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Dann hörte sie im Nebenzimmer ein Geräusch, schwach, aber unleugbar.

Mit hämmerndem Herzen und prickelnder Kopfhaut stand sie auf und bewegte sich leise auf die Schlafzimmertür zu. Sie hörte einen Schritt hinter der Tür, dann noch einen. Eine Hand auf die Klinke gelegt, zog sie Magie in sich hinein, riss einen Schild empor und holte tief Luft.

Die Klinke drehte sich lautlos. Sonea zog die Tür ein klein wenig auf und spähte hindurch. Im schwachen Mondlicht, das zwischen den Fensterläden ins Gästezimmer fiel, sah sie eine Gestalt auf und ab gehen. Männlich, eher klein von Wuchs und eindeutig vertraut. Erleichterung durchflutete sie.

»Cery«, sagte sie und zog die Tür ganz auf. »Wer sonst würde es wagen, sich mitten in der Nacht in meine Räume zu schleichen?«

Er drehte sich zu ihr um. »Sonea«, sagte er. Er atmete tief durch, sagte aber sonst nichts mehr. Eine lange Pause folgte, und Sonea runzelte die Stirn. Es sah ihm nicht ähnlich zu zögern. War er gekommen, um einen Gefallen zu erbitten, von dem er wusste, dass er ihr nicht gefallen würde?

Sie konzentrierte sich und schuf eine kleine Lichtkugel, gerade groß genug, um den Raum mit einem sanften Schein zu erfüllen. Einen Moment lang stockte ihr der Atem. Sein Gesicht war voller tiefer Falten. Die Jahre der Gefahr und der Sorge eines Lebens als Dieb hatten ihn schneller altern lassen als jeden anderen, den sie kannte.

Ich trage selbst jede Menge Spuren meiner Jahre, dachte sie, aber die Schlachten, die ich gekämpft habe, waren nur kleinliche Zankereien zwischen Magiern; ich brauchte nicht in der kompromisslosen und häufig grausamen Unterwelt zu überleben.

»Also… was führt dich mitten in der Nacht in die Gilde?«, fragte sie, während sie ins Gästezimmer trat.

Er betrachtete sie nachdenklich. »Du fragst mich nie, wie ich unbemerkt hier hereinkomme.«

»Ich will es gar nicht wissen. Ich will das Risiko nicht eingehen, dass jemand anderer es erfahren könnte, für den unwahrscheinlichen Fall, dass ich jemandem erlauben muss, meine Gedanken zu lesen.«

Er nickte. »Ah. Wie laufen die Dinge hier?«

Sie zuckte die Achseln. »Wie immer. Reiche und arme Novizen zanken sich. Und jetzt, da einige der ehemals armen Novizen ihren Abschluss gemacht haben und Magier geworden sind, haben wir Gezänk auf einer neuen Ebene. Eins, das wir ernst nehmen müssen. In wenigen Tagen werden wir eine Versammlung haben, bei der wir die Abschaffung der Regel überdenken, nach der es Novizen und Magiern verboten ist, Umgang mit Verbrechern oder Personen von schlechtem Ruf zu pflegen. Wenn die Zusammenkunft Erfolg hat, werde ich nicht länger eine Regel brechen, wenn ich mit dir rede.«

»Ich kann dann durchs Vordertor kommen und offiziell um eine Audienz ersuchen?«

»Ja. Nun, das ist ein Szenario, das den Höheren Magiern einige schlaflose Nächte bescheren wird. Ich wette, sie wünschten, sie hätten den unteren Klassen niemals gestattet, der Gilde beizutreten.«

»Wir haben immer gewusst, dass sie es bereuen würden«, sagte Cery. Er seufzte und wandte den Blick ab. »Ich wünsche mir langsam, die Säuberungen hätten niemals aufgehört.«

Sonea runzelte die Stirn und verschränkte die Arme vor der Brust; ein Stich des Ärgers und der Ungläubigkeit durchzuckte sie. »Das ist doch gewiss nicht dein Ernst.«

»Alles hat sich zum Schlechteren gewendet.« Er trat an ein Fenster und sah hinaus. Doch es wurde nichts sichtbar als die Dunkelheit dahinter.

»Und das liegt daran, dass die Säuberung aufgehört hat?« Sie betrachtete mit schmalen Augen seinen Rücken. »Es hat nichts mit einem gewissen neuen Laster zu tun, das das Leben so vieler Menschen in Imardin zerstört, reicher wie armer?«

»Feuel?«

»Ja. Die Säuberung hat Hunderte getötet, aber Feuel hat Tausende geholt – und noch mehr versklavt.« Jeden Tag sah sie die Opfer in ihren Hospitälern. Nicht nur jene, die den Verlockungen der Droge verfallen waren, sondern auch deren verzweifelte Eltern, Ehegatten, Geschwister, Kinder und Freunde.

Und nach allem, was ich weiß, könnte Cery einer der Diebe sein, die es importieren und verkaufen, konnte sie nicht umhin zu denken, und das nicht zum ersten Mal.

»Es heißt, es würde dafür sorgen, dass man aufhört, Anteil an den Dingen zu nehmen«, sagte Cery leise und wandte ihr das Gesicht zu. »Keine Probleme oder Sorgen mehr. Keine Furcht. Keine… Trauer.«

Seine Stimme brach beim letzten Wort, und plötzlich spürte Sonea, dass all ihre Sinne schärfer wurden.

»Was ist passiert, Cery? Warum bist du hergekommen?«

Er holte tief Luft. Stieß den Atem langsam wieder aus. »Meine Familie«, antwortete er, »ist heute Nacht ermordet worden.«

Sonea zuckte zurück. Die Schärfe eines schrecklichen Schmerzes traf sie wie ein Dolchstoß und erinnerte sie daran, dass manche Verluste niemals vergessen werden konnten – oder vergessen werden sollten. Aber sie hielt sich zurück. Sie würde Cery keine Hilfe sein, wenn sie sich von diesem Gefühl verzehren ließ. Er wirkte so verloren. In seinen Augen standen unverhohlener Schock und Qual. Sie ging auf ihn zu und zog ihn in die Arme. Er versteifte sich einen Moment lang, dann entspannte er sich.

»Es gehört zum Leben eines Diebs«, sagte er. »Du tust alles, was du kannst, um deine Leute zu beschützen, aber es besteht immer Gefahr. Vesta hat mich verlassen, weil sie nicht damit leben konnte. Es nicht ertragen konnte, eingesperrt zu sein. Selia war stärker. Mutiger. Nach allem, was sie ertragen hat, hat sie es nicht verdient… und die Jungen…«

Vesta war Cerys erste Frau gewesen. Sie war klug gewesen, aber widerspenstig und aufbrausend. Mit Wutanfällen hatte man bei ihr immer rechnen müssen. Selia hatte erheblich besser zu ihm gepasst, sie war ruhig gewesen und hatte die stille Weisheit eines Menschen besessen, der die Welt mit offenen und versöhnlichen Augen betrachtete. Sonea hielt ihn im Arm, während er von Schluchzen geschüttelt wurde. Auch ihre eigenen Augen füllten sich mit Tränen. Kann ich mir vorstellen, wie es sein muss, ein Kind zu verlieren? Ich kenne die Angst, alles zu verlieren, aber nicht den Schmerz des tatsächlichen Verlustes. Ich denke, es wäre schlimmer, als ich es mir jemals vorstellen könnte. Zu wissen, dass die eigenen Kinder niemals erwachsen werden… Nur… was war mit seinem anderen Kind? Obwohl sie inzwischen bereits erwachsen sein musste.

»Geht es Anyi gut?«, fragte sie.

Cery war einen Moment lang ganz ruhig, dann löste er sich von ihr. Seine Miene war angespannt. »Ich weiß es nicht. Nachdem Vesta und Anyi gegangen waren, habe ich die Leute glauben lassen, mir läge nichts mehr an ihnen, zu ihrem eigenen Schutz – obwohl ich gelegentlich dafür gesorgt habe, dass Anyi und ich einander über den Weg gelaufen sind, so dass sie mich zumindest weiterhin erkennen würde.« Er schüttelte den Kopf. »Wer immer das getan hat, hat die besten Schlösser überwunden, die man mit Geld kaufen kann, und Leute, denen ich uneingeschränkt vertraut habe. Der Betreffende hat seine Hausaufgaben gemacht. Er könnte von ihr wissen. Aber er weiß vielleicht nicht, wo sie sich aufhält. Wenn ich nach ihr sehe, könnte ich ihn zu ihr führen.«

»Kannst du ihr eine Warnung zukommen lassen?«

Er runzelte die Stirn. »Ja. Vielleicht…« Er seufzte. »Ich muss es versuchen.«

»Was wirst du ihr raten?«

»Sich zu verstecken.«

»Dann wird es keine Rolle spielen, ob du den Mörder zu ihr führst oder nicht, nicht wahr? Sie wird sich ohnehin verstecken müssen.«

Er wirkte nachdenklich. »Ja, wahrscheinlich.«

Sonea lächelte, als ein Ausdruck der Entschlossenheit seine Züge verhärtete. Sein ganzer Körper war jetzt angespannt vor Zielstrebigkeit. Er sah sie an, und ein entschuldigender Ausdruck trat in seine Züge.