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»Marlenus soll Verna in die Hände fallen?« fragte Thurnock ungläubig.

»Panthermädchen sind gefährlich«, sagte ich. »Ich glaube nicht, daß Marlenus das weiß. Er ist ein stolzer Mann. Aber das wichtigste Element in Vernas Plan ist, daß Marlenus glaubt, sie habe Talena in der Gewalt. Solange er das annimmt, ist es egal, ob es wirklich zutrifft oder nicht. Wenn der Verkauf also geheim bleibt, könnte sie mir ruhig Talena verkaufen – unabhängig von ihren Plänen mit Marlenus!«

»Vielleicht nimmt sie an, du würdest das Mädchen für eine gute Summe an Marlenus zurückgeben?« meinte Thurnock.

»Wir werden sie überzeugen, daß wir aus Tabor kommen«, sagte ich.

Tabor, dem Namen nach eine von Kaufleuten regierte Insel, mußte es nach Möglichkeit vermeiden, ihren großen Nachbarn Tyros vor den Kopf zu stoßen. Und zwischen Tyros und Ar hatte es seit über einem Jahrhundert böses Blut gegeben. Dementsprechend würde es ein taborischer Händler aus Angst vor Tyros niemals wagen, das Mädchen nach Ar zu verkaufen. Ein solcher Akt hätte einen Krieg auslösen können. Da war die Wahrscheinlichkeit schon größer, daß das Mädchen nach Tyros gebracht wurde – die Tochter des Todfeindes Marlenus, ein Zeichen des guten Willens der Kaufleute aus Tabor.

Die Feindschaft zwischen Tyros und Ar ging in erster Linie auf die tyrischen Zuwendungen für die Voskpiraten zurück, die an der Nordgrenze Ars die Flußschiffahrt heimgesucht hatten. Zur Zeit hatten die Voskpiraten keine Bedeutung mehr für die Wirtschaft Ars, doch die Erinnerungen waren noch lebendig. Der Voskverkehr ist für Ar, das keinen Seehafen hat, überaus wichtig. Die Binnenschiffahrt erweitert die Handelsmöglichkeiten sehr. Zum Unglück für Ar – und wohl zum Glück für die Seemächte des Thassa – ist es fast unmöglich, größere Schiffe durch das Voskdelta zu steuern. So bleibt Ar im wesentlichen eine Landmacht, doch der Flußverkehr auf dem Vosk und im Süden auf dem Cartius – hat große Bedeutung. Daß Tyros im letzten Jahrhundert die Voskpiraten finanzierte, war der Versuch, Ar die Voskmärkte zu nehmen und es von Überlandlieferungen abhängig zu machen, die natürlich zuerst durch die Häfen von Tyros oder anderer Seemächte laufen mußten.

»Wenn du Verna nun nicht überzeugen kannst, daß du aus Tabor bist?« wollte Rim wissen.

Ich zuckte die Achseln. »Wenn der Preis hoch genug ist, mag es Verna gleichgültig sein, ob wir aus Tabor kommen oder nicht.«

»Aber wenn sie überhaupt nicht verkaufen will?« Rim stand am Heckfenster und starrte hinaus.

»Dann bleibt uns keine andere Wahl, als Talena gewaltsam an uns zu bringen.«

»Aber wenn sich Verna und ihre Mädchen das nicht gefallen lassen?«

»Wir haben ausreichend Sklavenketten für Verna und ihre gesamte Bande«, sagte ich.

Rim starrte weiter aus dem Heckfenster der Tesephone. Plötzlich sagte er: »Da ist die Rhoda aus Tyros.«

Ich trat neben ihn. Thurnock starrte uns über die Schulter.

In langsamer Fahrt näherte sich die mittelgroße Galeere aus Tyros den Hafenanlagen Lauras. Ihr gelber Anstrich leuchtete im Abendlicht. Ich beobachtete, wie der Segelbaum heruntergeholt wurde, bis die Leinwand schlaff herabhing und sie entfernt und zusammengelegt werden konnte. Auf dem Deck machte ich Verschanzungen und Katapulte aus. Die Mannschaft bewegte sich zielstrebig. Ich hörte den dumpfen Trommelschlag des Keleustes, der den Rhythmus für die Ruderer angab.

Es war das Schiff aus Tyros, das schon in Lydius neben der Tesephone gelegen hatte – das Schiff, das kurz nach uns losgemacht hatte und uns offenbar gefolgt war.

Es war sicher nicht leicht gewesen, eine solche Galeere so weit flußaufwärts zu führen. Schon die flache Tesephone war unterwegs mehrmals leicht auf Grund gelaufen, so daß wir Stangen einsetzen mußten, um weiterzukommen. Es war interessant, daß der tyrische Kapitän ein solches Schiff nach Laura gebracht hatte. Natürlich erregte die Rhoda im Hafen großes Aufsehen. In Laura waren gewöhnlich nur leichte Galeeren und die schwerfälligen Lastbarken zu sehen, die von den mächtigen Tharlarion vom Ufer aus getreidelt wurden.

»Was hat so ein Schiff in Laura zu suchen?« wandte ich mich an Rim.

»Keine Ahnung.«

»Es wäre nicht undenkbar«, sagte Thurnock, »daß die Leute einfach nur Handel treiben wollen. Vielleicht wollen sie Panther- und Sleenfelle einkaufen.«

»Nein«, sagte ich, »das wäre nicht unmöglich.«

Wir sahen zu, wie die Mannschaft der Rhoda den Männern am Kai Taue zuwarf. Das Schiff war schnell festgemacht.

»Tyros«, sagte ich, »ist mit Ar verfeindet. Sollte Marlenus Verna und ihrer Bande in die Hände fallen, hätte Tyros sicher großes Interesse daran, den Ubar von den Panthermädchen zu kaufen.«

Vielleicht war die Rhoda aus diesem Grund nach Laura gekommen. Ein solcher Schlag wäre für Tyros ein großer Erfolg gewesen.

»Vielleicht sind die Leute aber nicht an Marlenus interessiert«, sagte Rim und sah mich an.

Ich erwiderte verwirrt seinen Blick.

»Wer kann voraussehen, was im Wald passiert?« fragte er.

»Was tun, Kapitän?« wollte Thurnock wissen.

»Wir verfolgen unsere Pläne weiter«, sagte ich.

»Du weißt, was du zu tun hast?« fragte ich Sheera.

»Ja«, sagte sie. Wir befanden uns tief im Wald. In ihrer kurzen, ärmellosen weißen Tunika sah das Panthermädchen wie jede andere gewöhnliche Sklavin aus.

»Deine Handgelenke!« sagte ich.

»Du wirst mich doch nicht fesseln!« rief sie entsetzt. »Dann wäre ich im Wald verloren!«

Ich ließ die Sklavenbänder zuschnappen. So konnte Sheera kaum rennen und schon gar nicht klettern.

»Bedeute ich dir denn gar nichts?« fragte sie.

»Nein.«

»Und unsere Nächte auf dem Schiff?«

»Du bedeutest mir nichts.«

Rim, Thurnock und fünf Männer begleiteten mich. Wir hatten einige Tauschgüter und etwas Gold mitgebracht.

Wir wollten hier unser Lager errichten, das uns mit einem Palisadenzaun vor wilden Tieren und nächtlichen Angriffen der Panthermädchen schützen sollte.

Sheera sah sich niedergeschlagen um. »Vielleicht töten sie mich einfach.«

»Das ist nicht anzunehmen. Panthermädchen werden eine Sklavin immer verkaufen.«

»Aber ich bin Sheera, Vernas Feindin. Wenn sie mich fängt, will sie mich vielleicht umbringen.«

»Das glaube ich nicht. Sie wird dich verkaufen.«

»Dann laß mich jetzt gehen«, sagte sie nervös.

Ich warf einen Blick auf die Sonne. »Dazu ist es noch zu früh.«

Wahrscheinlich brauchten Vernas Mädchen nicht lange, um die Fliehende aufzugreifen. Wir hatten uns keine Mühe gegeben, unser Vorrücken geheimzuhalten oder unsere Spuren zu verwischen. Wahrscheinlich wußte die Bande längst von unserer Gegenwart. Ich hatte vor einer Ahn eine Bewegung im Unterholz gesehen – und das war bestimmt kein Waldpanther gewesen.

Die Männer spitzten Palisadenstämme zu und rammten sie rings um unseren Lagerplatz in den Boden.

Ich setzte mich mit untergeschlagenen Beinen hin, zog einen Pfeil aus dem Köcher und machte mich daran, den Schaft neu zu federn.

Nördlich von Laura liegen mehrere große Sklavengehege. Es hatte fast einen Vormittag lang gedauert, bis Rim, Thurnock und ich den gekennzeichneten Baum gefunden hatten. Wir hatten auch den nächsten Baum entdeckt und die Himmelsrichtung festgelegt. In die Heckkabine der Tesephone zurückgekehrt, waren wir dann genauer als zuvor den Hinweisen der beiden gefangenen Panthermädchen gefolgt und hatten die ungefähre Lage von Vernas Lager auf der Karte eingetragen. Unsere ursprüngliche Schätzung war gar nicht mal so falsch gewesen. Natürlich mußten wir uns dem Lager, sollte es dazu kommen, aus einer anderen Richtung nähern. Und wollten wir das Lager mit Sklavennetzen stürmen, mußten wir das nach leisem Anschleichen tun und aus unerwarteter Richtung schnell und energisch zuschlagen.

Unsere Pläne liefen gut.

Ich dachte an das Sklavenmädchen Tana, das früher Elizabeth Cardwell geheißen hatte, ein Mädchen, das nun in der Taverne des Sapedon in Lydius arbeitete. Sie hatte ihre Entscheidung getroffen. Sie war ein Risiko eingegangen und mußte nun die Folgen tragen. Wahrscheinlich dachte sie öfter an mich, während sie ihre Gäste – bediente.