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Wenn es uns gelingt, diesen unaufhörlichen Energiestrom zu kanalisieren, entdecken wir, daß er sich zu einem festen Mittelpunkt in uns entwickelt – Jung nennt ihn in Bezug auf die Männer den Alten Weisen und in Bezug auf die Frauen die Große Mutter.

Dies zuzulassen, ist jedoch mit Risiken verbunden. Im Allgemeinen neigen diejenigen, die in diese Phase kommen, dazu, sich als Heilige, Geisterbezwinger, Propheten zu sehen. Es braucht viel Reife, um mit der Energie der Alten Weisen oder der Großen Mutter umzugehen.

»Jung ist verrückt geworden«, sagte Shepka, nachdem er mir die vier vom Schweizer Psychoanalytiker beschriebenen Phasen erklärt hatte. »Als er mit seinem Alten Weisen in Verbindung getreten ist, hat er angefangen zu behaupten, er werde durch einen Geist namens Philemon geführt.«

»Und am Ende …«

»… kommen wir zum Symbol des Bauchnabels. Nicht nur Menschen, auch Gesellschaften entwickeln sich in diesen vier Schritten. Die westlichen Zivilisationen haben eine Persona, Vorstellungen, die uns leiten.

In ihrem Versuch, sich den Veränderungen anzupassen, treten unsere Zivilisationen mit dem Schatten in Verbindung – wir erleben große Massendemonstrationen, in denen die kollektive Energie sowohl zum Guten als auch zum Bösen manipuliert werden kann. Aus irgendeinem Grund befriedigen Persona und Schatten die Menschen nicht mehr. Es ist der Augenblick gekommen, einen Sprung zu wagen, bei dem das Unbewußte sich mit der Seele verbindet. Neue Werte bilden sich heraus.«

»Das habe ich bemerkt. Ich habe festgestellt, daß es ein Wiederaufleben der Verehrung der weiblichen Seite Gottes gibt.«

»Ein sehr gutes Beispiel. Und am Ende dieses Prozesses wird, damit diese neuen Werte ihren Platz finden und behalten, die gesamte Menschheit mit dem Symbolischen in Verbindung treten – mit Hilfe der verschlüsselten Sprache, mit der die heutigen Generationen mit dem Wissen ihrer Vorfahren Kontakt aufnehmen. Eines der Symbole der Wiederbelebung ist der Bauchnabel. Auf den Bauchnabel des indischen Gottes Vishnu, der für Schöpfung und Zerstörung verantwortlich ist, setzt sich der Gott, der in jedem Zyklus alles beherrschen wird. Die Yogis halten den Bauchnabel für eines der Chakren, einen der heiligen Punkte des Körpers. Primitivere Völker errichteten Monumente an dem Ort, den sie für den Nabel der Welt hielten. In Südamerika sagen Menschen in Trance, daß die wahre Form des Menschen ein leuchtendes Ei sei, das sich mit den andern durch Fasern verbindet, die aus seinem Bauchnabel kommen.

Auch das Mandala, eine Zeichnung, deren Herstellung eine meditative religiöse Übung ist, stellt einen Bauchnabel dar.«

Diese Informationen habe ich umgehend nach England übermittelt und merkte dazu noch an, daß die Frau, der es gelinge, in einer Gruppe die gleiche unsinnige Reaktion hervorzurufen, eine ungeheure Macht besitzen müsse. Es würde mich im Übrigen nicht wundern, wenn sie eine Art Paranormale wäre. Ich schlug Heron vor, sie näher zu studieren.

Ich hatte über dieses Thema zuvor nie nachgedacht und würde es wahrscheinlich auch gleich wieder vergessen. Meine Tochter fand, ich würde mich merkwürdig verhalten. Sie hatte mir auch irgendwann einmal vorgeworfen, ich würde nur an mich selber denken, immer nur Nabelschau betreiben.

Deidre O’Neill, bekannt als Edda

»Es ist alles schiefgelaufen: Wie konntest du mir nur in den Kopf setzen, daß ich lehren könnte? Warum sollte ich mich vor anderen lächerlich machen? Ich sollte dich aus meinem Gedächtnis streichen. Als man mir beigebracht hat zu tanzen, habe ich getanzt. Als man mir beigebracht hat, Buchstaben zu malen, habe ich es gelernt. Aber du bist krank: Du hast verlangt, daß ich etwas versuche, was über meine Grenzen hinausgeht. Deshalb habe ich mich in den Zug gesetzt und bin hierhergekommen – du sollst sehen, wie sehr ich dich hasse.«

Athena weinte hemmungslos. Sie redete etwas zu laut, und ihr Atem roch nach Wein. Zum Glück hatte sie den Sohn bei ihren Eltern gelassen! Ich bat sie hereinzukommen. Ein solcher Aufstand vor meiner Wohnungstür wäre nur Wasser auf die Mühle meiner Nachbarn, die sowieso schon behaupteten, ich würde Männer und Frauen empfangen und große Sexorgien im Namen Satans organisieren.

Aber sie blieb vor meiner Tür stehen und schrie:

»Es ist deine Schuld! Deinetwegen habe ich mich lächerlich gemacht!«

Ein Fenster ging auf. Dann ein weiteres. Ich zog Athena vorsichtig die paar Stufen zum Eingang hinauf, und wir traten ins Haus. Ich machte ihr einen Tee nach einem geheimen Rezept, das mein Beschützer mir gegeben hatte. Ich stellte ihr die Tasse hin, die sie in einem Zug austrank. Ich nahm das als Vertrauensbeweis.

»Warum bin ich so«, fuhr sie fort.

Die Wirkung des Alkohols ließ offenbar nach. »Es gibt Männer, die mich lieben. Ich habe einen Sohn, der mich anbetet und in mir ein Vorbild für sein eigenes Leben sieht. Ich habe Adoptiveltern, die ich als meine wahre Familie empfinde und die bereit wären, für mich ihr Leben zu lassen. Ich habe die leeren Stellen in meiner Vergangenheit ausgefüllt, indem ich meine leibliche Mutter gesucht und gefunden habe. Ich habe genügend Geld, um drei Jahre lang nichts zu tun – und ich bin nicht zufrieden.

Ich fühle mich elend, schuldig, weil Gott mich mit Schicksalsschlägen gesegnet hat, die ich überwinden konnte, und mit Wundern, die ich bestaunt habe – aber ich bin nie zufrieden! Ich will immer mehr. Ich hätte nicht in dieses Theater gehen und der Liste meiner Siege eine Frustration hinzufügen sollen!«

»Glaubst du, daß das, was du getan hast, nicht richtig war ?«

Sie hielt inne und schaute mich verblüfft an.

»Warum fragst du mich das ?«

Ich wartete nur auf ihre Antwort.

»Doch, es war richtig. Ich war mit einem Journalisten zusammen dort hingekommen, hatte nicht die geringste Ahnung, was ich machen würde, aber plötzlich spürte ich die Gegenwart der Großen Mutter an meiner Seite, die mich führte, mich lehrte, machte, daß meine Stimme eine Sicherheit ausstrahlte, die ich, wie ich im Innersten wußte, gar nicht besaß.«

»Und warum beklagst du dich dann?«

»Weil niemand mich verstanden hat! «

»Ist das denn so wichtig? So wichtig, daß du deswegen bis hierher nach Schottland kommst und mich vor aller Welt beschimpfst?«

»Selbstverständlich ist das wichtig! Wenn du alles riskierst, wenn du weißt, daß du das Richtige machst, warum wirst du dann nicht wenigstens dafür geliebt oder bewundert?«

Das war also das Problem. Ich nahm sie bei der Hand und führte sie in dasselbe Zimmer, in dem sie vor ein paar Wochen die Kerze betrachtet hatte. Ich bat sie, sich zu setzen und sich etwas zu beruhigen – obwohl ich mir sicher war, daß der Tee schon wirkte. Ich ging in mein Schlafzimmer, holte einen runden Spiegel und hielt ihn ihr vor das Gesicht.

»Du hast alles erreicht und hast um jeden Zoll deines Territoriums gekämpft. Nun schau dir deine Tränen an. Schau dir dein Gesicht an und die Bitterkeit, die es zeigt. Schau die Frau dort im Spiegel genau an. Lache diesmal nicht, sondern versuche sie zu verstehen.«

Ich gab ihr ausreichend Zeit, um meinen Anweisungen zu folgen. Als ich bemerkte, daß sie in die gewünschte Trance verfiel, fuhr ich fort:

»Was ist das Geheimnis des Lebens? Nennen wir es einfach >Gnade< oder >Segnung<. Alle sind darauf aus, mit dem zufrieden zu sein, was sie haben. Nur ich nicht. Nur du nicht. Nur ein paar Menschen nicht, die, wie wir beide auch, im Namen einer größeren Sache Opfer bringen müssen.

Unsere Phantasie übersteigt die uns umgebende Welt, wir gehen über unsere Grenzen hinaus. Einst wurde das >Hexerei< genannt – doch zum Glück haben sich die Dinge verändert, sonst stünden wir jetzt schon auf dem Scheiterhaufen. Lange nachdem die letzten Hexen auf dem Scheiterhaufen starben, versuchte die Wissenschaft, das unangepaßte Verhalten der sogenannten Hexen zu erklären, und zwar durch etwas, das gemeinhin als >weibliche Hysterie< bezeichnet wurde. Diese bringt heutzutage nicht den Feuertod mit sich, schafft aber doch einige Probleme – vor allem am Arbeitsplatz.