran!» Hilf mir«, rief sie drängend und setzte sich auf.»Hilf mir mit Bran.«

Robb schien sie nicht zu hören.»Der Bücherturm steht in Flammen«, sagte er.

Jetzt konnte Catelyn das flackernd rote Licht durchs Fenster sehen. Erleichtert sank sie in sich zusammen. Bran war in Sicherheit. Die Bibliothek lag auf der anderen Seite des Burghofes, und das Feuer konnte sie unmöglich erreichen.»Den Göttern sei Dank«, hauchte sie.

Robb sah sie an, als hätte sie den Verstand verloren.»Mutter, bleib hier. Ich komme wieder, sobald das Feuer gelöscht ist. «Dann rannte er. Sie hörte, wie er den Wachen vor dem Zimmer etwas zurief, hörte, daß sie zusammen in wilder Hatz hinunterstürmten und immer zwei, drei Stufen gleichzeitig nahmen.

Draußen vom Hof her hörte man Leute» Feuer!«rufen, Schreie, eilige Schritte, das Wiehern ängstlicher Pferde und das rasende Gebell der Burghunde. Das Heulen hatte aufgehört, das merkte sie, als sie dem Lärm lauschte. Die Schattenwölfe waren verstummt.

Catelyn sprach ein stilles Dankesgebet zu den sieben Gesichtern des Gottes, als sie ans Fenster trat. Auf der anderen Seite des Burghofes schossen lange Flammenzungen aus den Fenstern der Bibliothek. Sie sah, wie der Rauch zum Himmel stieg, und dachte traurig an all die Bücher, welche die Starks im Laufe der Jahrhunderte gesammelt hatten. Dann schloß sie die Fensterläden.

Als sie sich vom Fenster abwandte, war der Mann bei ihr im Zimmer.

«Ihr solltet nicht hier sein«, murmelte er sauertöpfisch.»Niemand sollte hier sein.«

Er war ein kleiner, schmutziger Mann in dreckiger, brauner Kleidung, und er stank nach Pferden. Catelyn kannte alle Männer, die in ihren Ställen arbeiteten, und dieser gehörte nicht dazu. Er war ausgemergelt, hatte dünnes, blondes Haar und blasse Augen, die tief in seinem knochigen Gesicht versunken waren. Und er hielt einen Dolch in der Hand.

Catelyn sah das Messer an, dann Bran.»Nein«, sagte sie. Das Wort blieb ihr in der Kehle stecken, nichts als ein Flüstern. Er mußte sie gehört haben.»Es ist ein Gnadenakt«, sagte er.

«Er ist schon tot.«

«Nein«, sagte Catelyn, lauter jetzt, da sie ihre Stimme wiedergefunden hatte.»Nein, das dürft Ihr nicht. «Sie fuhr wieder zum Fenster herum, damit sie um Hilfe rufen konnte, doch der Mann war schneller, als sie sich hätte vorstellen können. Eine Hand schloß sich um ihren Mund und riß ihr den Kopf zurück, die andere brachte den Dolch an ihre Luftröhre. Der Gestank des Mannes war überwältigend.

Sie hob beide Hände und packte die Klinge mit aller Kraft, drückte sie von ihrem Hals fort. Sie hörte, wie er in ihr Ohr fluchte. Ihre Finger waren schlüpfrig vom Blut, doch wollte sie den Dolch nicht loslassen. Die Hand auf ihrem Mund griff fester zu, drückte ihr die Luft ab. Catelyn drehte ihren Kopf zur

Seite und schaffte es, etwas von seinem Fleisch zwischen die Zähne zu bekommen. Fest biß sie in seine Hand. Der Mann stöhnte vor Schmerz. Sie biß die Zähne zusammen und zerrte an ihm, und ganz plötzlich ließ er los. Der Geschmack von Blut erfüllte ihren Murtd. Keuchend holte sie Luft und schrie, und er packte sie beim Haar und riß sie von sich fort, und sie stolperte und ging zu Boden, und dann stand er über ihr, keuchend, bebend. Den Dolch hielt er noch immer fest in der rechten Hand, glänzend vom Blut.»Ihr solltet nicht hier sein«, wiederholte er wie benommen.

Catelyn sah den Schatten durch die offene Tür in seinem Rücken gleiten. Es folgte ein leises Rumpeln, dann ein Knurren, das leise Flüstern einer Drohung, doch mußte er etwas gehört haben, denn eben wollte er sich umdrehen, als der Wolf zum Sprung ansetzte. Gemeinsam gingen sie zu Boden, wälzten sich halb über Catelyn, die dort noch lag. Der Wolf hatte ihn zwischen den Zähnen. Der Mann kreischte keine Sekunde lang, bis das Tier den Kopf zurückriß und seine halbe Kehle dabei mitnahm.

Sein Blut fühlte sich wie warmer Regen an, als es über ihr Gesicht spritzte.

Der Wolf sah sie an. Sein Maul war rot und feucht, und seine Augen glühten golden im dunklen Zimmer. Es war Brans Wolf, wie sie merkte. Natürlich war er es.»Danke«, flüsterte Catelyn mit schwacher, kaum vernehmbarer Stimme. Sie hob zitternd die Hand. Der Wolf tappte näher, schnüffelte an ihren Fingern, dann leckte er das Blut mit feuchter, rauher Zunge. Als er ihre Hand vom Blut gereinigt hatte, wandte er sich ab, sprang auf Brans Bett und legte sich neben ihn. Catelyn fing hysterisch an zu lachen.

So fand man sie, als Robb, Maester Luwin und Ser Rodrik mit der halben Garde von Winterfell hereinstürmten. Als das Gelächter schließlich in ihrer Kehle erstarb, wickelte man sie in warme Decken und führte sie zum Großen Turm in ihre

Gemächer. Old Nan entkleidete sie, half ihr in ein siedendheißes Bad und wusch das Blut mit einem weichen Tuch ab.

Später kam Maester Luwin, um ihre Wunden zu verbinden. Die Schnitte in ihren Fingern waren tief, fast bis auf den Knochen, und ihre Kopfhaut blutete dort, wo der Mann ihr eine Handvoll Haare ausgerissen hatte. Der Maester erklärte, der Schmerz würde erst jetzt einsetzen, und gab ihr Mohnblumensaft zu trinken, damit sie schlafen konnte.

Endlich schloß sie die Augen.

Als sie diese wieder aufschlug, sagte man ihr, sie habe vier Tage lang geschlafen. Catelyn nickte und setzte sich im Bett auf. Alles schien ihr nun wie ein Alptraum, alles seit Brans Sturz, ein schrecklicher Traum von Blut und Trauer, doch hatte sie den Schmerz in ihren Händen, der sie daran erinnerte, daß alles Wirklichkeit war. Sie fühlte sich schwach und benommen, und dennoch seltsam beherzt als wäre ihr eine schwere Last von der Seele genommen.