»Liebst du sie?« wiederholte Samos seine Frage.
»Natürlich!« rief ich ärgerlich.
»Es ist viele Jahre her.«
»Das ist egal!«
»Aber ihr beide habt euch seit damals vielleicht verändert.«
»Möchtest du dieses Thema mit dem Schwert erörtern?« fragte ich gereizt.
»Vielleicht«, sagte Samos, »wenn du mir erklären kannst, inwiefern das für dieses Thema sinnvoll ist.«
Ich senkte wütend den Blick.
»Es wäre doch durchaus denkbar, daß du nur eine Erinnerung liebst – und keine Frau. Ein Sinnbild, keine wirkliche Person mehr.«
»Wer nie geliebt hat«, sagte ich bitter, »sollte nicht von Dingen sprechen, die er nicht kennt.«
Samos blieb gelassen. »Das mag stimmen.«
»Du bist am Zug«, sagte ich.
Ich blickte durch den Saal. Einige Meter entfernt kniete die Sklavin auf den Fliesen, den großen Pagakrug neben sich. Sie blickte hochmütig auf den angeketteten männlichen Sklaven und lächelte ihn verächtlich an. Er erwiderte ihren Blick, und ich spürte, daß er zornig war über seine Demütigung.
»Und was ist mit Telima?« fragte Samos.
»Sie wird mich verstehen.«
»Ich habe Informationen«, berichtete er, »daß sie heute abend, als du dein Haus verlassen hattest, in die Sümpfe zurückgekehrt ist.«
Ich sprang auf.
Ich war außer mir. Der Raum schien um mich zu kreisen.
»Was hast du von ihr erwartet?« fragte Samos aufreizend ruhig.
»Warum hast du mir das nicht eher gesagt?«
»Was hättest du getan?« fragte er zurück. »Hättest du sie in Sklavenketten an deine Lagerstatt gefesselt?«
Ich starrte ihn wütend an.
»Sie ist eine stolze Frau.«
»Ich liebe sie …«, sagte ich.
»Dann geh in die Sümpfe und suche sie!« sagte er hart.
»Ich … ich muß aber in die nördlichen Wälder«, stotterte ich.
»Hausbauer auf Ubaras Schriftgelehrten Sechs«, sagte Samos ungerührt und rückte eine große schmale Holzfigur auf dem Brett in meine Richtung.
Ich senkte den Blick. Ich mußte meinen Heimstein verteidigen.
»Du mußt dich zwischen den beiden entscheiden«, sagte Samos.
Wie wütend ich war! Ich schritt durch den von Fackeln erleuchteten Saal, und meine Robe wehte hinter mir her. Ich schlug mit der Faust gegen die Steinmauern. Hatte mich Telima nicht verstanden? Begriff sie nicht, was ich tun mußte? Ich hatte mir Mühe gegeben, das Haus des Bosk in Port Kar groß zu machen. Ich bekleidete in der Stadt eine hohe Position. Ein Platz an meiner Tafel gehörte zu den ehrenvollsten in ganz Gor! Welche Ehre es war, die Frau des Kaufmanns und Admirals Bosk zu sein! Und doch hatte sie sich von allem abgekehrt? Sie hatte mich vor den Kopf gestoßen! Sie hatte es gewagt, mich, Bosk, bloßzustellen! Die Sümpfe hatten ihr nichts zu bieten. Wollte sie tatsächlich Gold, Edelsteine, Stoffe und Münzen, die vorzüglichen Weine und Bediensteten und Sklaven, die Sicherheit des Hauses Bosk gegen die einsame Freiheit und Stille der Sümpfe des Voskdeltas eintauschen? Erwartete sie etwa, daß ich ihr nacheilte und um ihre Rückkehr flehte, während Talena, meine frühere Gefährtin, als Sklavin in den grünen Wäldern des Nordens litt? Nein, dieser Trick funktionierte nicht!
Sollte sie doch in den Sümpfen leben, bis sie genug hatte, sollte sich doch verzweifelt zurückgekrochen kommen, sollte sie doch wie ein kleiner Haussleen wimmernd an der Tür kratzen und um Aufnahme flehen!
Aber zugleich wußte ich, daß Telima nie zurückkehren würde.
Tränen stiegen mir in die Augen.
»Was hast du vor?« fragte Samos, ohne den Blick von dem Spielbrett zu nehmen.
»Morgen früh«, erwiderte ich, »reise ich ab. Mein Ziel sind die Wälder des Nordens.«
»Tersites«, sagte Samos leise, »baut ein Schiff, das bis zum Ende der Welt segeln kann – und weiter.«
»Ich diene den Priesterkönigen nicht mehr!«
Ich wischte mir mit dem Ärmel meiner Robe die Augen. Dann kehrte ich zum Spielbrett zurück.
Mein Heimstein war bedroht.
Und doch fühlte ich mich entschlossen und stark. Ich trug mein Schwert. Ich war Bosk, ich hatte früher der Kaste der Krieger angehört.
»Heimstein auf Ubars Tarnkämpfer Eins«, sagte ich.
Samos bewegte die Figur für mich.
Ich deutete mit einem Kopfnicken auf den angeketteten männlichen Sklaven.
»Ist das der Sklave?« fragte ich Samos.
»Bringt ihn her«, befahl der Sklavenhändler.
Die beiden Wächter zerrten den Mann hoch und schleppten ihn, unter die Achselhöhlen gefaßt, herbei. Dann drückten sie ihn wieder in kniende Position. Das Sklavenmädchen lachte.
Der Sklave richtete sich starr auf und sah uns an. Sein Stolz schien ungebrochen zu sein, was mir gefiel.
»Du hast einen ungewöhnlichen Barbier«, sagte Samos.
Wieder kicherte das Mädchen.
Der kahlrasierte Streifen auf seinem Kopf zeigte an, daß er von den Panthermädchen der nördlichen Wälder gefangengenommen und als Sklave verkauft worden war. Von Frauen versklavt zu werden ist eine der größten Erniedrigungen, die man einem Goreaner antun kann – von Frauen, die ihn dann, wenn sie seiner überdrüssig geworden sind, mit Profit verkaufen.
»Es heißt«, sagte Samos, »daß nur Schwächlinge und Dummköpfe und Männer, die es verdient haben, von Frauen versklavt werden.«
Der Mann starrte Samos düster an. Ich spürte, daß sich seine auf dem Rücken gefesselten Hände zu Fäusten ballten.
»Auch ich war einmal der Sklave einer Frau«, sagte ich zu dem Mann.
Er starrte mich verblüfft an.
»Was soll nun aus dir werden?« fragte Samos.
Das breite Sklavenband, das sich um den Hals des Mannes zog, war aus gehämmertem Metall und zusammengeschmiedet; es hatte kein Schloß.
»Was immer du wünschst, Herr«, sagte er.
»Wie bist du den Panthermädchen in die Hände gefallen?« wollte ich wissen.
»Sie haben mich im Schlaf überfallen«, sagte er. »Ich erwachte und hatte ein Messer an der Kehle. Ich wurde angekettet, und dann fielen alle über mich her. Anschließend wurde ich an einen einsamen Strand des Thassa gebracht, am Westrand der großen Wälder.«
»Eine bekannte Kontaktstelle«, sagte Samos. »Eines meiner Schiffe hat ihn und ein paar andere dort erworben.« Er sah den jungen Mann an. »Erinnerst du dich noch an deinen Preis?«
»Zwei Stahlmesser«, sagte der Mann, »und fünfzig stählerne Pfeilspitzen.«
»Und ein Steingewicht harter Kandis aus der Küche Ars«, ergänzte Samos lächelnd.
»Ja«, sagte der Mann gepreßt.
Wieder lachte das Sklavenmädchen und klatschte in die Hände. Samos tadelte sie nicht.
»Was soll nun dein Schicksal sein?«
»Bestimmt wirst du mich zum Galeerensklaven machen«, sagte er.
Die großen Handelsgaleeren Port Kars, Cos’, Tyros’ und anderer Meeresmächte setzten Tausende solcher elender Sklaven ein, die mit Erbsen- und Schwarzbrotsuppe ernährt wurden, in den Ruderdecks angekettet waren und unter den Peitschen der Sklavenherren Frondienste leisten mußten. Ihr Leben erhielt seinen Rhythmus allein durch die Fütterungen, die Auspeitschungen und die schwere Arbeit an den Rudern.
»Was hast du in den nördlichen Wäldern gesucht?« fragte ich ihn.
»Ich bin ein Gesetzloser«, sagte er stolz.
»Du bist Sklave«, korrigierte ihn Samos.
»Wenige Reisende wagen sich in die Wälder des Nordens«, bemerkte ich.
»Im allgemeinen habe ich meine Beute außerhalb des Waldes gesucht.« Er sah die Sklavin an. »Manchmal auch im Wald.«