Auch im tiefsten Süden gab es Ubars, das wußte ich, doch ihre Länder waren klein und lagen weit im Landesinnern. Ihre politische Macht reichte kaum über die Landesgrenze hinaus.
Vielleicht mußte ich doch an die Tochter Lurius’ aus Jad herantreten, des Ubar von Cos. Sie war die Tochter eines Ubar. Wenn der Gefährtenpreis stimmte, würde er sie mir geben.
Aber vielleicht war es doch noch zu früh, an eine Gefährtenschaft zu denken. Ich konnte warten. Ich war geduldig.
Aber ich war auch wütend!
Ich hatte Talena nicht gerettet! Sie war verstoßen worden! Und ich und meine Männer waren den Panthermädchen in die Hände gefallen. Marlenus aus Ar hatte uns gerettet und gebot nun über Verna und ihre Mädchen. Er hatte das stolze Panthermädchen bezwungen. Er ging auf die Jagd und vergnügte sich, während ich und meine Männer die Gastfreundschaft seines Lagers genossen und von seiner Großzügigkeit zehrten. Er hatte mich vernichtend am Spielbrett geschlagen. Und er würde, wenn es ihm gefiel, Talena befreien und sie nach Ar mitnehmen.
Und ich und meine Männer – wir würden nach Port Kar zurückkehren, mit leeren Händen, das Zeichen unserer Schande auf dem Kopf, Zielscheibe des Spotts der Öffentlichkeit, während Marlenus als siegreicher Ubar nach Hause reiste, wieder einmal erfolgreich!
Was für ein Mann er war! Und wie klein und unbedeutend ich mir neben ihm vorkam! Ich begann ihn allmählich zu hassen.
Ja, Marlenus schien immer siegreich zu sein. Er schien sich nie zu verrechnen. Er hatte die Lage mit Verna und ihrer Bande richtig eingeschätzt – sie und ihre Mädchen waren jetzt seine Sklavinnen. Und wer mochte sich überhaupt gegen einen solchen Mann stellen? Wen hatte er zu fürchten? Marlenus verrechnete sich nie.
Ich freute mich auf die Rückkehr zur Tesephone. Daß ich eine Zeitlang mit meinen Gedanken allein gewesen war, hatte mir gutgetan. Ich wollte es meinen Männern eine Weile gestatten, mich wegen meines Haars zu verspotten, anders ging es nicht. Doch wenn die anfänglichen Spannungen gemindert waren, mußte ich meine Autorität als Kapitän wieder festigen. Und wenn es dann noch Streitfragen gab, mußte das Schwert entscheiden.
Aber niemand würde sich gegen mich stellen. Dazu kannte ich meine Mannschaft zu gut, die aus ausgewählten Männern bestand.
Ich freute mich auf ein Wiedersehen mit der kleinen Tina und Rims hübscher Sklavin Cara – und natürlich mit dem ehemaligen Panthermädchen Sheera. Und ich freute mich auf Thurnock und auf Rim, der mit dem Panthermädchen Grenna zur Tesephone zurückgekehrt war. Ihre Wunde war inzwischen sicher gut versorgt worden.
Am nächsten Morgen wollten wir flußabwärts fahren und nach kurzer Station in Laura nach Lydius weitersegeln. In Lydius wollte ich eine zweitägige Pause einlegen, dann ging es zurück nach Port Kar.
Ich lächelte vor mich hin. In meinem Lager mußten sich jetzt vier Pagasklavinnen befinden. Ich hatte sie noch nicht gesehen, doch Rim hatte sie als Schönheiten beschrieben.
Als ich mich dem Lager näherte, umklammerte meine Hand unwillkürlich den großen Bogen. Über meiner linken Schulter hing das Schwert, an meinem Gürtel ein Sleenmesser und daneben ein Köcher aus Verrleder mit neunzehn Temholzpfeilen.
Seltsam, daß Hesius kein Pfand für die Mädchen verlangt hatte, denn er kannte uns doch gar nicht. Dies fiel mir erst jetzt auf. Wenn ich es genau bedachte, kam mir auch sein Preis ausgesprochen niedrig vor, besonders wenn es sich um so hübsche Mädchen handelte, wie Rim sie beschrieben hatte. Gewiß, die Preise in Laura waren ziemlich niedrig, das glaubte ich gern. Doch bekam man gute Ware zu so günstigen Konditionen? Plötzlich verkrampfte sich meine Hand um den Langbogen. Ich blieb stehen und spannte ihn. Ich zog einen Pfeil aus dem Köcher und setzte ihn auf die Sehne. Mir war plötzlich kalt, eine eiskalte Wut durchströmte mich. Im Handumdrehen wurde mir alles klar – wir waren Narren gewesen! Mir fiel ein, daß Hesius freiwillig, als Geste des guten Willens, auch noch Wein mit ins Lager geschickt hatte!
Ich unterdrückte einen Wutschrei. Die Männer aus Tyros!
Versessen auf Talena, hatte ich sie völlig vergessen. Ich hatte nicht mehr auf die Gefahren geachtet, die ringsum lauerten!
Mit größter Vorsicht näherte ich mich dem Lager der Tesephone. Zwischen Ästen versteckt, überblickte ich den Lagerplatz.
Die Schutzmauer, die das Schiff zum Land hin abgeschirmt hatte, war niedergerissen worden. Da und dort lag die Asche von Lagerfeuern. Trümmer waren auf der Fläche verstreut. Der Sand war an vielen Stellen aufgewühlt, als wäre heftig gekämpft worden. Die tiefe Kerbe des Kiels zog sich durch den Sand, verschwand im Wasser.
Meine Männer, die Sklaven, die Tesephone – alles war verschwunden.
Ich ballte die Faust und legte die Stirn gegen den Ast, hinter dem ich stand.
Wieder mußte ich eine Niederlage hinnehmen.
13
Zweifellos trieben sich Tyrer in der Nähe herum und warteten auf Männer, die sich ahnungslos dem Lager näherten.
Sie sollten nicht ungeschoren bleiben!
Ich blieb in meiner Deckung und wartete.
Am Spätnachmittag sah ich sie – eine Gruppe von elf Kriegern, die sich am Flußufer aus Richtung Laura näherten. Ich hatte reglos im Schatten gewartet. Sie hatten keine Kundschafter vorausgeschickt.
Sie kamen kühn heran – das Dümmste, was sie tun konnten.
Einer der Männer hatte eine Flasche bei sich.
Sie wußten wenig über den Wald – das war ihr Pech. In ihrer Begleitung waren vier Mädchen, wie ich mit grimmiger Zufriedenheit feststellte. Zweifellos handelte es sich um die Pagasklavinnen aus Laura. Sie waren zwar gefesselt, doch sie lachten und scherzten mit den Männern.
Sie hatten bei der Aktion gegen mein Lager eine entscheidende Rolle gespielt. Sicher hatte man ihnen gesagt, sie sollten dafür sorgen, daß alle Männer im Lager von dem Wein tranken, der aus Laura mitgebracht worden war. Natürlich hatten sie begriffen, worum es bei dem Plan ging, sie hatten sich also zu Komplizen gemacht.
Ich wollte mit diesen Leuten abrechnen. Entschlossen eilte ich aus dem Wald und stellte mich der Gruppe entgegen.
Die Männer blieben einen Augenblick wie erstarrt stehen. Ich war etwa hundertfünfzig Meter von ihnen entfernt und sah ihnen gleichmütig entgegen.
Die Mädchen wurden zur Seite geschoben.
Die Männer zogen ihre Klingen und eilten auf mich zu, griffen mich an. Dummköpfe!
Auf kurze Entfernung durchschlägt ein Temholzpfeil einen zehn Zentimeter dicken Baumstamm, auf zweihundert Meter vermag er einen Mann noch an einem Baum festzunageln; auf vierhundert Meter tötet dieser Pfeil noch den riesigen Bosk. Ein geübter Schütze kann neunzehn Pfeile in einer goreanischen Ehn verschießen, die etwa achtzig irdischen Sekunden entspricht, und zwar auf verschiedene Ziele nacheinander, die er noch auf zweihundertundfünfzig Meter genau und tödlich trifft.
Die Männer stießen den tyrischen Kriegsschrei aus und rannten mit gezogenen Schwertern durch den Sand und Kies des Lauriusufers auf mich zu, dicht zusammen, ein gutes Stück von den Bäumen entfernt.
Ihr Wutgebrüll schlug mir entgegen, ihr Befehl, ich sollte mich ergeben. Sie begriffen noch gar nicht, wer hier der Jäger war.
Ich hatte die Beine gespreizt und stand seitlich im rechten Winkel zum Ziel; der Kopf war nach links gewendet; der erste Federpfeil lag auf der Sehne; die drei Halbfedern der Voskmöwe kitzelten meine Wange. Pfeil auf Pfeil schwirrte von der Sehne.
»Ergib dich!« brüllte der Anführer der Gruppe und blieb etwa sieben Meter vor mir stehen. Auf ihn hatte ich nun angelegt, und er wußte, daß ich ihn töten konnte. »Wir sind zu viele!« rief er. »Setz den Bogen ab!«
Ich spannte die Sehne.
»Tötet ihn!« brüllte er über die Schulter und sah sich nach seinen Männern um. Diese lagen in einer unregelmäßigen Reihe hinter ihm. Nur einer bewegte sich noch.
Er wandte sich wieder mir zu. Sein Gesicht war plötzlich kreidebleich.
Bei der Jagd tötet man zuerst den letzten seiner Angreifer, dann den vorletzten und so weiter. Auf diese Weise hebt man sich die leichtesten Ziele bis zuletzt auf. Außerdem haben die vorstürmenden Tiere keine Ahnung, daß die hinter ihnen schon nicht mehr leben. So spüren sie nichts von der Gefahr, in der sie schweben. Sie halten alles für Fehlschüsse, während ihre Artgenossen längst hinter ihnen gestorben sind.