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Die beiden Zwerge taten vor den Göttern unschuldig, ja, sie berichteten Wodan, Kvasir sei an seiner eigenen Weisheit ertrunken. Der Göttervater mißtraute ihnen, ließ sie aber laufen. Da frohlockten die beiden üblen Kreaturen ob der gelungenen List und prahlten vor ihren finsteren Freunden mit ihrem Verbrechen.

Es vergingen nur wenige Monde, da fühlten Galar und Fjalar sich sicher genug, eine neuerliche Untat zu begehen. Sie luden einen ihrer ältesten Feinde, den Riesen Gilling, zu sich ein und ertränkten ihn im Ozean. Gillings Frau erschlugen sie mit einem Mühlstein. Darüber empfanden die Zwerge solche Freude, daß sie auch dies all ihren Freunden erzählten. Jene aber neideten ihnen den Besitz des Dichtermets und erzählten Suttung, Gillings Sohn, von den Morden. Suttung stürmte sogleich voller Rachsucht zum Haus der Zwerge und quälte sie so lange, bis sie ihm als Wiedergutmachung den Met anboten. Suttung stimmte zu und brachte den Kessel in seinen Berg. Zur Wächterin des Zaubergesöffs bestimmte er seine Tochter Gunnlöd.

Wodan aber erfuhr durch seine treuen Raben vom Handel der Zwerge mit dem Riesensohn, und er beschloß, den Met zurückzugewinnen. Denn wenn es eines gab, das die Götter verhindern wollten, dann war es, daß alle Riesen zu Dichtern und Weisen wurden.

In Gestalt eines stattlichen Mannes machte Wodan sich auf zu Suttungs Berg. Er bohrte ein Loch in den Fels, verwandelte sich in eine Schlange und glitt in die Höhlengemächer des Riesen. Dort suchte er die Kammer, in der Gunnlöd den Kessel bewachte. Wieder zum Mann geworden, schmeichelte er sich bei der Riesentochter ein, es gelang ihm gar, echte Liebe in ihr zu entfachen. Unter Treueschwüren lag er ihr drei Nächte lang bei, dann endlich gestatte sie ihm für jede Nacht einen Schluck aus dem Kessel. Sie wußte nicht, daß sie es mit dem höchsten der Götter zu tun hatte, und wie hätte sie ahnen können, daß er den ganzen Kessel mit nur drei Zügen leertrinken würde? Sodann nahm er die Gestalt eines Adlers an und floh aus der Höhle.

Der Riese Suttung aber, der Vater der betrogenen Wächterin, schlüpfte in sein eigenes Adlerkleid und folgte dem Dieb hinauf in die Wolken. Die beiden lieferten sich eine halsbrecherische Jagd. Wodan hatte schwer an seiner Diebeslast zu tragen und wurde mit jedem Flügelschlag langsamer. Die übrigen Götter sahen ihren Herrn von den Zinnen aus nahen, stellten eilig Töpfe und Schalen im Hof der Götterburg auf und holten ihre Waffen. Wodan aber blieb keine Wahl, als noch außerhalb der Mauern einen Teil des Mets zu Boden zu spucken, und jener Teil ist es, der noch heute den schlechten Reimeschmieden und Wichtigtuern unter den Menschen zugute kommt. Das meiste aber spie Wodan in die Gefäße im Burghof, während die übrigen Götter den Riesenadler mit ihren Spießen und Pfeilen verjagten. So kam es, daß Wodan den Dichtermet zurückgewann, um ausgewählte Menschen davon trinken zu lassen, denn nur so werden Poeten und Gelehrte geboren.

Die Riesen zürnten Wodans Betrug, hatten sie den Met doch als Wiedergutmachung für Gillings Tod erhalten. So kam es, daß sich die Götter die Riesen zu Feinden machten, und ihr Krieg wütet bis heute auf den höchsten Gebirgsspitzen und in den tiefsten Höhlen der Erde.«

Jodokus beendete seinen Bericht mit einer seltsamen Handbewegung, einem angedeuteten Streich über ein unsichtbares Musikinstrument.

Die ganze Zeit über hatte Kriemhild begeistert zugehört, doch als der Sänger zum Ende seines Vortrags kam, traten ihr wieder Zweifel in den Sinn. »Wenn Götter und Riesen ganze Schlachten um den Besitz des Mets geschlagen haben, wie kommt es dann, daß ausgerechnet du ihn stehlen konntest?«

Jodokus tat, als hätte er die Häme in ihrem Tonfall nicht bemerkt. »In diesem Krieg geht es längst nicht mehr um den Met allein. Beide Seiten kämpfen um des Kämpfens willen. Da die Götter nur mit einem Diebstahl durch Riesen rechneten, achteten sie nicht auf die winzigen Lücken in ihrer Verteidigung - viel zu klein für einen Riesen, für mich aber gerade groß genug.«

Kriemhild seufzte. »Du bleibst dabei, nicht wahr? Ganz egal, was ich dagegen einwende.«

»Weil es die Wahrheit ist«, entgegnete er, doch er klang dabei weniger störrisch als stolz.

»Wie du meinst.« Sie hatte nicht vor, mit ihm zu streiten, es hatte ohnehin keinen Zweck. Was immer ihn dazu gebracht hatte, sich solch einen Unsinn auszudenken, würde wohl auf ewig immer sein Geheimnis bleiben. Gut, dachte sie, damit sind die Seiten ausgeglichen. Schließlich hatte sie selbst ein Geheimnis, das es zu hüten galt.

Nachdem sie aber eine Weile lang schweigend weitergeritten waren, der aufsteigenden Sonne entgegen und träumend in ihrem goldenen Schein, konnte Kriemhild eine Frage nicht länger zurückhalten: »Wenn du den Dichtermet wirklich gestohlen hast, sag, wo hast du ihn dann? Haben ihn dir die Dorfbewohner mitsamt deinen übrigen Sachen abgenommen?«

Ein listiges Grinsen zuckte über seine Züge. »Du hältst mich doch nicht etwa für so einfältig, ihnen einen solchen Schatz zu überlassen, oder?«

Aber Kriemhild dachte triumphierend: Aus dieser Schlinge ziehst du deinen Kopf nicht so geschwind.

Jodokus trieb sein Pferd in den Schatten der Bäume am Straßenrand, schaute sich sichernd nach allen Seiten um und zügelte sein Pferd. »Du glaubst mir noch immer nicht? Na schön, dann sieh her.«

Vor Kriemhilds fassungslosen Augen streifte er sein Wams über den Kopf und präsentierte ihr seinen nackten Oberkörper. Er war nicht allzu kräftig, eher drahtig als muskulös. Mehrere Lederbänder lagen um seine Brust, und als er ihr lächelnd den Rücken zukehrte, erkannte sie, daß der vermeintliche Buckel nichts anderes war als ein lederner Weinschlauch, leicht gebogen und durch die festgezurrten Bänder der Form des Rückens angepaßt.

Kriemhild konnte nicht anders: Sie lehnte sich im Sattel zurück und lachte, schüttelte sich aus vor schallendem Gelächter. »Du bist wirklich verrückt, Jodokus Meträuber!« Er fuhr herum und funkelte sie verwirrt und zornig an. Doch Kriemhild gelang es nicht, ihr Lachen zu bezwingen. Schniefend und mit Tränen in den Augen meinte sie: »Du behauptest, da drin sei der Dichtermet der Götter? Da drin? Du liebe Zeit...«

Wütend beeilte er sich, seinen Schatz wieder unter dem Wams in Sicherheit zu bringen. »Ich glaube nicht, daß ich deinen Hohn verdient habe!«

Sie fuhr sich mit dem Handrücken über die Augen. »Verzeih mir«, stammelte sie und kämpfte einen neuerlichen Heiterkeitsanfall nieder. »Ich wollte dich nicht verletzen, wirklich nicht. Aber wie soll ich dir glauben, daß du Wodans Met allen Ernstes in einem gewöhnlichen Lederschlauch spazierenträgst? Das ist einfach zu -« Und wieder gingen ihre Worte in unterdrücktem Gelächter unter.

Jodokus lenkte sein Pferd vergrätzt zurück auf die Straße und setzte die Reise fort. »Lach du nur. Mach dich lustig über mich, solange es dir gefällt. Ich weiß sehr gut, was ich getan habe, und ich brauche keine Bestätigung von einer wie dir!«

Sie hieb ihrem Gaul die Hacken in die Flanken, bis sie und der Sänger wieder auf einer Höhe ritten. »Hast du davon getrunken?« fragte sie und blickte ihn von der Seite an.

Jodokus starrte beleidigt geradeaus. »Was geht dich das an?«

»Du müßtest der beste Sänger weit und breit sein, hättest du den Dichtermet gekostet.«

»Und?«

»Beweis es mir!«

Sein Kopf zuckte, als er sich zu ihr umwenden wollte; dann aber fiel ihm ein, daß er noch immer eingeschnappt war, und würdigte sie mit keinem Blick. »Ich habe es nicht nötig, dir irgend etwas zu beweisen.«

»Natürlich nicht«, gab sie zurück. »Aber was für ein Sänger bist denn du, wenn du nicht singst, wenn dich eine Dame darum bittet?«