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Regen zischte in der Glut niedergebrannter Häuser und spülte die Asche von den Dächern der Häuser, die unversehrt geblieben waren. Er schrubbte die Straßen, floß durch die Rinnsteine, füllte die Abwässerkanäle und fegte deren krankheiterregenden Inhalt hinunter zum Fluß und rasch hinaus ins Meer. Er wusch den Gestank von Blut aus der Luft und ließ seinen eigenen, reinen Duft zurück. Menschen, die Augenblicke zuvor noch wie Bestien geknurrt hatten, hoben die Gesichter zum plötzlich wohlmeinenden Himmel und erkannten, daß das Wasser, das über ihre Wangen rann, unerklärlicherweise mit Tränen vermischt war.

Brummelnd beeilten die Priester sich, ihre Prunkgewänder ins Trockene zu bringen, während die Menge sich zerstreute, und schließlich durften auch die Soldaten Schutz vor dem Regen in ihren Kasernen suchen.

Die ganze Nacht hindurch trommelte sauberer Regen auf die Dächer der Stadt. Illyra öffnete das Fenster, um die frische Luft einzulassen, und als sie zu Latilla zurückkehrte, spürte sie die Feuchtigkeit plötzlichen Schweißes auf der gespannten Haut des Kindes. Mit Tränen der Erleichterung häufte sie Decken um Latilla, dann trat sie voll Angst zu Lalos Arbeitstisch. Die Karten flatterten wie lebende Wesen in dem feuchten Wind. Ihr Herz hämmerte, als sie das Muster wieder auslegte.

Am Morgen ging die Sonne über einer reingewaschenen Stadt auf.

Und Gillas Pfirsichbaum stand in Blüte.

Originaltiteclass="underline" Lady of Fire
Copyright: 1986 by Diana L. Paxson

Freistatt ist für Liebende

Janet und Chris Morris

An der Uferpromenade, gegenüber dem Hafen, wo die fischäugigen Beysiber an Stelle eines niedergebrannten Lagerhauses eine Glasfabrik errichteten, die so sonderbar war wie sie selbst, saß ein großer, kräftiger Mann in arg mitgenommener Reisekleidung auf einem Pferd und beobachtete das Unwetter, das vom Meer heranzog.

Sommergewitter waren in Freistatt nicht selten. Dieses Tier, dessen Augen so dunkel waren wie die Augen einer Hexe, vertrieb die Leute im Hafen, während der Reiter es aus den Schatten von zwei überhängenden Dächern heraus studierte.

Gewitter zu dieser Zeit in einer von Unruhen geschüttelten Diebeswelt, die plötzlich aller Magie beraubt war, bedeuteten, daß ein neuer und wilder Gott namens Sturmbringer unterwegs war.

Der große Mann auf dem schlammbedeckten Pferd scherte sich nicht um den göttlichen Verursacher des Unwetters – wenn die Personifizierung des Chaos namens Sturmbringer überhaupt zu Recht ein Gott genannt werden konnte.

Viel mehr, als er zugeben wollte, machte er sich etwas aus der Tochter dieses Gottes – aus Jihan, genannt Gischttochter, die mit Randal verlobt war, dem tysianischen Magier, und hier festsaß, bis die Ehe entweder vollzogen oder das Verlöbnis aufgehoben war. So viel machte er sich aus ihr, daß er nach Freistatt zurückkehrte, obwohl die Stadt auf kaiserlichen Erlaß – und durch die Dummheit seiner selbstsüchtigen Bürger – verurteilt war, an Neujahr ausgelöscht zu werden, denn da lief die Gnadenfrist ab, die der neue rankanische Kaiser Theron dem Prinz-Statthalter gegeben hatte, um die Ordnung wiederherzustellen.

Dann würden des Kaisers Truppen in gewaltigen Verbänden aufmarschieren, und dann würde die Diebeswelt kein Paradies für Narren mehr sein.

Störrische Städte zu befrieden war eine Leidenschaft Therons. Das von Zauberern wimmelnde Freistatt zur Räson zu bringen, so etwas wäre noch vor kurzer Zeit unmöglich gewesen, doch den einander befehdenden Hexen und habgierigen Priestern war es gelungen, noch vor Frühlingsanfang beide nisibisischen Machtkugeln zu vernichten, wodurch Freistatts magisches Gefüge beschädigt und seine schützenden Zauber geschwächt worden waren.

Nun endlich war Freistatt wahrhaftig verdammt, wie Tempus’ Kämpfer der Heiligen Trupps es schon lange genannt hatten. Daß es zu dieser Verdammung durch die Machtkämpfe Unersättlicher aus den unteren Schichten gekommen war, nicht durch die Feuersäule, die aus einem Haus der Oberstadt zur Kränkung des Himmels emporgelodert hatte, wunderte Tempus nicht.

Die Tatsache jedoch, daß außer den geschwächten Zauberern und einer Handvoll machtloser Priester niemand die Wahrheit kannte, überraschte sogar den unerschütterlichen Geheimnisvollen, wie Tempus manchmal genannt wurde, der nun sein Pferd nordostwärts in das Unwetter und zum Labyrinth lenkte.

Er empfand nicht die geringste Sehnsucht nach den alten Tagen, da er allein durch diese Straßen geritten war, als Palasthöllenhund im Dienst Kadakithis’, dem er auf den Zahn fühlen sollte im Interesse Rankes, das sich dann jedoch für Theron statt für Kadakithis entschied. Wohl aber verspürte er einen Hauch Bedauern, als er an dem Pier vorbeiritt, von dem aus Nikodemus, der ihm von allen seinen Söldnern der liebste war, zu den Bandaranischen Inseln in See gestochen war. Begleitet wurde Niko von zwei Gottkindern, die Freistatts einzige Hoffnung hätten sein können.

Tempus war aller Pflichten hier entbunden und aller Verantwortung, außer jener, die ihm sein Gewissen auferlegte. Und die hatte ihn hierher zurückgebracht, nur um die Vorbereitungen zu Ende zu führen, an denen seit Ende des Winters gearbeitet wurde, als Theron ihm angeboten hatte, für ihn den unbekannten Osten zu erforschen.

So würde er nun und auf dieser Expedition in den Osten seine Stiefsöhne zur Gesellschaft haben und das 3. Kommando, Rankes berüchtigtste Einheit.

Und wenn ihr bevorstehender Abzug aus Freistatt den Untergang der Stadt nicht ankündigte und besiegelte, dann hatte Tempus nicht Hunderte von Feinden und ihre Legionen überlebt. Doch nicht das ließ ihn zögern, nicht das hatte ihn von der Hauptstadt heruntergeführt, um wieder durch die schmutzigen Straßen zu reiten, wo Gesetzlose einander Block um Block und Mann um Mann in offener Rebellion bekämpften.

Er konnte kaum ein Interesse an Freistatts Überleben haben. Die Stadt war sein Feind! Wer ihn nicht aus gutem Grund fürchtete, haßte ihn aus Prinzip; jene, auf die weder das eine noch das andere zutraf, waren längst aus dieser Senkgrube geflüchtet.

Er hätte den Abzug Critias überlassen können, dem Ersten Offizier der Stiefsöhne, und Sync, dem Befehlshaber des 3. Kommandos. Er hätte in Ranke im Kaiserpalast mit Theron warten und mit Kartenmachern und Seeleuten reden können, die von Drachen mit Smaragdaugen im Ostmeer erzählten und von Schätzen in Höhlen an der Küste, Schätze, derengleichen das Rankanische Reich nie zu Gesicht bekommen hatte.

Doch weder Jihan noch Randal, ihr Verlobter, wußten, daß ihr Verlöbnis durch eine Abmachung zustandegekommen war, die Tempus mit Sturmbringer, dem Vater der Gischttochter, getroffen hatte – eine Abmachung, die er aus Notwendigkeit und in aller Eile mit einem Gott eingegangen war, der für seine Streiche berüchtigt war. Er hatte allerdings nun seine Zweifel, ob es richtig gewesen war. Er könnte sowohl Jihan als auch Randal, den Magierkrieger, auf seinem Zug in den Osten gut gebrauchen, doch keiner der beiden konnte weg, bevor die Sache entschieden war.

So war er nun hier, um etwas dafür oder dagegen zu unternehmen; um sicherzugehen, daß Randal, ein Heiliger Trupp- Partner und einer seiner Männer, nicht gegen seinen Willen in die Hölle schlitterte und dort festsaß; und daß Jihans Vater nicht Stürme der Verwirrung in die Augen seiner Tochter blies, um sie dort zu halten, wo er sich zu bleiben entschlossen hatte.

Er war maskiert gekommen, so gut er das bewerkstelligen konnte. Er war von heroischer Statur und sah einem einst in Freistatt wohlbekannten, doch nun verbannten Gott ähnlich. Es hatte eine hohe Stirn und einen honigfarbenen Bart, ein Gesicht, das nun mit allem Abscheu eines Lebens von drei Jahrhunderten und mehr auf die Straßen des Lagerhausviertels blickte.