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Arya zuckte mit den Achseln.»Halt still«, fuhr sie Nymeria an.»Ich tu dir nicht weh. «Zu Sansa sagte sie:»Als wir über den Neck gekommen sind, habe ich sechsunddreißig Blumen gezählt, die ich noch nie gesehen hatte, und Mycah hat mir eine

Löwenechse gezeigt.«

Sansa erschauerte. Zwölf Tage hatte die Überquerung des Neck gedauert; einen verschlungenen Damm waren sie durch endlosen, schwarzen Morast gerumpelt, und sie hatte jeden Augenblick gehaßt. Die Luft war feucht und klamm gewesen, der Weg so schmal, daß sie am Abend kein richtiges Lager errichten konnten und mitten auf der Kingsroad halten mußten. Dichtes Unterholz von halb ersoffenen Bäumen drängte sich um sie mit Ästen, von denen Schleier aus fahlem Schwamm tropften. Mächtige Blumen blühten im Morast und trieben auf Tümpeln mit stehendem Wasser, doch wenn man dumm genug war, den Damm zu verlassen, um sie zu pflücken, wartete dort Treibsand, der einen in die Tiefe zog. Schlangen beobachteten einen von den Bäumen, und Löwenechsen trieben halb sichtbar im Wasser, wie schwarze Baumstämme mit Augen und Zähnen.

Natürlich konnte nichts von alledem Arya bremsen. Eines Tages kam sie zurück, grinste ihr Pferdegrinsen, das Haar zerzaust und ihre Kleider voller Schlamm, und hielt einen struppigen Strauß mit roten und grünen Blumen für ihren Vater im Arm. Sansa hoffte immer noch, er würde Arya sagen, sie solle sich wie das Mädchen von edler Geburt benehmen, das sie war, doch nie tat er es, umarmte sie nur und dankte ihr für die Blumen. Das machte alles noch schlimmer.

Dann stellte sich heraus, daß die roten Blumen Giftküsse hießen und Arya einen Ausschlag an den Armen bekam. Sansa hatte geglaubt, es wäre ihr eine Lektion gewesen, doch Arya lachte darüber, und am nächsten Tag rieb sie sich die Arme voller Schlamm, als wäre sie ein schlichtes Mädchen aus den Sümpfen, nur weil ihr Freund Mycah ihr gesagt hatte, daß es den Juckreiz hemmte. Überall an den Armen und auch an den Schultern hatte sie blaue Flecken, rote Striemen und verblassende grüngelbe Flecken, Sansa hatte sie gesehen, als sich ihre Schwester zum Schlafengehen ausgezogen hatte.

Woher sie die hatte, wußten nur die sieben Götter.

Arya machte immer weiter, bürstete Nymerias Kletten aus dem Fell und plapperte von Dingen, die sie auf dem Weg nach Süden gesehen hatte.»Letzte Woche haben wir diesen unheimlichen Wachturm gefunden, und am Tag vorher haben wir eine Herde von wilden Pferden gesehen. Du hättest sehen sollen, wie sie gelaufen sind, als sie Nymeria gewittert haben. «Die Wölfin wand sich in ihrem Griff, und Arya schimpfte mit ihr.»Hör auf damit, ich muß die andere Seite machen, du bist ganz schmutzig.«

«Du sollst die Kolonne nicht verlassen«, erinnerte Sansa sie.»Vater hat es gesagt.«

Arya zuckte mit den Achseln.»Ich war nicht weit. Außerdem war Nymeria die ganze Zeit bei mir. Und ich reite auch nicht immer weg. Manchmal macht es Spaß, einfach nur neben den Wagen zu reiten und sich mit den Leuten zu unterhalten.«

Sansa wußte alles von den Leuten, mit denen sich Arya gern unterhielt: Schildknappen und Stallburschen und Dienstmädchen, alte Männer und nackte Kinder, rauhbeinige fahrende Ritter von unbekannter Geburt. Arya freundete sich mit jedem an. Dieser Mycah war der Schlimmste, ein Schlachterjunge, dreizehn und wild, schlief im Fleischwagen und roch nach der Schlachtbank. Sein bloßer Anblick genügte, damit Sansa übel wurde, doch schien Arya seine Gesellschaft der ihren vorzuziehen.

Langsam ging Sansa die Geduld aus.»Du mußt mitkommen«, erklärte sie ihrer Schwester entschieden.»Du kannst dich der Königin nicht verweigern. Septa Mordane wird dich erwarten. «Arya überhörte sie. Sie riß fest an ihrer Bürste. Nymeria knurrte und machte sich beleidigt los.»Komm her zu mir!«

«Es gibt Zitronenkekse und Tee«, fuhr Sansa fort, ganz erwachsen und vernünftig. Lady strich an ihrem Bein entlang. Sansa kratzte ihr die Ohren, wie sie es mochte, und Lady hockte neben ihr und sah sich an, wie Arya Nymeria jagte.»Wieso willst du ein stinkendes, altes Pferd reiten und wund werden und schwitzen, wenn du dich auf Federkissen zurücklehnen und mit der Königin Zitronenkekse essen könntest?«

«Ich mag die Königin nicht«, sagte Arya beiläufig. Sansa hielt die Luft an, entsetzt, daß Arya so etwas von sich geben konnte, doch ihre Schwester plapperte achtlos weiter.»Nicht mal Nymeria darf ich mitbringen. «Sie schob die Bürste unter ihren Gürtel und lief ihrem Wolf nach. Argwöhnisch betrachtete Nymeria, wie sie näher kam.

«Eine königliche Karosse ist kein Ort für einen Wolf«, räumte'Sansa ein.»Und Prinzessin Myrcella fürchtet sich vor ihnen, das weißt du doch.«

«Myrcella ist ein kleines Kind. «Arya packte Nymeria am Nacken, doch im selben Augenblick, als sie die Bürste hervorzog, machte sich die Wölfin wieder los und jagte davon. Ärgerlich warf Arya die Bürste zu Boden.»Böser Wolf!«rief sie.

Unwillkürlich mußte Sansa leise lächeln. Der Hundeführer hatte ihr einmal erklärt, daß ein Tier meist nach seinem Herrn schlägt. Sie schloß Lady kurz in die Arme. Lady leckte ihre Wange. Sansa kicherte. Arya hörte das und fuhr funkelnd herum.»Es ist mir egal, was du sagst, ich gehe reiten. «Ihr langes Pferdegesicht bekam diesen sturen Ausdruck, der besagte, daß sie etwas Halsstarriges tun würde.

«Bei allen Göttern, Arya, manchmal benimmst du dich wie ein kleines Kind«, sagte Sansa.»Dann gehe ich eben allein. So ist es sowieso viel schöner. Lady und ich essen alle Zitronenkekse auf und amüsieren uns bestens ohne dich.«

Sie drehte sich um und wollte gehen, doch Arya rief ihr nach:»Du darfst Lady auch nicht mitbringen. «Sie war fort, bevor Sansa auch nur eine Antwort einfallen wollte, und jagte Nymeria am Fluß entlang.

Allein und gedemütigt machte sich Sansa auf den langen Weg zum Wirtshaus, da sie wußte, daß Septa Mordane dort auf sie warten würde. Lady tapste still an ihrer Seite. Sie war den Tränen nah. Sie wollte doch nur, daß alles nett und hübsch wäre, so wie es in den Liedern war. Warum nur konnte Arya nicht süß und zart und lieb wie die Prinzessin Myrcella sein? Eine solche Schwester hätte sie gern gehabt.

Sansa konnte nie verstehen, wie zwei Schwestern, die nur zwei Jahre auseinander waren, derart verschieden waren. Es wäre leichter gewesen, wenn Arya ein Bastard wäre, wie ihr Halbbruder Jon. Sie sah sogar aus wie Jon, mit ihrem langen Gesicht und dem braunen Haar der Starks und nichts von ihrer Hohen Mutter im Gesicht. Und Jons Mutter war eine Gemeine gewesen, das zumindest flüsterten die Leute. Einmal, als sie kleiner gewesen war, hatte Sansa ihre Mutter sogar gefragt, ob nicht vielleicht ein Irrtum vorliege. Vielleicht hätten die Grumkins ihre richtige Schwester gestohlen. Doch Mutter hatte nur gelacht und gesagt, nein, Arya sei ihre Tochter und Sansas richtige Schwester, von ihrem eigenen Blut. Sansa konnte sich nicht vorstellen, warum Mutter in dieser Sache lügen sollte, also ging sie davon aus, daß es wohl stimmen müsse.

Als sie sich der Mitte des Lagers näherte, war ihre Sorge bald vergessen. Eine Menschenmenge hatte sich um die Karosse der Königin versammelt. Sansa hörte aufgeregte Stimmen, die wie ein Bienenkorb summten. Die Türen standen offen, wie sie sah, und die Königin stand auf der obersten Stufe und lächelte zu jemandem hinab. Sie hörte sie sagen:»Der Kronrat erweist uns große Ehre, meine Hohen Herren.«

«Was ist passiert?«fragte sie einen Knappen, den sie kannte.»Der Kronrat schickt Reiter aus King's Landing, die uns den Rest des Weges eskortieren sollen«, erklärte er.»Eine

Ehrengarde für den König.«

Das wollte sie gern sehen, und so ließ Sansa Lady einen Weg durch die Menge bahnen. Eilig wichen die Menschen dem Schattenwolf aus. Als sie näher kam, sah sie zwei Ritter, die vor der Königin knieten, in Rüstungen, die so fein und prächtig waren, daß sie geblendet war.

Der eine Ritter trug eine verzierte Rüstung aus weißen, glasierten Schuppen, die wie ein Feld von frischem Schnee strahlten, mit silbernen Spangen und Schnallen, die in der Sonne glitzerten. Als er seinen Helm abnahm, kam darunter ein alter Mann zum Vorschein, dessen Haar so weiß wie seine Rüstung war, der bei alledem dennoch stark und anmutig wirkte. Von seinen Schultern hing der schneeweiße Umhang der Königsgarde.