Der Mann, der später meinbeschützer wurde, fragte mich: >Wenn du nicht Biologe wärest, was wärest du dann?<
Ich sagte: >Schmied, aber das bringt kein Geld.< Er entgegnete: >Nun, wenn du es leid bist zu sein, was du nicht bist, dann gehe und vergnüge dich und feiere das Leben, indem du mit einem Hammer auf Eisen schlägst. Mit der Zeit wirst du herausfinden, daß dir das mehr Zufriedenheit bringt: Es wird dir einen Sinn geben.<
>Wie folge ich dieser Tradition, von der du erzählt hast?<
>Wie ich schon sagte, durch Symbole<, war seine Antwort. >Beginne damit zu tun, was du möchtest, und alles sonst wird dir offenbart werden. Glaube daran, daß Gott eine Mutter ist, die sich um ihre Kinder kümmert und niemals zulassen wird, daß ihnen Böses geschieht. Ich habe das getan und überlebt. Ich habe herausgefunden, daß es andere Menschen gibt, die dies auch tun – aber sie werden für verrückt, unverantwortlich, abergläubisch gehalten. Sie suchen in der Natur die Inspiration, wo sie zu finden ist, seit die Welt geschaffen wurde. Wir haben Pyramiden gebaut, aber auch Symbole entwickelt.<
Nach diesen Worten ging er, und ich habe ihn nie wiedergesehen.
Ich weiß nur, daß ich von diesem Augenblick an die Symbole sah, weil mir dieses Gespräch die Augen öffnete. Es ist mir nicht leichtgefallen, aber eines Abends habe ich meiner Familie gesagt, daß ich, obwohl ich alles hatte, wovon ein Mann träumte, unglücklich sei – daß ich in Wahrheit dazu geboren sei, Schmied zu sein. Meine Frau beklagte sich und meinte: >Du wurdest als Zigeuner geboren, du hast so viele Demütigungen ertragen müssen, um dorthin zu gelangen, wo du heute bist, und jetzt willst du wieder zurück?! Mein Sohn war hochzufrieden, denn er sah auch den Schmieden in unserem Dorf gern zu und haßte die Laboratorien in der großen Stadt.
Ich habe meine Zeit zwischen der biologischen Forschung und der Arbeit eines Hilfsschmiedes geteilt. Ich war immer müde, aber viel fröhlicher als vorher. Irgendwann habe ich meine Anstellung aufgegeben und meine eigene Schmiede aufgemacht – die anfangs ein totaler Reinfall war. Gerade als ich begann, an das Leben zu glauben, verschlechterte sich meine Lage ganz entschieden. Eines Tages wurde mir während der Arbeit plötzlich klar, daß ich ein Symbol vor mir hatte.
Ich erhielt den Stahl unbearbeitet und mußte ihn zu Autoteilen, landwirtschaftlichen Maschinen oder Küchenutensilien umformen. Wie geschieht das? Zuerst einmal erhitze ich das Stahlblech unter höllischer Hitze, bis es rot wird. Dann ergreife ich den schwersten Hammer und schlage darauf, bis das Stück die gewünschte Form erhalten hat. Dann wird es in einen Eimer mit kaltem Wasser getaucht, und die ganze Werkstatt füllt sich mit dem Zischen des Dampfes, während das Stück wegen des plötzlichen Temperaturwechsels knackt und ächzt.
Diesen Prozeß wiederhole ich so oft, bis das Stück vollkommen ist. Einmal genügt nicht.«
Der Schmied machte eine lange Pause, zündete sich eine Zigarette an und fuhr fort:
»Manchmal erträgt der Stahl, den ich in die Hände bekomme, diese Behandlung nicht. Die Hitze, das Hämmern und das kalte Wasser führen zu Rissen. Und ich weiß dann, daß er nie zu einer guten Pflugschar oder einer Wagenachse werden wird. Dann werfe ich ihn einfach auf den Haufen Alteisen neben dem Eingang meiner Schmiede.«
Nach einer weiteren Pause sagte der Schmied noch:
»Ich weiß, daß Gott mich in das Feuer von Angst und Not stellt. Ich habe die Hammerschläge, die mir das Leben versetzt, akzeptiert, und manchmal fühle ich mich so kalt und gefühllos wie das Wasser, das das Eisen leiden läßt. Aber ich bitte nur um eines: »Mein Gott, meine Mutter, gib nicht auf, bis es mir gelungen ist, die Form anzunehmen, die du von mir erwartest. Versuche es so, wie du es für richtig hältst, solange du willst – aber werfe mich nie auf den Haufen für Alteisenseelen.<«
Nach dem Gespräch mit diesem Mann wußte ich, obwohl ich betrunken war, daß mein Leben sich verändert hatte. Es gab eine Tradition hinter allem, was wir gelernt haben, und ich mußte mich auf die Suche nach Menschen machen, die bewußt oder unbewußt imstande waren, die weibliche Seite Gottes zu offenbaren. Anstatt über meine Regierung und deren politische Manipulationen zu schimpfen, beschloß ich zu tun, wozu ich wirklich Lust hatte: die Menschen zu heilen. Der Rest interessierte mich nicht mehr.
Da ich kein Geld hatte, um Medikamente zu kaufen, wandte ich mich an die Frauen und Männer in der Region, die mich in die Welt der Heilpflanzen einführten. Ich lernte eine Volkstradition kennen, die bis in die graue Vorzeit zurückreichte und von Generation zu Generation als etwas weitergegeben wurde, das sich auf Erfahrung gründete und nicht auf Fachwissen. Damit konnte ich mehr tun, als meine eigenen Möglichkeiten erlaubten, denn ich war jetzt nicht mehr nur dort, um eine Aufgabe zu erfüllen, die mir die Universität gestellt hatte, oder um meiner Regierung zu helfen, Waffen zu verkaufen, oder um ungewollt Propaganda für politische Parteien zu machen.
Ich war dort, weil es mich zufrieden machte, Menschen zu heilen.
Das hat mich der Natur, der mündlichen Überlieferung und den Pflanzen nahe gebracht. Zurück in England, fragte ich meine Kollegen: »Wißt ihr eigentlich immer von vornherein genau, welche Arzneien ihr verschreiben müßt, oder laßt ihr euch auch manchmal von eurer Intuition leiten?« Fast alle räumten ein, nachdem das Eis erst mal gebrochen war, daß sie häufig von einer Stimme geleitet wurden und, wenn sie deren Ratschläge nicht befolgten, am Ende in der Behandlung Fehler machten. Selbstverständlich nutzten sie die gesamten ihnen zur Verfügung stehenden modernen Apparate und Verfahren, aber alle wussten, daß es tief in ihnen einen verborgenen Winkel gab, in dem das Gefühl für die richtige Behandlung und die dementsprechend beste Entscheidung zu finden war.
Mein Beschützer hatte meine Welt aus dem Gleichgewicht gebracht – auch wenn er nur ein einfacher Mann, ein Schmied aus dem Volk der Roma war. Ich habe ihn mindestens einmal im Jahr in seinem Dorf besucht, und wir haben uns darüber unterhalten, wie das Leben sich vor unseren Augen auftut, wenn wir es wagen, die Dinge anders zu betrachten. Bei einigen dieser Besuche habe ich andere Schüler von ihm getroffen, und wir haben gemeinsam über unsere Ängste und unsere Siege gesprochen. Der Beschützer sagte: »Auch ich habe Angst, aber in diesen Stunden entdecke ich, daß es eine Weisheit jenseits von mir gibt, und dann mache ich weiter.«
Heute verdiene ich als Ärztin in Edinburgh ein Vermögen, aber ich würde noch mehr verdienen, wenn ich in London praktizieren würde. Doch ich möchte lieber das Leben genießen und etwas freie Zeit haben. Ich tue das, was mir gefällt. Ich verbinde die Heilverfahren der Alten, die Tradition der Arcana, mit den modernsten Verfahren der heutigen Medizin, der Tradition des Hippokrates. Ich schreibe gerade an einem Artikel darüber, und viele Menschen aus der >wissenschaftlichen< Gemeinschaft werden, wenn sie meinen Text in einer Fachzeitschrift lesen, ihre Methoden ändern, die sie im Grunde genommen schon lange ändern wollten.
Ich glaube nicht, daß Krankheiten ihren Ursprung im Kopf haben. Ich halte die Entdeckung und Entwicklung der Antibiotika und antiviraler Mittel für einen großen Schritt in der Entwicklung der Menschheit.
Ich verlange von meinen Patienten nicht, daß sie eine Blinddarmentzündung mit Meditation heilen – sie brauchen eine schnelle und gute Operation.
Ich tue meine Arbeit mit Mut und Angst, stütze mich dabei auf die neuesten Verfahren der westlichen Medizin und auf Inspiration.