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Anyi schnaubte leise. »Es ergibt keinen Sinn. Warum jemanden ausschicken, die Familie eines anderen Diebs zu töten, während man ihn gleichzeitig einlädt, ein Bündnis einzugehen?«

Für einen langen Augenblick verfielen sie alle in nachdenkliches Schweigen.

»Vielleicht weiß Lorandra es«, überlegte Gol laut.

Cery schüttelte den Kopf. »Nun, eines weiß ich mit Bestimmtheit. Wir müssen noch einen wilden Magier fangen.«

»Falls er sich noch in Kyralia aufhält«, sagte Regin.

»Oh, er ist immer noch hier«, versicherte ihm Cery. »Er hat nicht so viel Zeit und Mühe auf sein kleines Reich verwandt, um die Flucht zu ergreifen. Nein, es gibt Leute hier, reiche wie arme, die sich überschlagen werden, ihm zu helfen, einige, weil sie es tun müssen, viele, weil sie davon profitieren werden. Das wird er anderswo nicht haben.«

Sonea nickte. »Sein Einfluss auf die Stadt ist bereits gefährlich stark, aber ich vermute, wenn man ihn aus dem Spiel nimmt, wird sein Reich in sich zusammenstürzen. Wir müssen ihn finden.« Sie sah Cery an. »Wirst du uns abermals helfen?«

Er nickte. »Den Spaß würde ich mir nicht entgehen lassen.«

Sie lächelte und stand dann auf. Regin folgte ihrem Beispiel. »Wir müssen in die Gilde zurückkehren. Danke, dass du dich um Forlie und ihre Familie kümmerst.«

Cery sah die Frau an, die ihn erwartungsvoll beobachtete. »Ich werde für euch alle einen sicheren Platz finden. Wo ist der Vater der Kinder?« Beide Frauen runzelten so grimmig die Stirn, dass Cery sich ein Lachen nicht verkneifen konnte. »Das ist also kein Problem.« Er wandte sich wieder an Sonea und geleitete sie zur Tür. »Ich wette, ihr habt auf dem Weg hierher eine Menge Aufmerksamkeit erregt.«

Sie lachte kläglich. »Ja. Und die Kunden unten werden noch monatelang darüber reden.«

»Was vielleicht gar nicht schlecht ist«, warf Regin ein, während er ihr zur Tür hinaus folgte. »Das wird die Leute, die es vielleicht erwägen, Skellin zu helfen, daran erinnern, dass du mächtige Freunde hast.«

»Nun, es würde nicht schaden, wenn sie dächten, dass ihr immer noch hier seid, so dass wir vor unserem Aufbruch Pläne schmieden können. Der privatere Weg führt durch die Küche und durch den Nebeneingang.«

»Dann werden wir dort entlanggehen. Danke für deine Hilfe«, sagte Sonea. »Und passt auf euch auf.«

»Das tue ich doch immer«, rief er ihnen nach, während sie durch den Flur zur Treppe gingen. Nachdem er die Tür geschlossen hatte, wandte er sich den verbliebenen Personen im Raum zu. Bei einem Blick auf die Kinder tat ihm das Herz weh, und er schob die schmerzlichen Erinnerungen beiseite. »Gol, bring Forlies Familie nach unten und sorge dafür, dass sie und die Kleinen zu essen bekommen.«

»In Ordnung«, erwiderte Gol. Er gab den beiden Frauen ein Zeichen, und sie folgten ihm mit den Kindern aus dem Raum. Cery kehrte zu seinem Sessel zurück und stieß einen Seufzer aus.

Er blickte Anyi an. Sie runzelte die Stirn. Es war kein besorgtes Stirnrunzeln, sondern ein verwirrtes. »Was gibt es?«, fragte er.

Sie sah ihn an, dann wandte sie den Blick wieder ab. »Erinnerst du dich an diesen Magier in der Gilde, der genauso gekleidet war wie Sonea?«

»Ja. Schwarzmagier Kallen.«

»Er kam mir bekannt vor. Zuerst habe ich ihn wegen der Roben nicht erkannt.« »Du hast ihn ohne Roben gesehen?« Sie blickte zu ihm auf und lachte. »Nicht so, wie du es gerade ausgedrückt hast. Als ich ihn das letzte Mal gesehen habe, konnte ich nicht erkennen, was er anhatte.« »Was hat er getan?«, fragte er.

Eine Falte erschien zwischen ihren Brauen, dann glättete sich ihre Stirn, und sie riss die Augen auf. »Ah! Das ist es. Ich war eines Tages mit meinem Freund unterwegs, um Fäule zu kaufen. Natürlich nicht für mich.« Ihr Blick flackerte, ernst und besorgt, zu seinem Gesicht hinüber. »Inmitten der Verhandlung fuhr eine Kutsche vor. Der Mann darin wollte Fäule, aber er wollte nicht warten. Ich konnte einen Blick auf sein Gesicht werfen.«

»Kallen?«

»Ja.«

»Bist du dir sicher?«

»Oh ja.« Ihre Augen funkelten. »Ich merke mir jeden, der so aussieht, als täte er vielleicht etwas, das er nicht tun darf.«

Cery schnaubte. »Das würde so ziemlich auf jeden in der Stadt zutreffen.«

Sie grinste. »Und ganz besonders dann, wenn es so aussieht, als könnte das, was ich über die betreffende Person in Erfahrung bringe, eines Tages nützlich sein«, räumte sie ein. »Denkst du, dass Sonea sich dafür interessieren würde? Viele Magier nehmen Fäule, habe ich gehört.«

»Oh, ich denke, sie wird das interessant finden«, antwortete Cery. »Ich denke, sie wird es sehr interessant finden. Es wird ein guter Vorwand sein, um mich abermals in ihr Hospital zu schleichen. Oder vielleicht werde ich warten, bis ich ihr etwas Nützliches über Skellin zu berichten habe.« Er sah Anyi an und verzog das Gesicht. »Wir müssen sehr vorsichtig sein, wem wir vertrauen. Skellin hat viele Freunde, und ich bezweifle, dass ich jetzt noch einer davon bin. Wir müssen bei der Suche nach ihm helfen, ohne selbst geschnappt zu werden. Auf uns kommen stürmische Zeiten zu.«

Epilog

Mit einem letzten magischen Stoß kehrte Lorkin den übrigen Staub, Haare, Essensreste und nicht identifizierbare Bröckchen zu einem kleinen Haufen, dann holte er einen Eimer, um den Unrat hineinzukippen. Einige Wochen waren verstrichen, seit man ihm ein Quartier im Männerraum zugewiesen hatte, und er kannte inzwischen die Namen der meisten seiner Mitbewohner.

Es war ein großer Raum, gefüllt mit Reihen schmaler Betten. Die meisten davon waren jetzt leer, aber die unter die Bettrahmen geschobenen Besitztümer machten klar, dass alle Betten normalerweise besetzt waren.

»Sie sind für Männer, die nicht länger bei ihrer Familie bleiben wollen und die nicht zu einer Frau gehören«, hatte Vytra ihm erklärt. »Wir haben nicht genug Platz, als dass jeder sein eigenes Zimmer haben könnte.«

»Gibt es auch Frauenräume?«, hatte Lorkin sich erkundigt.

»Sozusagen.« Sie hatte die Achseln gezuckt. »Manchmal teilen sich Freundinnen und Schwestern ein Zimmer.«

Zuerst war er etwas Neues für die Männer bei den Verräterinnen gewesen, und er hatte viele Fragen über Kyralia beantworten müssen, Fragen, wie er ins Sanktuarium gekommen sei und was er dort zu tun beabsichtige. Letztere Frage konnte er nicht zu ihrer Befriedigung beantworten. Er konnte ihnen kaum von seinem Interesse an Tyvara erzählen oder von seinen Plänen, Bündnisse zwischen ihren Leuten und den Verbündeten Ländern auszuhandeln.

»Du bist ein Magier«, hatte einer bemerkt. »Gewiss wird man dir etwas zu tun geben, das sich irgendwie um Magie dreht.«

Obwohl Savara den anderen Sprecherinnen gegenüber beteuert hatte, dass sie eine Arbeit für ihn finden würde, hatte man ihm bisher noch keine Aufgabe zugewiesen. Also hatten die Männer ihn damit betraut, ihr Zimmer ordentlich zu halten. Sie waren überrascht gewesen zu entdecken, dass er nicht wusste, wie man das machte, und es hatte sie beeindruckt, dass er in der Gilde für solch niedere Arbeiten Dienstboten gehabt hatte. Dies trug ihm jedoch keine andere Arbeit ein. Sie gaben ihm einige grobe Anweisungen, dann überließen sie es ihm, sich allein zurechtzufinden.

Er hatte seinerseits viele Fragen gestellt und mehr über die Regeln und Gesetze des Sanktuariums erfahren, einschließlich jener subtilen Regeln in Bezug auf Manieren und Gerechtigkeit, an die Menschen sich halten, um die Konflikte zu verringern, die sich ergeben, wenn man in engem Kontakt zueinander lebt.

Wie Chari ihn gewarnt hatte, wurde das Sanktuarium von Frauen beherrscht. Aber auch wenn Männern der Zugang zu den höchsten Machtpositionen verwehrt war, waren sie doch an allen anderen Aktivitäten in der Stadt beteiligt. Die Gründerinnen hatten beschlossen, dass das Sanktuarium in erster Linie ein Ort war, an dem Frauen das Sagen hatten, dass es aber darüber hinaus ein Ort sein müsse, an dem die Menschen einander ebenbürtig waren.