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Anfangs hießen die Magister, Archonten und Handelsherren die letzten der Targaryen in ihren Häusern und an ihren Tafeln gern willkommen, doch je mehr Jahre ins Land gingen und je länger der Usurpator auf dem Eisernen Thron blieb, desto öfter verschlossen sich ihnen die Türen, und ihr Leben wurde kläglicher. Vor Jahren schon waren sie gezwungen gewesen, ihre letzten Schätze zu verkaufen, und jetzt war sogar die Münze, die sie für die Krone ihrer Mutter bekommen hatten, verloren. In den Gassen und Weinlöchern von Pentos nannte man ihren Bruder den» Bettlerkönig«. Dany wollte gar nicht wissen, wie man sie nannte.

«Eines Tages werden wir alles zurückbekommen, süßes Schwesterchen«, versprach er ihr oft. Manchmal zitterten seine Hände, wenn er davon sprach.»Die Juwelen und die Seide, Dragonstone und King's Landing, den Eisernen Thron und die Sieben Königslande, alles, was sie uns genommen haben, holen wir uns zurück. «Allein für diesen Tag lebte Viserys. Alles, was Daenerys wiederhaben wollte, war das Haus mit der roten Tür, dem Zitronenbaum vor dem Fenster, die Kindheit, die sie nie gehabt hatte.

Es klopfte leise an der Tür.»Herein«, sagte Dany und wandte sich vom Fenster ab. Illyrios Dienerinnen traten ein und machten sich ans Werk. Es waren Sklavinnen, ein Geschenk von einem der vielen dothrakischen Freunde des Magisters. In der Freien Stadt Pentos gab es keine Sklaverei. Die alte Frau, klein und grau wie eine Maus, sagte nie auch nur ein Wort, doch das Mädchen machte das mehr als wett. Sie war Illyrios Lieblingssklavin, ein blondes, blauäugiges Ding von sechzehn Jahren, das bei der Arbeit unablässig plapperte.

Sie füllten ihr Bad mit heißem Wasser, das aus der Küche gebracht wurde, und versetzten es mit duftenden Ölen. Das Mädchen zog Dany das grobe Leinenhemd über den Kopf und half ihr in die Wanne. Das Wasser war kochend heiß, doch weder schreckte Dany zurück, noch schrie sie auf. Sie mochte die Hitze. Sie gab ihr ein Gefühl von Sauberkeit. Außerdem hatte ihr Bruder ihr oft genug erklärt, nichts sei zu heiß für eine Targaryen.»Wir sind das Geschlecht der Drachen«, sagte er dann.»Das Feuer liegt uns im Blut.«

Die alte Frau wusch schweigend ihr langes, silberweißes Haar und kämmte die Kletten heraus. Das Mädchen schrubbte Rücken und Füße und erklärte ihr, wie glücklich sie sich schätzen könne.»Drogo ist so reich, daß selbst seine Sklaven goldene Manschetten tragen. Hunderttausend Mann reiten in seinem khalasar, und sein Palast in Vaes Dothrak hat zweihundert Zimmer und Türen aus reinem Silber. «Es kam noch mehr, soviel mehr davon, wie ansehnlich der khal sei, so groß und wild, furchtlos in der Schlacht, der beste Reiter, der je auf einem Pferd gesessen habe, ein Teufel von einem Bogenschützen. Daenerys sagte nichts. Stets war sie davon ausgegangen, daß sie Viserys heiraten würde, sobald sie alt genug wäre. Jahrhundertelang hatten bei den Targaryen Bruder und Schwester geheiratet, seit Aegon der Eroberer seine Schwestern zur Braut genommen hatte. Die Linie muß rein bleiben, hatte Viserys ihr tausendmal erklärt. In ihren Adern flösse das Blut der Könige, das goldene Blut des alten Valyria, das Blut des Drachen. Drachen paarten sich nicht mit dem Vieh auf der Weide, und die Targaryen mischten ihr Blut nicht mit dem geringerer Menschen. Dennoch plante Viserys nun, sie an einen Fremden, einen Barbaren, zu verkaufen.

Als sie sauber war, halfen ihr die Sklavinnen aus dem Wasser und trockneten sie ab. Das Mädchen bürstete ihr Haar, bis es wie geschmolzenes Silber glänzte, während die alte Frau sie mit einem Blumenduft aus den dothrakischen Steppen salbte, je einen Tupfer auf die Handgelenke, hinter die Ohren, auf die Spitzen ihrer Brüste, und einen letzten kühl auf ihre Lippen, die unten zwischen ihren Beinen. Sie kleideten sie mit Tüchern, die Magister Illyrio heraufgesandt hatte, dann kam der Umhang, dunkle, pflaumenfarbene Seide, die das Veilchenblau ihrer Augen hervorheben sollte. Das Mädchen zog die vergoldeten Sandalen über ihre Füße, während die alte Frau eine Tiara in ihrem Haar befestigte und goldene, mit Amethysten besetzte Armreifen über ihre Handgelenke schob. Schließlich kam der Halsschmuck, ein schwerer, goldener Torques, verziert mit alten, valyrischen Hieroglyphen.

«Jetzt seht Ihr aus wie eine Prinzessin«, stellte das Mädchen atemlos fest, als sie fertig waren. Dany betrachtete ihr Antlitz im versilberten Spiegelglas, das Illyrio freundlicherweise zur Verfügung gestellt hatte. Eine Prinzessin, dachte sie, doch erinnerte sie sich an die Worte des Mädchens, Khal Drogo sei so reich, daß selbst seine Sklaven goldene Manschetten trügen. Plötzlich wurde ihr ganz kalt, und sie spürte eine Gänsehaut auf ihren nackten Armen. Ihr Bruder wartete in der kühlen Eingangshalle, saß am Teich und spielte mit einer Hand im Wasser. Er stand auf, als sie erschien, und musterte sie kritisch.»Stell dich dorthin«, erklärte er.»Dreh dich um. Ja. Gut. Du siehst aus wie…«

«Eine Königin«, sagte Magister Illyrio, als er durch den Torbogen trat. Für einen derart massigen Mann bewegte er sich erstaunlich anmutig. Unter losen Gewändern aus flammenfarbener Seide wackelten Ringe aus Fett. Gemmen glitzerten an allen Fingern, und sein Leibdiener hatte ihm den gelben Gabelbart geölt, bis er wie reines Gold schimmerte.»Möge der Herr des Lichts Euch an diesem glücklichen Tage mit Segnungen überhäufen, Prinzessin Daenerys«, sagte der Magister, als er ihre Hand nahm. Er neigte den Kopf und ließ einen kurzen Blick auf seinen schiefen, gelben Zähne hinter dem Gold des Bartes zu.»Sie ist ein Traum, Majestät, ein Traum«, erklärte er ihrem Bruder.»Drogo wird entzückt sein.«

«Sie ist zu dürr«, sagte Viserys. Sein Haar, vom selben Silberblond wie ihres, war mit einer Spange aus Drachenknochen am Hinterkopf festgebunden. Es wirkte streng und hob seine harten, ausgemergelten Züge hervor. Er stützte seine Hand auf den Griff jenes Schwertes, das Illyrio ihm geliehen hatte, und sagte:»Seid ihr sicher, daß Khal Drogo so junge Frauen mag?«

«Sie hat ihre Blutungen. Sie ist alt genug für den khal«, erklärte Illyrio nicht zum ersten Mal.»Seht sie Euch an. Dieses weißgoldene Haar, die purpurnen Augen… sie ist vom Blut des alten Valyria, zweifellos, zweifellos… und hoch wohlgeboren, Tochter des alten Königs, Schwester des neuen, es kann ihr nicht mißlingen, unseren Drogo zu verzücken.«

«Wahrscheinlich«, sagte ihr Bruder zweifelnd.»Die Wilden haben einen seltsamen Geschmack. Jungen, Pferde, Schafe…«

«Erwähnt dies Khal Drogo gegenüber lieber nicht«, warnte Illyrio.

Wut blitzte in den violetten Augen ihres Bruders auf.»Haltet Ihr mich für einen Narren?«

Der Magister verneigte sich leicht.»Ich halte Euch für einen König. Nur allzu oft geht Königen die Vorsicht des gemeinen Mannes ab. Ich bitte um Verzeihung, falls ich Euch gekränkt haben sollte. «Er wandte sich ab und klatschte in die Hände,

um seine Träger zu rufen.

Die Straßen von Pentos waren finster, als sie sich in Illyrios kunstvoll geschnitztem Palankin auf den Weg machten. Zwei Diener liefen voraus, um ihnen den Weg zu leuchten, trugen verzierte Öllampen aus hellblauem Glas, während ein Dutzend starker Männer die Stangen auf ihre Schultern hoben. Drinnen, hinter den Vorhängen, war es warm und stickig. Dany konnte den Gestank der blassen Haut Illyrios trotz seiner schweren Duftwasser riechen.

Ihrem Bruder, der sich neben ihr auf den Kissen räkelte, fiel das nicht weiter auf. In Gedanken war er weit jenseits der Meerenge.»Wir werden nicht sein ganzes khalasar brauchen«, sagte Viserys. Seine Finger spielten am Heft der geliehenen Klinge herum, doch Dany wußte, daß er noch nie im Ernst ein Schwert geschwungen hatte.»Zehntausend wären schon genug. Ich könnte die Sieben Königslande mit zehntausend dothrakischen Schreihälsen überrennen. Das Reich wird sich für seinen rechtmäßigen König erheben. Tyrell, Redwyne, Darry, Greyjoy, sie alle haben für den Usurpator nicht mehr übrig als ich. Die Dornisehen brennen darauf, Elia und ihre Kinder zu rächen. Und die kleinen Leute werden zu uns stehen. Sie rufen nach ihrem König. «Unsicher sah er Illyrio an.»Das tun sie doch, nicht?«