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»Sieh nach unten, Ah'Kal«, sagte er mit einer Ruhe in der Stimme, die er mittlerweile nur noch mit äußerster Willensanstrengung aufrechterhalten konnte. »Sieh aufs Meer. Und dann sage noch einmal, dass wir Lügner sind!«

Ah'Kal starrte ihn eine Sekunde lang aus seinen durchdringenden Augen an, dann drehte er sich herum und blickte in die Dunkelheit hinab, dorthin, wo sich der Strand und das Meer in der viel zu früh hereingebrochenen Nacht verbargen. Auch Mike sah in dieselbe Richtung. Nichts geschah. Zehn Sekunden verstrichen, dann zwanzig, schließlich dreißig. Der Strand blieb in vollkommener Schwärze verborgen, die von den glühenden Flammen, die noch immer durch das Meer am Horizont brachen, eher noch verteilt zu werden schien. Und dann, gerade als Mikes Nervosität zu wirklicher Angst zu werden begann, glomm in der Schwärze am Fuß der Vulkaninsel ein unheimliches, grünes Licht auf. Trautman bewies deutlich mehr als nur einen gewissen Sinn für Dramatik, als er die NAUTILUS auftauchen ließ. Noch unter Wasser schaltete das riesige Tauchboot sämtliche Scheinwerfer und Lampen ein, die sich an Bord befanden; mit dem Ergebnis, dass die gesamte Bucht in einem unheimlichen, grünen Licht zu erstrahlen schien, aus dem der Umriss der NAUTILUS ganz allmählich emporwuchs. Sie wirkte in diesem Moment tatsächlich viel mehr wie ein riesenhaftes, mythisches Ungeheuer, das aus einer fremden Welt erschien. Der Turm und der gezackte Rückenkamm des Schiffes tauchten schäumend aus den Wellen auf, und die gleißenden Scheinwerferstrahlen tasteten wie bleiche geisterhafte Finger über den Strand. Es war ein Anblick, der selbst Mike für einen Moment schier den Atem verschlug, obwohl er die NAUTILUS nun wirklich zur Genüge kannte. Und dann geschah noch etwas, und auch wenn sich Mike hinterher sagte, dass es nichts anderes als ein gewaltiger Zufall sein konnte, gab dieser Zufall doch wahrscheinlich den Ausschlag: Der brennende Horizont stieß eine letzte, noch gewaltigere Feuersäule aus und erlosch.

Im selben Augenblick, in dem die NAUTILUS endgültig durch die Wasseroberfläche brach, endete der unterseeische Vulkanausbruch. Das Donnern und Rumoren hörte auf und eine Sekunde darauf zitterte der Boden unter ihren Füßen nicht mehr. Ah'Kal drehte sich langsam zu ihm herum. Auf seinem Gesicht lag ein Ausdruck, den Mike nicht ganz deuten konnte. Er wirkte erschüttert, seltsamerweise aber immer noch misstrauisch. »Nun?«, fragte Mike. Serena machte sich nicht die Mühe, das Wort zu übersetzen, aber Ah'Kal schien seine Bedeutung doch zu erraten. Er deutete auf das Dorf auf der anderen Seite des Kratersees und sagte: »Lasst uns verhandeln.«

Es gab ein großes Hallo und deutliche Erleichterung, als Delamere seine Frau und den Rest der Expedition wieder sah. Trotzdem fiel die Begrüßung merklich kühler aus, als Mike erwartet hatte. Die Pahuma hatten sie in das größte Haus der Hüttensiedlung geführt, einen lang gestreckten Bau, dessen Inneres aus einem einzigen, großen Raum bestand, in dem sich selbst das Dutzend Gefangene fast verlor. Delamere stellte Mike und Singh seinen Begleitern vor und erzählte mit knappen Worten, was geschehen war. Zu Mikes Erleichterung sagte er nicht, von welchem ganz speziellen Unterseeboot er gerettet worden war. Aber das verschob das Problem nur um ein paar Stunden. Mike war immer noch nicht wohl bei dem Gedanken, so vielen Fremden das Geheimnis der NAUTILUS zu enthüllen. Im Augenblick aber hatten sie genug andere Probleme. Der Boden hatte zwar aufgehört zu beben, aber Mike war ziemlich sicher, dass sie nur eine Atempause gewonnen hatten. Und selbst Trautmans bühnenreifer Auftritt hatte nicht zu dem gewünschten Ergebnis geführt: Ah'Kal hatte zwar für den Moment darauf verzichtet, sie alle seinem vermeintlich zürnenden Feuergott zu opfern, war aber keineswegs bereit, mit seinem gesamten Volk die Insel zu verlassen. Er hatte versprochen, den Stammesrat einzuberufen und noch in dieser Nacht über das Schicksal der Fremden zu entscheiden, aber das war auch schon alles. Bis es so weit war, waren Singh und er ebenso eingesperrt worden wie alle anderen. Und was das Schlimmste war: Sie hatten die Hütte kaum betreten, da verstummte das Sprechgerät, mit dem er bisher den Kontakt zur NAUTILUS gehalten hatte. Er schaltete das Gerät ein paar Mal ein und aus, schüttelte es und schlug leicht mit den Fingerknöcheln dagegen, ohne mehr als ein misstönendes Rauschen zu ernten.

»Funktioniert es nicht mehr?« Mike sah hoch und blickte in Delameres Gesicht. Der Belgier war näher gekommen und musterte abwechselnd ihn und das Sprechgerät. »Das wundert mich gar nicht.« »Wieso?«

»Funktionieren diese Apparate genau so wie die normalen Funkgeräte, die wir normalen Menschen benutzen müssen?«, fragte Jacques spöttisch. Die ehrliche Antwort wäre gewesen, dass Mike nicht die geringste Ahnung hatte. Aber er ärgerte sich schon wieder über Delameres spöttischen Ton. Er nickte. »Ich denke schon.«

»Dann ist es ein Wunder, dass es bisher überhaupt funktioniert hat«, sagte Delamere. »Elektromagnetische Störungen. So etwas kommt oft vor, wenn es zu einem wirklich großen Vulkanausbruch kommt. Nicht nur dersichtbareTeil der Natur ist in Aufruhr, weißt du?«

»Damit wären wir ja dann gleich beim Thema«, sagte Singh, noch ehe Mike antworten konnte. »Wie viel Zeit bleibt uns noch?«

Delamere seufzte, verdrehte die Augen und maß Singh mit einem so verächtlichen Blick, dass es schon fast an eine Beleidigung grenzte. »Mein lieber Freund«, sagte er abfällig. »Ich dachte eigentlich, ich hätte mich klar und einigermaßen verständlich ausgedrückt. Offensichtlich ist das wohl nicht der Fall. Deshalb sage ich es noch einmal, ganz langsam und zum Mitschreiben: Ich weiß es nicht. Niemand kann das voraussagen, auch ich nicht. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben wir noch ein bisschen Zeit.« Singhs Gesicht verdüsterte sich. Bevor er jedoch explodieren konnte, trat Delameres Frau zwischen die beiden Kampfhähne, hob besänftigend die linke Hand in Singhs Richtung und legte die andere auf Delameres Schulter.

»Bitte entschuldigen Sie das unmögliche Benehmen meines Mannes, Monsieur ...?« »Singh«, sagte Singh kühl.

»Monsieur Singh«, fuhr Delameres Frau fort. »Mein Mann ist manchmal wirklich sehr unhöflich. Ich fürchte, über all seinen Forschungen vergisst er nur zu oft seine gute Erziehung. Diese Leute haben Kopf und Kragen riskiert, um unsere Leben zu retten. Also wäre es ja wohl das Mindeste, dass du ihnen ihre Frage beantwortest, meinst du nicht auch, Jacques?« Delamere antwortete mit einigen Sätzen in seiner Muttersprache, die Mike nicht verstand, zuckte aber dann mit den Schultern und wandte sich wieder an ihn und Singh. »Nicole hat Recht«, sagte er. »Ich entschuldige mich für mein Benehmen. Aber die Wahrheit ist, dass ich es wirklich nicht weiß. Kommt - ich erkläre es euch.«

Er sah sich suchend in der Runde um, ging schließlich ein paar Schritte weit und ließ sich in die Hocke sinken. »Ich beschäftige mich seit mehr als zehn Jahren mit diesem Teil des Ozeans«, begann er. »Aus vulkanologischer Sicht ist er sehr interessant, obwohl es kaum jemand weiß.« »Wieso?«, fragte Mike.

Delamere malte mit dem Zeigefinger eine Anzahl unregelmäßiger Kreise in den Sand. »Ich habe euch von den Inseln erzählt, erinnert ihr euch?« Er deutete nacheinander auf die krakeligen Kreise. »Sie stellen im Grunde nur den Gipfel eines gewaltigen Gebirges dar, das vom Meeresboden emporragt. Das hier ist die Insel, auf der ihr mich gefunden habt, dies hier ist Hathi, auf der wir uns gerade befinden. Dies « Er deutete auf einen weiteren Kreis. »-dürfte der Punkt sein, an dem der Ausbruch vorhin stattgefunden hat. Wenn die Theorie stimmt, die ich in den letzten zehn Jahren entwickelt habe, dann sind alle diese Berge durch ein riesiges System unterirdischer Lavatunnel miteinander verbunden.« Er streckte die Hand aus und begann die Kreise mit einer krakeligen Linie miteinander zu verbinden.