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Als er hinausging, brannten ihm die Augen, das Klagen seiner Tochter hallte noch in seinen Ohren, und er fand die kleine Schattenwölfin, wo man sie angekettet hatte. Ned setzte sich einen Moment lang neben sie.»Lady«, sagte er und kostete den Namen. Nie hatte er den Namen, die die Kinder sich ausgesucht hatten, große Aufmerksamkeit gewidmet, doch wenn er sie so ansah, wußte er, daß Sansa eine gute Wahl getroffen hatte. Sie war die kleinste aus dem Wurf, die hübscheste, die sanfteste und gutgläubigste. Mit strahlend goldenen Augen sah sie ihn an, und er kraulte ihr dickes, graues Fell.

Kurz darauf kam Jory mit Ice.

Als es geschehen war, sagte er:»Wählt vier Mann aus und laßt ihren Kadaver nach Norden bringen. Begrabt sie auf Winterfell.«

«Den ganzen Weg?«sagte Jory erstaunt.

«Den ganzen Weg«, bekräftigte Ned.»Dieses Fell wird die Lannister nicht bekommen.«

Eben kehrte er zum Turm zurück, um endlich etwas Schlaf zu finden, als Sandor Clegane und seine Reiter durch das Burgtor stampften, zurück von ihrer Jagd.

Etwas lag auf dem Rücken des Streitrosses, ein schwerer Leib, in einen blutigen Umhang gewickelt.»Keine Spur von Eurer Tochter, Hand«, schnarrte der Bluthund,»aber der Tag war nicht völlig vergebens. Wir haben ihren kleinen Liebling. «Er griff hinter sich und stieß das Bündel herunter, daß es mit dumpfem Schlag direkt vor Ned liegenblieb.

Ned beugte sich vor, zog den Umhang zurück, fürchtete die Worte, die er für Arya würde finden müssen, doch lag dort nicht Nymeria. Es war Mycah, der Schlachterjunge, und seine Leiche war von trockenem Blut verkrustet. Er war fast in zwei Hälften zerteilt, von der Schulter bis zur Hüfte, durch einen schweren Hieb von oben.

«Ihr habt ihn gehetzt«, sagte Ned.

Die Augen des Bluthunds schienen durch den Stahl dieses schrecklichen, hundsköpfigen Helmes zu glitzern.»Er ist gerannt. «Er sah in Neds Gesicht und lachte.»Wenn auch nicht sehr schnell.«

Bran

Es schien, als sei er jahrelang gefallen.

Flieg, flüsterte eine Stimme in der Dunkelheit, doch Bran wußte nicht, wie man flog, und daher konnte er nur fallen.

Maester Luwin formte einen kleinen Jungen aus Lehm, buk ihn, bis er hart und zerbrechlich war, zog ihm Brans Kleider an und warf ihn vom Dach. Bran wußte noch, wie er zersprungen war.»Aber ich falle nicht«, sagte er, während er fiel.

Die Erde war so weit unter ihm, daß er sie durch den grauen Dunst, der ihn umschwirrte, kaum ausmachen konnte, doch spürte er, wie schnell er flog, und er wußte, was ihn dort unten erwartete. Selbst im Traum kann man nicht ewig fallen. Er würde in dem Moment aufwachen, bevor er am Boden aufschlug, das wußte er. Immer schreckte man in dem Moment hoch, kurz bevor man aufschlug.

Und wenn nicht? fragte die Stimme.

Die Erde war nun näher, doch noch immer in weiter, weiter Ferne, tausend Meilen weit, doch näher, als sie gewesen war. Es war kalt hier in der Finsternis. Es gab keine Sonne, keine Sterne, nur die Erde, die ihm entgegenkam, und den grauen Dunst und die flüsternden Stimmen. Er wollte weinen.

Flenne nicht, flieg.

«Ich kann nicht fliegen«, greinte Bran.»Ich kann nicht, ich kann nicht…«

Woher weißt du das? Hast du es jemals versucht?

Die Stimme klang hoch und dünn. Bran drehte sich um, weil er sehen wollte, woher sie kam. Eine Krähe segelte in Kreisen mit ihm hinab, gerade außer Reichweite, folgte ihm auf seinem Sturz.»Hilf mir«, bat er.

Ich versuche es, erwiderte die Krähe. Sag, hast du Futter dabei?

Bran griff in seine Tasche, während sich die Finsternis schwindelerregend um ihn drehte. Als er seine Hand hervornahm, glitten goldene Haferkörner durch seine Finger in die Luft. Sie fielen mit ihm in die Tiefe.

Die Krähe landete auf seiner Hand und fraß.

«Bist du wirklich eine Krähe?«fragte Bran.

Fällst du wirklich? fragte die Krähe zurück.

«Es ist nur ein Traum«, stellte Bran fest.

Tatsächlich? fragte die Krähe.

«Ich werde wach werden, bevor ich unten aufschlage«, erklärte Bran dem Vogel.

Du wirst tot sein, wenn du unten aufschlägst«, entgegnete die Krähe. Sie machte sich wieder an ihr Futter.

Bran sah hinab. Jetzt konnte er die Berge sehen, die weißen Gipfel schneebedeckt, und die silbernen Fäden von Flüssen in dunklen Wäldern. Er schloß die Augen und weinte.

Das wird dir nichts nützen, krächzte die Krähe. Ich habe es dir gesagt, die Antwort lautet fliegen, nicht flennen. Kann es denn so schwierig sein. Ich mache es doch auch. Die Krähe hob ab und umflatterte Brans Hand.

«Du hast Flügel«, erinnerte Bran sie.

Du vielleicht auch.,,,

Bran betastete seine Schultern, suchte nach Flügeln.

Es gibt noch eine andere Art von Flügeln, sagte die Krähe.

Bran starrte seine Arme an, seine Beine. Er war so dünn, nur Haut, die sich stramm über die Knochen spannte. War er schon immer so dünn gewesen? Er versuchte, sich zu erinnern. Ein Gesicht tauchte aus dem grauen Nebel vor ihm auf, schimmerte von Licht, golden.»Was man nicht alles für die Liebe tut«, sagte es.

Bran schrie.

Die Krähe erhob sich krächzend in die Luft. Nicht das, kreischte sie ihn an. Vergiß es, das brauchst du jetzt nicht, schaff es beiseite, schaffes aus dem Weg. Sie landete auf Brans Schulter und hackte auf ihn ein, und das goldene Gesicht war fort.

Bran fiel schneller als zuvor. Die grauen Nebel heulten um ihn, während er der Erde unter sich entgegenstürzte.»Was tust du mir an?«fragte er die Krähe unter Tränen.

Ich lehre dich das Fliegen.

«Ich kann nicht fliegen!«

Du fliegst gerade.

«Ich falle!«

Jeder Flug beginnt mit einem Fall, erklärte die Krähe. Sieh hinab.

«Ich fürchte mich… «

SIEH HINAB!

Bran sah hinab und spürte, wie sich ihm der Magen umdrehte. Der Boden raste ihm entgegen. Die ganze Welt lag unter ihm ausgebreitet, ein Teppich von Weiß und Braun und Grün. Er konnte alles so deutlich sehen, daß er einen Augenblick seine Angst vergaß. Das ganze Reich konnte er sehen, und jeden darin.

Er sah Winterfell, wie die Adler es sehen, die hohen Türme, die von oben dick und geduckt aussahen, die Burgmauern nur Striche im Schmutz. Er sah Maester Luwin auf seinem Balkon, wie er den Himmel durch ein poliertes Bronzerohr studierte und seine Stirn runzelte, wenn er Notizen in ein Buch eintrug. Er sah seinen Bruder Robb, größer und stärker, als er ihn in Erinnerung hatte, wie er sich auf dem Hof im Schwertkampf übte, mit echtem Stahl in der Hand. Er sah Hodor, den tumben Riesen aus den Ställen, wie er einen Amboß in Mikkens

Schmiede trug, indem er ihn sich ohne Mühen auf die Schulter schwang, wie andere einen Heuballen. Im Herzen des Götterhains brütete der große, weiße Wehrbaum über seinem Spiegelbild im schwarzen Teich, und seine Blätter raschelten im kühlen Wind. Als dieser merkte, daß Bran ihn ansah, hob er seinen Blick vom stillen Wasser und starrte ihn wissend an.

Er blickte gen Osten und sah eine Galeere, die durch die Fluten des Bite fegte. Er sah seine Mutter allein in einer Kabine sitzen, wie sie ein blutiges Messer auf dem Tisch vor sich betrachtete, während die Ruderer an ihren Riemen rissen und Ser Rodrik über der Reling hing, zitternd und würgend. Vor ihnen braute sich ein Sturm zusammen, ein mächtiges, düsteres Brüllen, von peitschenden Blitzen durchzogen, doch irgendwie konnten sie es nicht sehen.

Er blickte gen Süden und sah den mächtigen, blaugrünen Strom des Trident. Er sah, wie sein Vater den König anflehte, die Trauer in sein Gesicht gemeißelt. Er sah, wie sich Sansa des Nachts in den Schlaf weinte, und er sah, wie Arya sie schweigend betrachtete und ihre Geheimnisse hart in ihrem Herzen behielt. Sie waren von Schatten umgeben. Ein Schatten war dunkel wie Asche, mit dem schrecklichen Gesicht eines Bluthunds. Ein anderer war gepanzert wie die Sonne, golden und wunderschön. Über beiden ragte ein Riese mit steinerner Rüstung auf, doch als er sein Visier öffnete, waren darin nichts als Finsternis und dickes, schwarzes Blut.