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»Beriya.« Er sprach ihren Namen, beinahe ohne es zu wollen, und sofort hasste er die Art, wie es geklungen hatte, ein schwaches, jämmerliches Ächzen.

»Setz dich doch zu uns«, lud Dekker sie ein.

Nein, hätte Lorkin gern gesagt, aber er war angeblich über Beriya hinweg. Es war zwei Jahre her, seit ihre Familie sie nach Elyne gebracht hatte. Als sie Platz nahm, wandte er den Blick ab, als habe er kein Interesse an ihr, und versuchte, die Muskeln zu entspannen, die sich beim ersten Klang ihrer Stimme versteift hatten. Und es waren die meisten seiner Muskeln betroffen.

Sie war die erste Frau, in die er sich verliebt hatte – und bisher auch die einzige. Sie hatten sich bei jeder Gelegenheit getroffen, offen und insgeheim. Sie war jeden wachen Augenblick in seinen Gedanken gewesen, und sie hatte behauptet, ihr gehe es umgekehrt genauso. Er hätte alles für sie getan.

Einige Leute hatten sie ermutigt, andere hatten halbherzige Versuche unternommen, um ihm zu helfen, mit den Füßen auf dem Boden zu bleiben – zumindest soweit es seine magischen Studien betraf. Das Problem war, es gab keinen Grund, warum seine Mutter oder Beriyas Familie etwas gegen die Verbindung hätte haben können. Und es stellte sich heraus, dass er der Typ Mann war, der in der Liebe derart aufging, dass kein noch so großes Maß an Mitgefühl oder strengen Belehrungen, nicht einmal von Lord Rothen, den er wie einen Lieblingsgroßvater respektierte und liebte, ihn in der Realität hatte verankert halten können. Alle hatten beschlossen zu warten, bis er so weit wieder bei Verstand war, dass er sich auf etwas anderes als Beriya konzentrieren konnte, um ihm dann zu helfen, Versäumtes nachzuholen.

Irgendwann hatte ihre Cousine sie jedoch zusammen im Bett erwischt, und ihre Familie hatte darauf bestanden, dass die beiden jungen Leute so bald wie möglich heiraten sollten. Es spielte keine Rolle, dass er als Magier eine Schwangerschaft verhindern konnte. Wenn sie nicht heirateten, würde jeder künftige Verehrer sie als »besudelt« betrachten.

Lorkin und seine Mutter waren einverstanden gewesen. Es war Beriya, die nicht mitspielte. Sie hatte sich außerdem geweigert, ihn zu sehen. Als es ihm eines Tages endlich gelungen war, ihr aufzulauern, hatte sie ihm erklärt, dass sie ihn nie geliebt habe. Dass sie ihn ermutigt habe, weil sie gehört hätte, dass Magier Liebe machen könnten, ohne Gefahr zu laufen, ein Kind zu zeugen. Dass es ihr leidtue, ihn belogen zu haben.

Seine Mutter hatte ihm gesagt, dass die schreckliche Art, wie er sich fühlte, ihm eine winzige Ahnung vermittele, wie es ein Nichtmagier empfinde, krank zu sein. Die beste Kur seien Zeit und die Freundlichkeit von Familie und Freunden. Und dann hatte sie einige Worte benutzt, um Beriyas Verhalten zu beschreiben, die er in der Gesellschaft der meisten Leute, die er kannte, nicht hätte wiederholen können.

Glücklicherweise hatte Beriyas Familie sie nach Elyne gebracht, so dass sie außer Sichtweite gewesen war, als sein Schmerz so weit abgeklungen war, dass er wütend werden konnte. Er hatte geschworen, sich nicht noch einmal zu verlieben, aber als ein Mädchen in seiner Alchemieklasse Interesse bekundet hatte, war seine Entschlossenheit ins Wanken geraten. Er schätzte ihre praktische Natur. Sie war alles, was Beriya nicht gewesen war. Und in der kyralischen Kultur gab es eine seltsame Scheinheiligkeit: Niemand erwartete von weiblichen Magiern, dass sie keusch blieben. Als ihm klar geworden war, dass er sie nicht liebte, war sie zutiefst in ihn vernarrt gewesen. Er hatte alles in seiner Kraft Stehende getan, um diese Liebelei so sanft wie möglich zu beenden, aber er wusste, dass sie jetzt einen tiefen Groll gegen ihn hegte.

Liebe, hatte er befunden, war eine unerfreuliche Angelegenheit.

Beriya ging zu einem Stuhl hinüber und ließ sich anmutig darauf niedersinken. »Also, wer langweilt sich?«, fragte sie.

Während die anderen es bestritten, dachte Lorkin über sie und die Lektionen nach, die er gelernt hatte. Im vergangenen Jahr war er einigen Frauen begegnet, die sowohl gute Kameradinnen als auch gute Geliebte waren, die aber nicht mehr wollten als das. Er hatte festgestellt, dass er diese Art von Begegnungen bevorzugte. Die ständigen Verführungen, auf die Dekker aus war und die nur mit Kränkungen und Skandalen – oder Schlimmerem – endeten, hatten keinen Reiz für ihn. Und die zuneigungslose Ehe, zu der Reater von seinen Eltern gezwungen worden war, klang wie sein schlimmster Albtraum.

Vaters Familie hat jetzt schon seit einer ganzen Weile nicht mehr versucht, eine Braut für mich zu finden. Vielleicht fangen sie an zu begreifen, wie viel Vergnügen es Mutter bereitet, all ihre Pläne für mich zu durchkreuzen. Obwohl ich mir sicher bin, dass sie nichts hintertreiben würde, wenn ich es wollte.

Er richtete seine Gedanken wieder auf die Gegenwart, während sich das Gespräch den Taten gemeinsamer Freunde von Beriya und Dekker zuwandte. Lorkin lauschte und ließ den Nachmittag an sich vorbeirauschen. Irgendwann brachen die beiden Heiler auf, um eine neue Rennbahn zu besuchen, und Beriya machte sich auf den Weg, um einige Kleider anzuprobieren. Dekker, Sherran und Jalie brachen zu Fuß zu den Häusern ihrer Familien auf, die in der gleichen Hauptstraße des Inneren Rings lagen, so dass Lorkin allein in die Gilde zurückkehrte.

Während er durch die Straßen des Inneren Rings ging, besah Lorkin sich nachdenklich die prächtigen Gebäude. Dies war sein Leben lang sein Zuhause gewesen. Er hatte niemals außerhalb dieses Ortes gelebt. Niemals war er in einem fremden Land gewesen. Er hatte nicht einmal die Stadt je verlassen. Vor sich konnte er die Tore der Gilde sehen.

Sind sie für mich die Gitterstäbe eines Gefängnisses oder eine Mauer, um die Gefahr fernzuhalten? Dahinter war die Vorderfront der Universität zu sehen, wo seine Eltern einst in einer letzten verzweifelten Schlacht gegen sachakanische schwarze Magier gekämpft hatten. Diese Magier waren nur Ichani, die sachakanische Version von kriminellen Ausgestoßenen. Wie hätte die Schlacht damals geendet, wären sie Ashaki gewesen, noble Krieger, die schwarze Magie benutzten? Wir können von Glück sagen, diese Schlacht gewonnen zu haben. Das weiß jeder. Schwarzmagier Kallen und meine Mutter wären vielleicht nicht in der Lage, uns zu retten, sollten die Sachakaner sich jemals für einen richtigen Krieg entscheiden.

Eine vertraute Gestalt näherte sich von innen den Toren und entlockte Lorkin unwillkürlich ein Lächeln. Er kannte Lord Dannyl durch seine Mutter und Lord Rothen. Es war eine Weile her, seit er den Historiker das letzte Mal gesehen hatte. Wie immer trug Dannyl ein leicht geistesabwesendes Stirnrunzeln zur Schau, und Lorkin wusste, dass der ältere Magier durchaus an ihm vorbeigehen konnte, ohne ihn zu sehen.

Lord Dannyl, rief Lorkin, wobei er seine Gedankenstimme leise hielt. Gedankenrede wurde missbilligt, da alle Magier sie hören konnten – Freunde wie Feinde. Aber den Namen eines anderen Magiers zu rufen wurde als sicher betrachtet, da man damit einem eventuellen Lauscher gegenüber nur wenig an Information preisgab.

Der hochgewachsene Magier blickte auf und sah Lorkin, und sein Stirnrunzeln verschwand. Sie gingen aufeinander zu und trafen sich am Eingang der Straße, in der Dannyl lebte.

»Lord Lorkin. Wie geht es Euch?«

Lorkin zuckte die Achseln. »Recht gut. Wie machen sich Eure Forschungen?«

Dannyl blickte auf das Bündel hinab, das er in Händen hielt. »Die Große Bibliothek hat einige Unterlagen an mich weitergeleitet, von denen ich gehofft hatte, dass sie mir weitere Einzelheiten über den Zustand von Imardin nach Tagins Tod liefern würden.«

Lorkin konnte sich nicht daran erinnern, wer Tagin war, aber er nickte trotzdem. Dannyl war schon so lange ganz und gar mit seiner Geschichte der Magie beschäftigt, dass er häufig vergaß, dass andere mit den Einzelheiten nicht so vertraut waren wie er. Es muss eine Erleichterung sein zu wissen, welchem Ziel man sein Leben widmen will, dachte Lorkin. Keine dieser Fragen, was man mit sich anfangen soll.