»Ich habe einen besseren Vorschlag«, sagte Arn.
»Du willst im Lager bleiben«, sagte ich, »und sie überraschen.«
»Ja«, sagte Arn.
Die anderen nickten begeistert und sahen mich erwartungsvoll an. Ja, die Mädchen rechneten bestimmt nicht damit, in ihrem eigenen Lager erwartet zu werden. Außerdem wußten wir nicht, aus welcher Richtung sie zurückkehren würden, so daß wir ihnen im Wald keinen Hinterhalt legen konnten.
Ich nickte. »Gut. Wir warten im Lager.« Es war Spätnachmittag. Wir hatten von den Vorräten gegessen, die wir mitgebracht hatten, und auch von dem Trockenfleisch und Brot, die in den Hütten gelagert waren.
Es war ein heißer Tag. Arn kaute auf einem Stück trockenem Sa-Tarna-Brot herum. Er spülte es mit einem Schluck aus seiner Flasche hinunter, die er unten am Fluß gefüllt hatte.
»Panthermädchen kehren gewöhnlich mit der Abenddämmerung ins Lager zurück«, sagte einer von Arns Männern.
»Dann haben wir ja noch zwei Ahn Zeit«, bemerkte ich.
»Ich habe seit über einem Jahr keinen Ka-la-na-Wein aus Ar mehr getrunken«, sagte Arn und verzog das Gesicht.
»Ich auch nicht«, fiel einer seiner Männer ein.
Es war wirklich ein vorzüglicher Ka-la-na. Auch mir ließ der Gedanke an den Wein keine Ruhe.
»Kapitän?« fragte einer meiner Männer.
»Na gut«, willigte ich ein.
Die Panthermädchen würden wahrscheinlich erst in zwei Ahn auftauchen.
Einer von Arns Männern zog den Korken aus einer Flasche und setzte sie an die Lippen. »Köstlich!« sagte er.
»Wir machen nur diese eine Flasche auf!« ermahnte ich sie. »Die anderen bleiben für später.«
Die Männer durften sich nicht betrinken – unser Plan hatte Vorrang.
Zwei meiner Männer, die gleich darauf die Wache im Wald ablösen sollten, tranken aus der Flasche und verschwanden. Auch Arn bekam seinen Teil und gab die Flasche weiter. Gleich darauf traten die beiden Männer ein, die bis eben im Wald gewacht hatten. Auch sie durften sich an dem Wein erfrischen. Schließlich war kaum noch etwas übrig.
»Kapitän«, sagte einer meiner Männer und reichte mir die Flasche.
Ich legte den Kopf zurück und trank aus. Der Wein schmeckte bitter, doch er hatte die Wärme und Qualität besten Ka-la-na-Weins aus Ar.
Ich schlenderte zum Eingang der Hütte und schaute hinaus. Die Sonne stand noch hoch in den Bäumen. Noch etwa eine Stunde bis zum Beginn der Dämmerung.
Ich drehte mich um und wollte in die Hütte zurückkehren. Auf der Schwelle stolperte ich. Mit der Hand krallte ich mich am Türpfosten fest.
»Wir sind die größten Trottel, die man sich vorstellen kann!« brüllte ich.
Arn starrte mich blinzelnd an. Der Mann, der die Ka-la-na-Flasche geöffnet und als erster getrunken hatte, krümmte sich am Boden. »Ich kann nichts mehr sehen!« kreischte einer meiner Männer. »Ich bin blind!« Arn rappelte sich auf und brach in die Knie.
»Flieht!« brüllte ich. »Flieht!«
Stolpernd verließen wir die Hütte. Links von mir sah ich ein schweres Netz, das über einen Mann geworfen wurde. Panthermädchen riefen durcheinander und verständigten sich durch Zurufe.
Ich schüttelte den Kopf und wich zurück. »In die Hütte!« befahl ich.
Am Tor standen vier Panthermädchen mit Speeren. Dort war die Flucht unmöglich.
Arn sank wieder in die Knie. Ich zog ihn hoch und stolperte mit ihm durch die Hütte. Draußen war einer meiner Männer bewußtlos zu Boden gesunken. Ein anderer kämpfte verzweifelt gegen ein Netz, bedrängt von einem Panthermädchen. Ein dritter lag auf dem Bauch und wurde mit schnellen Bewegungen von zwei Gesetzlosen gefesselt.
Mit einem Wutschrei trat ich die Rückwand der Hütte ein und stolperte zu den angespitzten Pfählen hinüber, die dahinter die Außenwand des Lagers bildeten.
Ich griff nach unten, packte mit beiden Händen zu und ruckelte einen der Pfähle los.
Gleich darauf zwängte ich mich durch die Öffnung, gefolgt von Arn.
»Sie fliehen!« hörte ich einen Schrei. »Zwei fliehen!«
Ich zerrte Arn mit und folgte einem Weg zwischen den Bäumen. Die Mädchen begannen uns schreiend zu verfolgen.
Arn stürzte.
»Steh auf!« brüllte ich. »Los, steh auf!« Ich schlug ihm ins Gesicht und zerrte ihn hoch.
Doch plötzlich hörte ich ein metallenes Schnappen neben mir. Arn stieß einen Schmerzensschrei aus und fiel nach vorn. Um sein rechtes Fußgelenk zogen sich die scharfen Stahlbänder einer Sklavenfalle.
Ich wußte, daß er verloren war. Trotzdem zerrte ich verzweifelt an der schweren Kette des Geräts, die zu einem tief eingerammten Pfosten führte. Hoffnungslos.
Ich warf Arn einen letzten Blick zu und stolperte weiter. Dabei verlor ich immer mehr die Orientierung. Ich rannte gegen einen Baum, brach mir durch das Unterholz Bahn. Mir war schwindlig, und ich konnte kaum noch etwas sehen. Ich weiß nicht mehr, wie weit ich gekommen bin. Jedenfalls lag ich plötzlich am Boden und versuchte mir einzureden, ich müßte unbedingt wieder aufstehen.
Doch ich schaffte es nicht mehr.
Als ich die Augen öffnete, sah ich die Füße mehrerer Panthermädchen neben mir. Dann verlor ich das Bewußtsein.
9
Ich erwachte und konnte mich nicht mehr bewegen.
Ich lag in der Mitte einer runden Lichtung. Ringsum ragten mächtige Turbäume auf. Sterne standen am Himmel. Gras wuchs auf der Lichtung, an deren Rand ich einen kurzen Sklavenpfosten entdeckte.
»Er ist wach«, sagte eine Mädchenstimme.
Eine Frau in kurzem Pantherfell näherte sich. Sie trug goldene Schmuckstücke an den Arm- und Fußgelenken und um den Hals. An ihrem Gürtel hing ein Sleenmesser.
Ich zerrte an meinen Fesseln, doch man hatte mich fachmännisch verschnürt.
»Sei gegrüßt, Sklave«, sagte das Panthermädchen und lachte.
Sie war eine der schönsten Frauen, die ich je gesehen hatte. Sie mochte der Verbindung einer Vergnügungssklavin mit einem Panther entsprungen sein – so begehrlich und katzenhaft war ihr Körper. Ich hatte keinen Zweifel, daß sie die Schlauheit eines Panthers besaß und ebenso stolz und hochmütig war.
»Ich bin ein freier Mann«, sagte ich, »und verlange das Recht des Gefangenen.«
Sie nahm einen Speer und fuhr mir mit der Spitze über Brust und Bauch. »Töricht von euch, den Wein zu trinken«, sagte sie.
»Ja.«
»Mein Lager hat schon mehr als einmal als Sklavenfalle gedient.«
Wütend zerrte ich an meinen Fesseln.
»Du bist weiter gekommen als je ein Sklave zuvor. Du bist stark.«
Ich hatte keine Zweifel, daß Verna zu mir sprach, die unbestrittene Anführerin der Panthermädchen in diesem Teil des Waldes. Von ihr hing es ab, was mit mir geschehen würde.
Ein anderes Mädchen trat hinter sie. Ich erkannte Mira, die mit mir in meinem Lager verhandelt hatte. Sie und Verna setzten sich mit untergeschlagenen Beinen neben mich.
»Wie heißt du?« fragte Verna.
»Wo sind meine Leute?« fragte ich zurück.
»Du wirst gefälligst meine Fragen beantworten!«
Ich spürte die Klinge eines Sleenmessers an der Kehle.
»Ich bin Bosk«, sagte ich, »von der Austauschinsel Tabor.«
»Du bist aufgefordert worden, nicht in den Wald zurückzukehren«, sagte sie und spielte mit dem Messer.
Ich schwieg. »Wo sind meine Männer?« wiederholte ich.
»In Ketten.«
»Was habt ihr mit uns vor?«
»Was bedeutet dir Talena?« gab sie zurück.
»Habt ihr sie gefangen?«
Wieder spürte ich das Messer an der Kehle.
»Vor langer Zeit waren wir einmal Gefährten.«
»Ach, und jetzt wolltest du die Gefährtenschaft erneuern, ja? Sie wäre sicher eine ausgezeichnete Partie für dich, nicht wahr?«
»Sie ist die Tochter eines Ubar!« rief ich.
»Ja, aber wir haben sie die Sklaverei gelehrt!« sagte Verna. »Ich würde dir empfehlen, sie zu vergessen. Sie ist deiner nicht mehr würdig.«