Выбрать главу

»Ich weiß«, seufzte Mike. »Noch etwas: Sehen Sie sich die Insel noch einmal genauer an. In diesem See gibt es ein paar ... seltsame Strömungen. Und das Wasser ist zu heiß.«

Er schaltete ab. Nachdem er das Gerät wieder eingesteckt hatte und sich herumdrehte, begegnete er Delameres Blick. Der Belgier sah verwirrt drein, aber auch ein bisschen erschrocken. »Das mit dem Wasser ist dir aufgefallen?«, fragte er. »Das wundert mich.«

»Mich wundert es, dass es Ihnennichtaufgefallen ist«, sagte Mike. »Der Säuregehalt ist ziemlich hoch. Und es ist viel zu heiß. Wenn Sie mich fragen, dann ist diese ganze Insel ein Pulverfass.« »Ich glaube, davon verstehe ich mehr als du, mein Junge«, sagte Jacques. »Es rumpelt ein bisschen, aber das ist auch schon alles.« Dasbisschen Rumpelnhätte die NAUTILUS um ein Haar vernichtet, und es hatte zwei von Delameres Freunden bereits das Leben gekostet, dachte Mike. Er verstand nicht, wieso der Belgier die Sache so auf die leichte Schulter nahm.

Trautmans Schätzung erwies sich als ziemlich genau. Sie brauchten annähernd zwei Stunden, um den Berg zu umrunden und auf der anderen Seite bis zum Gipfel hinaufzusteigen, und der Weg erwies sich als äußerst mühsam. Es gab zwar auch auf dieser Seite so gut wie keine Vegetation, aber das Gehen auf der spiegelglatten Lava war äußerst kräftezehrend. Und als wäre das allein nicht schlimm genug, zitterte die Erde in unregelmäßigen Abständen; einmal so stark, dass sie alle drei den Halt verloren und etliche Meter den Hang wieder hinabschlitterten, den sie sich gerade erst mühsam hinaufgekämpft hatten. Als sie endlich den Gipfel erreichten, stand die Sonne nur noch eine Handbreit über dem Horizont. Der Anblick, der sich ihnen bot, war faszinierend und erschreckend zugleich.

Nach allem, was Delamere erzählt und sie selbst erlebt hatten, hatte Mike einen weit größeren Krater erwartet; und einen, der mit glühender Lava gefüllt war. Der See war jedoch eher klein und maß allerhöchstens zwanzig oder dreißig Meter und er war nicht mit Lava gefüllt, sondern mit brodelndem, dickflüssigem Wasser von unheimlicher grüner Färbung. Blassgrüner Dampf stieg von seiner Oberfläche empor und der Geruch war fast unerträglich. Dann und wann löste sich ein Stein vom Kraterrand, hüpfte hinunter und klatschte ins Wasser und die erstarrte Lava unter ihren Füßen war während der letzten halben Stunde immer wärmer geworden. »Und Sie sind sicher, dass uns nicht gleich die ganze Insel um die Ohren fliegt?«, vergewisserte sich Mike. »Sicher kann man bei einem Vulkan nie sein«, antwortete Jacques. »Aber es sieht schlimmer aus, als es ist. Ich glaube nicht, dass wir einen Ausbruch erwarten müssen. Wenigstens nicht in den nächsten paar Stunden.«

Mike hoffte, dass Jacques mit dieser Aussage ausnahmsweise einmal richtig lag. Der Anblick desKratersjedenfalls trug nicht unbedingt zu seiner Beruhigung bei. Der See brodelte und zischte ununterbrochen. Manchmal stiegen große Dampfblasen an seine Oberfläche und zerplatzten; ein Anblick, den Mike noch von einer anderen Gelegenheit her in unangenehmer Erinnerung hatte.

Sie gingen weiter um den Krater zu umrunden. Der Anblick verlor nichts von seiner unheimlichen Wirkung, während sie am Rande des Kraters entlanggingen, aber Mike fiel noch etwas auf. Es war nur eine Kleinigkeit, wahrscheinlich bedeutungslos, aber bemerkenswert: Nicht das gesamte Innere des Kraters bestand aus erstarrter Lava. Ein gutteil des Berges bestand aus ganz normalem Gestein, zwischen dem es hier und da noch Einschlüsse von Erdreich oder Lehm gab. Sonderbarerweise war etliches davon nicht braun oder grau, wie es sein sollte, sondern blau. Mike hatte noch niemals zuvor blauen Ton gesehen und es war ein sehr seltsamer Anblick. Trotzdem

erinnerte er ihn an etwas, ohne dass er genau sagen konnte, woran.

Aber dann hatten sie auch schon die andere Seite des Kraters erreicht, und was sie sahen, nahm Mikes Aufmerksamkeit voll und ganz in Anspruch, sodass er jeden Gedanken an blauen Ton augenblicklich vergaß.

Das Dorf der Pahuma lag weit unter ihnen, genau wie Delamere es prophezeit hatte. Es bestand nur aus einem knappen Dutzend aus Palmblättern und Bambus errichteter Hütten, die sich am Ufer eines kreisrunden Sees gruppierten. Zwei große Feuer brannten und hielten die hereinbrechende Dämmerung zurück. Etliche Gestalten bewegten sich zwischen den Bambushütten hin und her. Mike konnte über die Entfernung nicht genau erkennen, was sie taten, aber sie wirkten ziemlich aufgeregt. »Ihre Freunde sind in der großen Hütte direkt neben dem Feuer, nicht wahr?«, fragte Mike. Delamere sah ihn verblüfft an. »Woher weißt du das?« Mike ignorierte seine Frage. Er konnte nicht darauf antworten, ohne Astaroths Geheimnis zu lüften. Der Kater war vorausgeeilt und hatte sich ein wenig im Dorf umgesehen. Mike wusste bereits, dass die Gefangenen noch unversehrt waren, und auch, dass die Opferzeremonie für Mitternacht geplant war. Sie hatten also noch etwas Zeit.

Er ließ sich in die Hocke hinabsinken und deutete Jacques und Singh dasselbe zu tun. Sollte einer der Pahuma zufällig den Blick heben und nach oben sehen, würden sich ihre Silhouetten deutlich gegen den Horizont abheben.

»Wie kommen wir da rein?«, murmelte Jacques. Mike antwortete auch jetzt nicht, diesmal allerdings, weil er es gar nicht konnte. Sie hatten im Grunde nicht sehr viel gewonnen. Die Strecke hinunter zum Dorf war ebenso frei und deckungslos wie die vom Fuße des Berges hinauf. Die erstarrte Lava bot keine Möglichkeit, ungesehen ins Dorf zu kommen. »Wir müssen warten, bis es dunkel ist«, sagte Singh. »Es wird nicht mehr sehr lange dauern. In der Dunkelheit können wir uns an das Dorf anschleichen.« Jacques widersprach nicht, sondern kroch wortlos ein Stück nach hinten, um vollends in Deckung zu sein, und Mike und Singh folgten ihm. Sie hatten noch eine gute halbe Stunde, ehe es vollkommen dunkel sein würde.

Der ganze Berg zitterte unter ihnen und für einen Moment hörte Mike ein dumpfes, machtvolles Grollen und Rumoren, das tief aus der Erde zu kommen schien. Erschrocken klammerte er sich fest und sah zum Kratersee hinab. Das grün schillernde Wasser bewegte sich hektisch und das Brodeln der aufsteigenden Gasblasen war deutlich stärker geworden. »Das ist nur Kohlensäure«, sagte Delamere. Er hatte seinen Blick bemerkt. »Keine Angst. Es sieht schlimmer aus, als es ist.«

»Für meinen Geschmack ist es schlimm genug«, sagte Mike. »Ich kann die Eingeborenen fast verstehen.« »Wie?«, fragte Jacques irritiert. »Ich sage nicht, dass ich ihnen Recht gebe«, sagte Mike hastig. »Aber sie müssen halb verrückt vor Angst sein. Wenn das alles erst nach Ihrer Ankunft angefangen hat, dann ist es nur verständlich, dass sie Ihnen und Ihren Leuten die Schuld geben.« »Du irrst dich«, antwortete Jacques heftig. »Sie leben seit Jahrhunderten auf dieser Insel. Vielleicht sogar seit Jahrtausenden. Für die Pahuma ist das ganz normal.«

»Ist es auch normal, dass Fremde in ihrer Welt auftauchen und sich an ihrem Berg zu schaffen machen?«

»Ich habe mich nicht daran zu schaffen gemacht, sondern nur einige wissenschaftliche Untersuchungen vorgenommen!«, verteidigte sich der Belgier. »Wofür hältst du mich? Für einen Zauberer, der auf dem linken Bein herumhüpft, den Mond anheult und damit den Vulkan zum Ausbrechen bringt?« »Hört auf, euch zu streiten, ihr zwei«, sagte Singh streng.