Verunsichert sah Robb sie an.»Allerdings«, stimmte sie zu.»Winterfell könnte schon bald alle verfügbaren Schwerter brauchen, und die sollten besser nicht aus Holz sein.«
Theon Greyjoy legte eine Hand ans Heft seiner Klinge und sagte:»Mylady, falls es dazu kommen sollte, hat meine Familie Euch gegenüber große Schuld zu begleichen.«
Maester Luwin zog an seiner Ordenskette, an der Stelle, wo sie an seinem Hals scheuerte.»Wir haben hier nur Mutmaßungen. Schließlich handelt es sich um den geliebten Bruder der Königin, den wir beschuldigen wollen. Das wird ihr nicht gefallen. Wir müssen Beweise finden oder für immer schweigen.«
«Euer Beweis ist dieser Dolch«, sagte Ser Rodrik.»Eine feine Klinge, die nicht unbemerkt geblieben sein dürfte.«
Es gab nur einen Ort, an dem die Wahrheit zu finden war, das wurde Catelyn nun klar.»Jemand muß nach King's Landing reiten.«
«Ich gehe«, sagte Robb.
«Nein«, lehnte sie den Vorschlag ab.»Dein Platz ist hier. Stets muß ein Stark auf Winterfell sein. «Sie sah Ser Rodrik mit seinem großen weißen Backenbart an, dann Maester Luwin in seiner grauen Robe, dann den jungen Greyjoy, schlank und dunkel und ungestüm. Wen sollte sie schicken? Wem würde man glauben? Dann wußte sie es. Catelyn rang damit, die Decken zurückzuschlagen, mit bandagierten Fingern, die hart und unnachgiebig wie Stein waren. Sie kletterte aus dem Bett.»Ich muß selbst gehen.«
«Mylady«, wandte Maester Luwin ein,»ist das klug? Sicher betrachten die Lannisters Eure Ankunft voller Mißtrauen.«
«Was ist mit Bran?«fragte Robb. Er sah nun vollkommen verwirrt aus.»Ihr könnt ihn doch nicht allein lassen.«
«Ich habe alles, was ich kann, für Bran getan«, seufzte sie und legte eine verwundete Hand auf seinen Arm.»Sein Leben liegt in den Händen der Götter und denen von Maester Luwin. Wie du mir selbst in Erinnerung gerufen hast, Robb, muß ich jetzt auch an meine anderen Kinder denken.«
«Ihr werdet eine starke Eskorte brauchen, Mylady«, sagte Theon.
«Ich schicke Hal mit einem Trupp Gardisten«, sagte Robb.
«Nein«, sagte Catelyn.»Eine große Gesellschaft weckt ungebetene Aufmerksamkeit. Lieber wäre mir, wenn die Lannisters nicht wüßten, daß ich komme.«
Ser Rodrik protestierte.»Mylady, laßt zumindest mich Euch begleiten. Die Kingsroad kann für eine Frau allein gefährlich sein.«
«Ich werde nicht die Kingsroad nehmen«, erwiderte Catelyn. Sie dachte einen Moment lang nach, dann nickte sie.»Zwei Reiter sind so schnell wie einer und erheblich schneller als eine lange Kolonne mit Wagen und Kutschen. Ich würde mich freuen, wenn Ihr mich begleitet, Ser Rodrik. Wir folgen dem White Knife zum Meer und mieten in White Harbor ein Schiff. Kräftige Pferde und frische Winde sollten uns weit vor Ned und den Lannisters nach King's Landing bringen. «Und dann, dachte sie, werden wir sehen, was es zu sehen gibt.
Sansa
Eddard Stark war vor dem Morgengrauen ausgeritten, worüber Septa Mordane Sansa in Kenntnis setzte, als sie ihr Morgenbrot einnahmen.»Der König hat nach ihm gesandt. Wieder zur Jagd, wie ich vermute. Es gibt noch immer wilde Auerochsen in diesem Land, wie man mir berichtet.«
«Ich habe noch nie einen Auerochsen gesehen«, sagte Sansa, während sie Lady unter dem Tisch mit einem Stück Schinken fütterte. Der Schattenwolf fraß ihr aus der Hand, grazil wie eine Königin.
Mißbilligend rümpfte Septa Mordane die Nase.»Eine Edle füttert keine Hunde an ihrem Tisch«, gemahnte sie, brach noch ein Stück Honigwabe und ließ den Honig auf ihr Brot tropfen.
«Sie ist kein Hund, sie ist ein Schattenwolf«, stellte Sansa richtig, während Lady ihre Finger mit rauher Zunge ableckte.»Außerdem hat Vater gesagt, wir könnten sie bei uns behalten, wenn wir wollen.«
Die Septa war keineswegs besänftigt.»Du bist ein gutes Mädchen, Sansa, aber ich muß sagen, wenn es um dieses Tier geht, bist du so halsstarrig wie deine Schwester Arya. «Sie zog ein finsteres Gesicht.»Und wo ist Arya heute morgen?«
«Sie hatte keinen Hunger«, sagte Sansa, wohl wissend, daß ihre Schwester sich wahrscheinlich vor Stunden schon in die Küche gestohlen und irgendeinen Küchenjungen dazu beschwatzt hatte, ihr ein Frühstück zu bereiten.
«Erinnere sie bitte daran, sich heute hübsch zu kleiden. Das graue Samtene vielleicht. Wir sind alle eingeladen, mit der Königin und Prinzessin Myrcella in der königlichen Karosse zu fahren, und dafür müssen wir so hübsch wie möglich sein.«
Sansa sah bereits so hübsch wie möglich aus. Sie hatte ihr langes, kastanienbraunes Haar gebürstet, bis es glänzte, und ihre hübscheste, blaue Seide angelegt. Seit mehr als einer Woche hatte sie sich auf diesen Tag gefreut. Es war eine große Ehre, mit der Königin zu fahren, und außerdem war Prinz Joffrey vielleicht da. Ihr Verlobter. Beim bloßen Gedanken daran spürte sie ein merkwürdiges Flattern in sich, obwohl es bis zur Hochzeit noch Jahre dauern würde. Sansa kannte Joffrey noch nicht wirklich, doch schon war sie in ihn verliebt. Er war alles, was sie sich von ihrem Prinzen erträumt hatte, groß und hübsch und stark, mit Haar wie Gold. Sie schätzte jede Gelegenheit, Zeit mit ihm zu verbringen, so selten diese auch sein mochten. Nur Arya bereitete ihr heute Sorgen. Arya hatte so eine Art, alles zu verderben. Man wußte nie, was sie tun würde.»Ich werde es sie wissen lassen«, sagte Sansa unsicher,»nur wird sie sich kleiden, wie sie es immer tut. «Sie hoffte, es würde nicht allzu peinlich werden.»Darf ich mich jetzt entschuldigen?«
«Du darfst. «Septa Mordane nahm sich noch etwas Brot und Honig, und Sansa rutschte von der Bank. Lady folgte ihr auf dem Fuße, als sie aus dem Schankraum des Wirtshauses lief.
Draußen stand sie einen Moment lang zwischen dem Geschrei, den Flüchen und dem Knarren hölzerner Räder, derweil andere Männer die großen und kleinen Zelte abbrachen und die Wagen für einen weiteren Tagesmarsch beluden. Das Wirtshaus war ein weitläufiger, dreistöckiger Bau aus hellem Stein, der größte, den Sansa je gesehen hatte, dennoch bot er nur Unterkunft für kaum ein Drittel des königlichen Gefolges, das auf über vierhundert Menschen angewachsen war, nachdem der Haushalt ihres Vaters und die freien Ritter hinzugekommen waren, die sich ihnen auf der Straße angeschlossen hatten.
Sie fand Arya am Ufer des Trident, wo sie versuchte, Nymeria ruhig zu halten, während sie getrockneten Schlamm aus ihrem Fell bürstete. Dem Schartenwolf gefiel dies ganz und gar nicht. Arya trug dieselben ledernen Reitkleider, die sie schon gestern und am Tag davor getragen hatte.
«Du solltest lieber etwas Hübsches anziehen«, riet ihr Sansa.»Septa Mordane hat es gesagt. Wir reisen heute in der Karosse der Königin zusammen mit Prinzessin Myrcella.«
«Ich nicht«, sagte Arya, während sie versuchte, eine Klette aus Nymerias verfilztem Fell zu bürsten.»Mycah und ich reiten stromaufwärts und suchen an der Furt nach Rubinen.«
«Nach Rubinen?«wollte Sansa verdutzt wissen.»Wieso nach Rubinen?«
Arya schenkte ihr einen Blick, als wäre sie zu dumm.»Rhaegars Rubine. Dort hat König Robert ihn erschlagen und die Krone erstritten.«
Sansa betrachtete ihre dürre, kleine Schwester voller Unglauben.»Du kannst nicht nach Rubinen suchen. Die Prinzessin erwartet uns. Die Königin hat uns beide eingeladen.«
«Das ist mir egal«, sagte Arya.»Die Karosse hat nicht einmal Fenster, da kann man nicht mal was sehen.«
«Was könnte man auch sehen wollen?«hielt Sansa ärgerlich dagegen. Sie war von dieser Einladung begeistert gewesen, und ihre dämliche Schwester würde alles verderben, ganz wie sie befürchtet hatte.»Sind doch alles nur Felder und Höfe und Herbergen.«
«Sind es nicht«, beharrte Arya stur.»Wenn du irgendwann mal mit uns kommen würdest, könntest du es sehen.«
«Ich hasse reiten«, sagte Sansa voller Inbrunst.»Man wird nur schmutzig und staubig und wund.«