Выбрать главу

»Geh nur«, sagte sie. »Und warte beim nächsten Mal nicht so lange, bis du mich besuchst.«

Er brachte ein schwaches Lächeln zustande. »Ich verspreche es. Oh. Da ist noch etwas anderes. Es ist vermutlich keine große Sache, aber ich schätze, einer der anderen Diebe, Skellin, hätte gern seinen eigenen Magier. Er ist ein Feuel-Lieferant, daher solltest du besser hoffen, dass keiner von deinen Magiern eine Schwäche für das Zeug hat.«

»Sie sind nicht meine Magier, Cery«, rief sie ihm ins Gedächtnis, und das nicht zum ersten Mal.

Statt mit seinem gewohnten Grinsen antwortete er mit einer Grimasse. »Ja. Wie dem auch sei. Wenn du nicht wissen willst, wie ich hierher und wieder fortkomme, solltest du besser den Raum verlassen.«

Sonea verdrehte die Augen, dann ging sie auf die Schlafzimmertür zu. Bevor sie sie hinter sich schloss, drehte sie sich noch einmal um. »Gute Nacht, Cery. Das mit deiner Familie tut mir so leid, und ich hoffe, dass Anyi lebt und nicht in Gefahr ist.«

Er nickte, dann schluckte er. »Das hoffe ich auch.«

Dann schloss sie die Tür hinter sich und wartete. Aus dem Gästezimmer kamen einige leise Geräusche, und wenige Augenblicke später war alles still. Sie zählte bis hundert, dann öffnete sie die Tür abermals. Cery war spurlos verschwunden.

Inzwischen dämmerte es bereits, und Sonea spähte zwischen den Läden hindurch nach draußen, wo im ersten Morgenlicht Gestalten und Formen gerade erkennbar wurden. War das die mächtige Silhouette der Residenz des Hohen Lords, oder bildete sie sich das nur ein? So oder so, bei dem Gedanken daran überlief sie ein Schauer.

Hör auf damit. Er ist nicht dort.

Balkan hatte die letzten zwanzig Jahre dort gelebt. Sie hatte sich oft gefragt, ob er sich vom Schatten des ehemaligen Bewohners der Residenz verfolgt fühlte, doch sie hatte nie gefragt, denn sie war davon überzeugt, dass eine solche Frage taktlos gewesen wäre.

Er ist oben auf dem Hügel. Hinter dir.

Sie drehte sich um, den Blick durch die Wände ihrer Zimmer hindurch in die Ferne gerichtet, und in ihrer Fantasie sah sie auf dem Friedhof die neuen glänzenden, weißen Grabsteine zwischen den alten grauen aufragen. Eine alte Sehnsucht machte sich in ihr breit, aber sie zögerte. Sie hatte heute viel zu tun. Doch es war noch früh – die Dämmerung hatte gerade erst begonnen. Ihr blieb noch Zeit genug. Und es war schon eine Weile her. Cerys schreckliche Nachricht erfüllte sie mit dem Verlangen zu… was zu tun? Vielleicht, seinen Verlust anzuerkennen, indem sie sich an ihren eigenen erinnerte. Sie musste mehr tun, als nur dem gewohnten Alltagstrott zu folgen und vorzugeben, es sei nichts Schreckliches geschehen.

Nachdem sie in ihr Schlafzimmer zurückgekehrt war, wusch sie sich hastig und kleidete sich an, dann warf sie sich einen Umhang um die Schultern, Schwarz über Schwarz. Schließlich schlüpfte sie durch die Haupttür zu ihrem Zimmer und ging so leise sie konnte durch den Flur der Magierquartiere bis zum Eingang. Dort verließ sie das Gebäude und machte sich auf den Weg zum Friedhof.

Seit sie vor über zwanzig Jahren mit Lord Rothen zum ersten Mal dort gewesen war, hatte man neue Pfade angelegt. Das Unkraut wurde gejätet, aber der Wall schützender Bäume rund um die äußeren Gräber war unverändert geblieben. Sie betrachtete die glatten Quader der neueren Grabsteine. Bei der Errichtung einiger von ihnen war sie dabei gewesen. Wenn ein Magier starb, wurde jedwede Magie, die in seinem oder ihrem Körper verblieben war, freigelassen, und wenn genug davon vorhanden war, wurde der Leichnam davon verzehrt. Also waren die alten Gräber ein Rätsel gewesen. Wenn es keine Leiche zu begraben gab, warum waren dann Gräber hier?

Die Wiederentdeckung schwarzer Magie hatte diese Frage beantwortet. Die letzte Magie dieser altertümlichen Magier war von einem Schwarzmagier aufgesogen worden, und so war eine Leiche zurückgeblieben, die man begraben konnte.

Jetzt, da schwarze Magie nicht länger ein Tabu war – obwohl strikt kontrolliert –, waren Begräbnisse wieder in Mode gekommen. Die Aufgabe, die letzte Magie eines Magiers in sich aufzunehmen, fiel den beiden Schwarzmagiern der Gilde zu, ihr und Schwarzmagier Kallen.

Sonea fand, dass sie, wenn sie beim Tod eines Magiers seine letzte Macht genommen hatte, auch bei der Beerdigung zugegen sein sollte. Ich frage mich, ob Kallen sich auf gleiche Weise verpflichtet fühlt, wenn ein Magier ihn auswählt. Sie ging zu einem schlichten, schmucklosen Stein und trocknete mit magischer Hitze den Tau auf einer Ecke, so dass sie sich setzen konnte. Ihr Blick fand den in den Stein gemeißelten Namen. Akkarin. Es hätte dich erheitert zu sehen, wie viele der Magier, die so vehement dagegen waren, die Benutzung schwarzer Magie wiederzubeleben, am Ende darin Zuflucht suchen, damit ihr Fleisch nach ihrem Tod im Boden verwesen kann. Vielleicht wärst du wie ich zu dem Schluss gekommen, dass es für einen Magier passender sei, seinen Körper von seiner letzten Magie verzehren zu lassen, und – sie betrachtete den zunehmend kunstvoller werdenden Schmuck auf den neuen Gräbern der Gilde – beträchtlich weniger kostspielig.

Sie las die Worte auf dem Grabstein, auf dem sie saß. Ein Name, ein Titel, ein Hausname, ein Familienname. Später waren in kleinen Buchstaben die Worte »Vater von Lorkin« ergänzt worden. Doch ihr eigener Name war nicht erwähnt. Und wird es niemals werden, solange deine Familie etwas damit zu tun hat, Akkarin. Aber zumindest haben sie deinen Sohn akzeptiert.

Sie schob ihre Verbitterung beiseite, dachte für eine Weile an Cery und dessen Familie und überließ sich der Trauer und dem Schmerz des Mitleids. Gestattete den Erinnerungen zurückzukehren, von denen einige willkommen waren, andere nicht. Nach einer Weile riss sie das Geräusch von Schritten aus ihren Gedanken, und sie stellte fest, dass inzwischen die Sonne aufgegangen war.

Langsam drehte sie sich zu dem Besucher um und lächelte, als sie Rothen auf sich zukommen sah. Einen Moment lang war sein runzliges Gesicht eine Maske der Sorge, dann entspannte es sich zu einem Ausdruck der Erleichterung.

»Sonea«, sagte er, bevor er innehielt, um wieder zu Atem zu kommen. »Ein Bote hat nach dir gesucht. Niemand wusste, wo du warst.«

»Und ich wette, das hat eine Menge unnötigen Wirbel und Aufregung verursacht.«

Er sah sie stirnrunzelnd an. »Dies ist kein guter Zeitpunkt, um die Gilde an ihrem Vertrauen zu einer gemeingeborenen Magierin zweifeln zu lassen, Sonea, wenn man an die Veränderung der Regeln denkt, die in Kürze vorgeschlagen werden soll.«

»Gibt es jemals einen guten Zeitpunkt dafür?« Sie erhob sich und seufzte. »Außerdem habe ich gerade doch nicht die Gilde zerstört und alle Kyralier zu Sklaven gemacht, nicht wahr? Ich habe nur einen Spaziergang unternommen. Überhaupt nichts Finsteres.« Sie sah ihn an. »Ich habe die Stadt seit zwanzig Jahren nicht verlassen, und das Gelände der Gilde verlasse ich nur, um in Hospitälern zu arbeiten. Ist das nicht genug?«

»Für einige Leute nicht. Und gewiss nicht für Kallen.«

Sonea zuckte die Achseln. »Das erwarte ich von ihm. Es ist seine Aufgabe.« Sie legte eine Hand um seinen Ellbogen, und gemeinsam gingen sie den Pfad wieder hinunter.

»Macht Euch wegen Kallen keine Sorgen, Rothen. Mit dem werde ich schon fertig. Außerdem würde er es nicht wagen, sich darüber zu beschweren, dass ich Akkarins Grab besuche.«

»Du hättest Jonna eine Nachricht hinterlassen und ihr mitteilen sollen, wo du hinwolltest.«

»Ich weiß, aber solche Besuche macht man ja meist ziemlich spontan.«

Er sah sie an. »Geht es dir gut?«

Sie lächelte. »Ja. Ich habe einen Sohn, der lebt und sich prächtig macht, Hospitäler in der Stadt, in denen ich ein wenig Gutes tun kann, und Euch. Was brauche ich mehr?«

Er hielt inne, um nachzudenken. »Einen Ehemann?«

Sie lachte. »Ich brauche keinen Ehemann. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob ich einen will. Ich dachte, ich würde mich einsam fühlen, nachdem Lorkin bei mir ausgezogen ist, aber ich stelle fest, dass es mir gefällt, ein wenig mehr Zeit für mich zu haben. Ein Ehemann wäre… im Weg.«