Cery verkniff sich ein zynisches Lächeln angesichts der Schmeichelei. »Aber noch nicht billig genug. Der Handel würde aufhören zu wachsen, wenn man zu viel Feuel zu schnell ins Land brächte.« Und ich käme zurecht, auch wenn wir überhaupt keine Fäule hätten. Er hatte gesehen, was Feuel mit Männern und Frauen machte, die sich ihm hingaben – sie vergaßen, zu essen oder zu trinken, vergaßen, ihre Kinder zu füttern, es sei denn, um ihnen etwas von der Droge zu geben, damit sie aufhörten, über Hunger zu klagen. Aber ich bin nicht töricht genug zu denken, ich könnte es für immer von der Nordseite fernhalten. Wenn ich es nicht beschaffe, wird jemand anders es machen. Ich werde einen Weg finden müssen, um es zu tun, ohne allzu großen Schaden anzurichten. »Es wird einen richtigen Zeitpunkt geben, um Feuel auf die Nordseite zu bringen«, sagte Cery. »Und wenn dieser Zeitpunkt kommt, werde ich wissen, an wen ich mich wenden muss.«
»Warte nicht zu lange damit, Cery«, warnte Skellin. »Feuel ist beliebt, weil es neu und modisch ist, aber schließlich wird es so sein wie Bol – einfach eine weitere Last der Stadt, angebaut und zubereitet von jedem. Ich hoffe, dass ich bis dahin neue Gewerbe aufgebaut habe, um mir meinen Lebensunterhalt zu verdienen.« Er hielt inne und wandte den Blick ab. »Eins der alten, ehrenwerten Diebesgewerbe. Oder vielleicht sogar etwas Gesetzliches.«
Er drehte sich wieder um und lächelte, aber in seinen Zügen lag ein Anflug von Traurigkeit und Unzufriedenheit. Vielleicht steckt in dieser Haut ein ehrlicher Kerl, dachte Cery. Wenn er nicht erwartet hat, dass Feuel sich so schnell ausbreitet, hat er vielleicht auch nicht erwartet, dass es so große Schäden anrichten loürde… Aber das wird mich nicht dazu bewegen, selbst in das Gewerbe einzusteigen.
Skellins Lächeln verblasste, und an seine Stelle trat ein ernstes Stirnrunzeln. »Es gibt Leute, die gern deinen Platz einnehmen würden, Cery. Feuel könnte deine beste Verteidigung gegen sie sein, wie es das auch für mich war.«
»Es gibt immer Leute, die mich von meinem Platz vertreiben wollen«, erwiderte Cery. »Ich werde gehen, wenn ich so weit bin.«
Der andere Dieb wirkte erheitert. »Du glaubst wirklich, dass du die Zeit und den Ort wirst wählen können?«
»Ja.«
»Und deinen Nachfolger?« »Ja.«
Skellin lachte leise. »Mir gefällt dein Selbstbewusstsein. Faren war sich seiner selbst ebenfalls sicher. Er hatte zumindest zur Hälfte recht: Er konnte seinen Nachfolger wählen.«
»Er war ein kluger Mann.«
»Er hat mir viel von dir erzählt.« Ein neugieriger Ausdruck trat in Skellins Augen. »Dass du nicht auf die gewohnte Weise zum Dieb geworden bist. Dass der berüchtigte Hohe Lord Akkarin es arrangiert hat.«
Cery widerstand dem Drang, zu der Statue hinüberzusehen. »Alle Diebe gewinnen Macht durch mächtigen Leuten erwiesene Gefälligkeiten. Ich habe zufällig mit einem sehr mächtigen Mann Gefälligkeiten ausgetauscht.«
Skellin zog die Augenbrauen hoch. »Hat er dich jemals Magie gelehrt?«
Cery lachte auf. »Schön wär’s!«
»Aber du bist mit einer Magierin aufgewachsen und hast deine Position mithilfe des ehemaligen Hohen Lords errungen. Gewiss hast du etwas aufgeschnappt.«
»So funktioniert Magie nicht«, erklärte Cery. Aber das weiß er gewiss. »Man braucht die Gabe dazu und einen Lehrer, der einem beibringt, sie zu kontrollieren und zu benutzen. Man kann es nicht lernen, indem man jemanden beobachtet.«
Skellin nickte, einen Finger ans Kinn, und musterte Cery nachdenklich. »Aber du hast immer noch Verbindungen in die Gilde, nicht wahr?«
Cery schüttelte den Kopf. »Ich habe Sonea seit Jahren nicht mehr gesehen.«
»Wie enttäuschend nach allem, was du getan hast – was alle Diebe getan haben –, um ihnen zu helfen.« Skellin lächelte schief. »Ich fürchte, dein Ruf als Freund von Magiern ist nicht annähernd so aufregend wie die Realität, Cery.«
»So ist das mit dem Ruf. Im Allgemeinen.«
Skellin nickte. »In der Tat. Nun, ich habe unser Gespräch genossen und meine Angebote gemacht. Wir sind zumindest zu einer Übereinkunft gelangt. Ich hoffe, wir werden mit der Zeit zu einer weiteren kommen.« Er stand auf. »Danke, dass du dich mit mir getroffen hast, Cery von der Nordseite.«
»Danke für die Einladung. Viel Glück bei der Suche nach dem Jäger.«
Skellin lächelte, nickte höflich, drehte sich dann um und schlenderte den gleichen Weg zurück, über den er gekommen war. Cery beobachtete ihn einen Moment lang, dann warf er noch einen schnellen Blick auf die Statue. Es war wirklich kein gutes Abbild.
»Wie ist es gelaufen?«, murmelte Gol, als Cery sich wieder zu ihm gesellte.
»Wie erwartet«, antwortete Cery. »Nur dass…«
»Nur dass?«, wiederholte Gol, als Cery den Satz nicht beendete.
»Wir sind übereingekommen, Informationen über den Jäger der Diebe auszutauschen.« »Dann gibt es ihn also wirklich?«
»Das glaubt Skellin.« Cery zuckte die Achseln. Sie überquerten die Straße und gingen auf Wildwegen zu. »Das war jedoch nicht das Seltsamste.«
»Tatsächlich?«
»Er hat gefragt, ob Akkarin mich Magie gelehrt habe.« Gol schwieg einen Moment lang. »Aber das ist eigentlich nicht so seltsam. Faren hat Sonea versteckt, bevor er sie der Gilde auslieferte, und zwar in der Hoffnung, dass sie Magie für ihn wirken würde. Skellin muss alles darüber gehört haben.«
»Glaubst du, er hätte gern seinen eigenen Schoßmagier?«
»Sicher. Obwohl er dich natürlich nicht in Dienst würde nehmen wollen, da du ein Dieb bist. Vielleicht denkt er, er könnte durch dich die Gilde um Gefälligkeiten bitten.«
»Ich habe ihm gesagt, ich hätte Sonea seit Jahren nicht mehr gesehen.« Cery verzog das Gesicht. »Wenn ich sie das nächste Mal treffe, werde ich vielleicht fragen, ob sie einem meiner Diebesfreunde helfen würde, nur um den Ausdruck auf ihrem Gesicht zu sehen.«
In der Gasse vor ihnen erschien eine Gestalt, die auf sie zugeeilt kam. Cery verlangsamte seine Schritte und registrierte dabei die möglichen Ausgänge und Verstecke um sie herum.
»Du solltest ihr sagen, dass Skellin Erkundigungen einholt«, riet Gol ihm. »Er könnte versuchen, jemand anderen anzuwerben. Und es könnte funktionieren. Nicht alle Magier sind so unbestechlich wie Sonea.« Auch Gol wurde jetzt langsamer. »Das ist… das ist Neg.«
Der Erleichterung darüber, dass es kein weiterer Angreifer war, folgte Sorge. Neg hatte Cerys Hauptversteck bewacht. Das tat er lieber, als durch die Straßen zu streifen, da freie Flächen ihn nervös machten.
Etwas auf seinem Gesicht leuchtete selbst im schwachen Straßenlicht, und Cery spürte, wie sein Herz ihm in die Hose, nein, in die Schuhe rutschte. Ein Verband. Neg keuchte, als er die beiden anderen Diebe erreichte.
»Was ist los?«, fragte Cery mit einer Stimme, die er kaum als seine erkannte.
»T… tut mir leid«, keuchte Neg. »Schlimme Neuigkeiten.« Er holte tief Luft, dann stieß er den Atem heftig aus und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht, wie ich es dir sagen soll.«
»Sag es«, befahl Cery.
»Sie sind tot. Alle. Selia. Die Jungen. Hab nicht gesehen, wer. Sind an allem vorbeigekommen. Weiß nicht, wie. Kein Schloss aufgebrochen. Als ich zu mir kam…«
Während Neg weiterredete, sich entschuldigte und erklärte und seine Worte sich überschlugen, erfüllte ein Rauschen Cerys Ohren. Sein Verstand versuchte einen Moment lang, eine andere Erklärung zu finden. Er muss sich irren. Er hat sich den Kopf angeschlagen und leidet an Wahnvorstellungen. Er hat es geträumt.
Aber er zwang sich, sich der wahrscheinlichen Wahrheit zu stellen. Was er jahrelang gefürchtet hatte – was ihn in Albträumen verfolgt hatte –, war geschehen.
Jemand hatte es an all den Schlössern und Wachen und Schutzvorrichtungen vorbeigeschafft und seine Familie ermordet.
2
Fragwürdige Verbindungen
Es war weit vor der Zeit, zu der sie normalerweise erwachte. Der Morgen würde erst in einigen Stunden heraufdämmern. Sonea blinzelte in der Dunkelheit und fragte sich, was sie geweckt hatte. Ein Traum? Oder hatte etwas Reales sie mitten in der Nacht in diesen Zustand plötzlicher Wachsamkeit versetzt?