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«Bringt mir etwas Brot und Honig«, trug sie den Dienerinnen auf,»und bringt Maester Luwin Nachricht, daß meine Bandagen gewechselt werden müssen. «Voller Überraschung sah man sie an, dann liefen alle, um ihren Wünschen zu entsprechen.

Catelyn erinnerte sich, wie sie sich vorher benommen hatte, und schämte sich. Sie hatte alle im Stich gelassen, ihre Kinder, ihren Mann, ihre Familie. Es würde nicht wieder geschehen. Sie würde diesen Nordmännern zeigen, wie stark eine Tully aus Riverrun sein konnte.

Robb traf noch vor ihrem Essen ein. Rodnjt Cassel war bei ihm, dazu das Mündel ihres Mannes, Theon Greyjoy, und zuletzt Hallis Mollen, ein muskulöser Gardist mit kantigem, braunem Bart. Er sei der neue Hauptmann der Garde, sagte Robb. Ihr Sohn trug hartes Leder und ein Kettenhemd, wie sie sah, und an seiner Seite hing ein Schwert.

«Wer war es?«fragte Catelyn.

«Niemand kennt seinen Namen«, erklärte Hallis Mollen.»Er war kein Mann von Winterfell, M'lady, aber manche sagen, sie hätten ihn in den letzten Wochen hier und um die Burg herum gesehen.«

«Dann einer von des Königs Männern«, vermutete sie,»oder von den Lannisters. Er könnte zurückgeblieben sein, als die anderen ausgezogen sind.«

«Vielleicht«, sagte Hal.»Bei all den Fremden, die sich in letzter Zeit auf Winterfell drängten, läßt sich heute nicht mehr sagen, zu wem er gehörte.«

«Er hatte sich in Euren Ställen versteckt«, sagte Greyjoy.»Man konnte es an ihm riechen.«

«Und wie konnte das unbemerkt bleiben?«sagte sie scharf.

Hallis Mollen sah beschämt aus.»Wegen der Pferde, die Lord Eddard mit nach Süden genommen hat, und denen, die wir der Nachtwache nach Norden geschickt haben, waren die Ställe halb leer. Es war nicht schwierig, sich vor den Stalljungen versteckt zu halten. Könnte sein, daß Hodor ihn gesehen hat, man sagt, der Junge hätte sich seltsam benommen, aber schlicht, wie er ist…«Hal schüttelte den Kopf.

«Wir haben die Stelle gefunden, wo er geschlafen hat«, warf Robb ein.»Er hatte neunzig Silberhirsche in einem Lederbeutel unter dem Stroh versteckt.«

«Es tut gut zu wissen, daß das Leben meines Sohnes nicht billig verkauft wurde«, sagte Catelyn verbittert.

Hallis Mollen sah sie verwundert an.»Ich bitte um Verzeihung, M'lady, Ihr sagt, er wollte Euren Jungen morden?«

Greyjoy hatte seine Zweifel.»Das ist Irrsinn.«

«Er war wegen Bran hier«, beharrte Catelyn.»Ständig hat er gemurmelt, daß ich nicht hier sein sollte. Er hat die Bibliothek

in Brand gesteckt, weil er dachte, ich würde eilig laufen, um zu löschen, und die Wachen dorthin mitnehmen. Wäre ich vor Trauer nicht halb verrückt gewesen, hätte es so kommen können.«

«Warum sollte jemand Bran ermorden?«fragte Robb.»Bei allen Göttern, er ist nur ein kleiner Junge, hilflos, im Schlaf…«

Catelyn warf ihrem Erstgeborenen einen scharfen Blick zu.»Wenn du im Norden herrschen sollst, mußt du solche Dinge überdenken, Robb. Beantworte dir die Frage selbst. Warum sollte jemand ein schlafendes Kind ermorden wollen?«

Bevor er antworten konnte, kehrten die Dienerinnen mit einem Tablett voller Speisen aus der Küche zurück. Es war viel mehr darauf, als sie erbeten hatte: warmes Brot, Butter und Honig und eingemachte Brombeeren, ein Speckstreifen und ein weichgekochtes Ei, ein Stück Käse, eine Kanne Pfefferminztee. Und nun kam auch Maester Luwin.

«Wie geht es meinem Sohn, Maester?«Catelyn sah die Speisen an und merkte, daß sie keinen Appetit hatte.

Maester Luwin senkte den Blick.»Unverändert, Mylady. «Es war die Antwort, die sie erwartet hatte, nicht mehr und nicht weniger. In ihren Händen pochte der Schmerz, als sei die Klinge noch in ihr, tief eingeschnitten. Sie schickte die Dienerinnen fort und sah Robb wieder an.»Hast du inzwischen eine Antwort?«

«Jemand fürchtet, daß Bran aufwachen könnte«, sagte Robb,»fürchtet, was er sagen oder tun könnte, fürchtet etwas, das er weiß.«

Catelyn war stolz auf ihn.»Sehr gut. «Sie wandte sich dem neuen Hauptmann der Wache zu.»Wir müssen Bran schützen. Wo ein Mörder ist, könnten noch weitere sein.«

«Wie viele Wachen wollt Ihr, M'lady?«

«Solange Lord Eddard fort ist, ist mein Sohn Herr über

Winterfell«, erklärte sie ihm.

Robb wurde gleich etwas größer.»Stellt einen Mann ins Krankenzimmer, bei Tag und Nacht, einen vor die Tür, zwei weitere unten an die Treppe. Niemand besucht Bran ohne meine Zustimmung oder die meiner Mutter.«

«Ganz wie Ihr sagt, M'lord.«

«Tut es gleich«, verlangte Catelyn.

«Und laßt seinen Wolf bei ihm im Zimmer«, fügte Robb hinzu.

«Ja«, sagte Catelyn. Und dann wieder:»Ja.«

Hallis Mollen verbeugte sich und ging hinaus.

«Lady Stark«, sagte Ser Rodrik, als der Gardist gegangen war,»habt Ihr zufällig den Dolch bemerkt, den der Mörder benutzt hat?«

«Die Umstände ließen nicht zu, daß ich ihn näher untersuchen konnte, aber für seine Schärfe kann ich mich verbürgen«, erwiderte Catelyn mit schiefem Lächeln.»Wieso fragt Ihr?«

«Wir fanden das Messer noch in der Hand des Schurken. Es schien mir eine insgesamt zu feine Waffe für einen solchen Mann, deshalb habe ich sie mir lange und gut angesehen. Die Klinge ist aus valyrischem Stahl, der Griff aus Drachenknochen. Eine solche Waffe hat in Händen wie den seinen nichts zu suchen Jemand hat sie ihm gegeben.«

Catelyn nickte nachdenklich.»Robb, schließ die Tür.«

Er sah sie seltsam an, doch tat er, wie ihm befohlen.

«Was ich Euch erzählen will, darf dieses Zimmer nicht verlassen«, erklärte sie.»Ich möchte Euren Eid darauf. Wenn nur ein Teil von dem, was ich vermute, stimmt, sind Ned und meine Mädchen in tödlicher Gefahr, und ein Wort im falschen Ohr könnte sie das Leben kosten.«

«Lord Eddard ist mir wie ein zweiter Vater«, sagte Theon

Greyjoy.»Deshalb schwöre ich.«

«Ihr habt meinen Eid«, sagte Maester Luwin.

«Und meinen auch, Mylady«, setzte Ser Rodrik hinzu.

Sie sah ihren Sohn an.»Und du, Robb?«

Er nickte zustimmend.

«Meine Schwester Lysa glaubt, die Lannisters hätten ihren Mann Lord Arryn, die Rechte Hand des Königs, ermordet«, erklärte Catelyn.»Dabei fällt mir ein, daß sich Jaime Lannister an jenem Tag, als Bran stürzte, nicht der Jagdgesellschaft angeschlossen hatte. Er blieb hier in der Burg. «Im Zimmer herrschte Totenstille.»Ich glaube nicht, daß Bran vom Turm gefallen ist«, sagte sie in die Stille hinein.»Ich glaube, er wurde gestoßen.«

Das Entsetzen stand ihnen ins Gesicht geschrieben.»Mylady, das ist eine ungeheuerliche Beschuldigung«, sagte Rodrik Cassel.»Selbst ein Königsmörder würde davor zurückschrecken, ein unschuldiges Kind zu töten.«

«Ach, würde er?«zweifelte Theon Greyjoy.»Das ist die Frage.«

«Stolz und Ehrgeiz der Lannisters kennen keine Grenzen«, sagte Catelyn.

«Der Junge war in der Vergangenheit stets sehr geschickt im Klettern«, erklärte Maester Luwin nachdenklich.»Er kannte jeden Stein auf Winterfell.«

«Bei allen Göttern«, fluchte Robb, und sein junges Gesicht verfinsterte sich vor Zorn.»Falls es wahr ist, wird er dafür bezahlen. «Er zog sein Schwert und schwang es durch die Luft.»Eigenhändig werde ich ihn töten!«

Ser Rodrik funkelte ihn an.»Steck das weg! Die Lannisters sind dreihundert Meilen entfernt. Niemals solltest du dein Schwert ziehen, wenn du es nicht auch gebrauchen willst. Wie oft muß ich dir das noch sagen, dummer Junge?«

Beschämt steckte Robb sein Schwert weg, war plötzlich wieder ein Kind. Catelyn wandte sich an Ser Rodrik:»Wie ich sehe, trägt mein Sohn jetzt Stahl.«

Der alte Waffenmeister antwortete:»Ich dachte, es sei an der Zeit.«