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Eine Prisenmannschaft von etwa fünfzig Tyrern war an Bord der Tesephone. Die eigentliche Mannschaft der Rhoda, die jetzt sicher nicht mehr komplett war, mochte etwa hundert betragen haben. Die Sklavin, die ich eben befragt hatte, schätzte die Kampfstärke der Tyrer auf etwa zweihundert Mann. So nahm ich an, daß sich gut hundertundfünfzig Krieger dem Lager des Marlenus näherten. Sie hatten elf Männer hier zurückgelassen, um etwaige Nachzügler aufzugreifen. Doch anscheinend hatten sie mit niemandem gerechnet, denn sie waren sehr unvorsichtig vorgegangen.

Ich wandte mich an die Sklavinnen, die niedergeschlagen im Sand hockten.

»Ihr habt bei einem Angriff mitgewirkt, dem meine Männer zum Opfer gefallen sind. Ohne euch wäre der Plan fehlgeschlagen.«

»Hab Mitleid, Herr!« flüsterte eins der Mädchen.

»Wer von euch ist ein Waldmädchen?«

»Wir kommen alle aus der Stadt«, sagte die Rothaarige. »Nimm uns nicht mit in den Wald!«

»O doch«, erwiderte ich. »Wenn ihr mir aufs Wort gehorcht, habt ihr eine Überlebenschance. Wenn nicht, ist es schnell mit euch aus.«

»Wir werden dir gehorchen.«

Ich lächelte. »Wann sind die Tyrer zu Marlenus’ Lager aufgebrochen?« fragte ich.

»Gestern morgen.«

Das konnte nach der Trockenheit des Sandes in der Kielspur der Tesephone stimmen. Ich hatte also keine Chance mehr, das Lager des Marlenus vor den Angreifern zu erreichen, um ihn zu warnen.

Aber Marlenus hatte bestimmt überall Wachen ausgestellt. Er war ein kluger Jäger, ein großer Ubar und Krieger. Außerdem hatte er etwa hundert Männer bei sich. Es wunderte mich etwas, daß sich die Angreifer aus Tyros dem Lager mit nur hundertundfünfzig Kriegern zu nähern wagten. Marlenus’ Leute waren kampferfahren, zumal es sich in diesem Fall um eine ausgewählte Gefolgschaft handelte. Die Krieger Ars gehörten ohnehin zu den besten auf Gor.

Ich fragte mich, ob Marlenus überhaupt einer Warnung bedurfte. Selbst wenn die Männer aus Tyros die Überraschung auf ihrer Seite hatten, war ihre Überlegenheit von nur fünfzig bis sechzig Männern ein ziemlich großes Risiko – es sei denn, daß ich etwas übersehen hatte, das da noch mehr zu berücksichtigen war.

Es mußte noch etwas geben.

Und dann erkannte ich die Wahrheit. Die Männer aus Tyros hatten ihre Aktion sorgfältig geplant. Ich bewunderte sie. Sie hatten einen komplizierten Plan geschmiedet – doch wo fanden sie Verbündete im Wald?

Es wollte mir scheinen, als habe sich Marlenus zum erstenmal in seinem Leben verrechnet. Ich besiege jede Stadt, hatte er gesagt, hinter deren Mauern ich ein Tarngewicht Gold schmuggeln kann.

Ich zog mein Sleenmesser und stürzte auf die Sklavinnen los. Ich zerrte der hübschen Schwarzhaarigen den Kopf in den Nacken und setzte ihr die Klinge an die Kehle.

»Eine Sklavin«, sagte ich gepreßt, »sollte ihrem Herrn alles erzählen.«

»Ja, Herr.«

»Was geschieht im Wald beim Lager des Marlenus?« fragte ich.

»Es ist ein Überfall geplant!« flüsterte sie.

»Ja – durch die Männer aus Tyros«, sagte ich. »Aber wer nimmt noch daran teil?« Wieder zerrte ich an ihrem Haar.

»Panthermädchen!« flüsterte sie. »Über hundert Panthermädchen. Die Bande Huras!«

Ich hatte gewußt, daß ihre Antwort so lauten würde.

Ich nahm das Messer nicht von ihrer Kehle.

»Warum hast du mir das nicht gleich gesagt?«

»Ich hatte Angst!« schluchzte sie. »Ich hatte Angst! Die Männer aus Tyros werden sich rächen!«

»Wen fürchtest du mehr – die Männer aus Tyros oder mich?«

»Dich, Herr!« flüsterte sie.

Ich nahm das Messer von ihrem Hals und steckte es fort. Sie sank erleichtert zusammen.

»Wie heißt du?« fragte ich.

»Ilene.«

Das war ein irdischer Name!

»Kommst du von der Erde?«

Sie sah mich an. »Ja«, sagte sie leise. »Ich wurde von Sklavenhändlern gefangen und nach Gor gebracht. Ich stamme aus Denver in Colorado.«

»Du hast mir viel verraten«, sagte ich. »Es wäre nicht angenehm für dich, den Tyrern oder den Panthermädchen in die Hände zu fallen. Du mußt mir also aufs Wort gehorchen.«

»Ja, Herr.«

»Und jetzt werden wir aufbrechen.«

Ohne ein weiteres Wort verließ ich das Ufer und drang in den Wald ein.

Ich hatte Schwert, Sleenmesser, Bogen und Köcher bei mir. Ich forderte die Mädchen nicht auf, mir zu folgen.

Wenn sie wollten, konnten sie zurückbleiben, nackt und gefesselt, eine leichte Beute für Sleen und Panther. Sie hatten meinen Feinden gedient, und ich hatte kein Mitleid mit ihnen. Ihr Wohlergehen, das ließ ich durch mein Verhalten erkennen, kümmerte mich wenig.

»Warte, Herr!« rief ein Mädchen hinter mir.

Ich blieb nicht stehen. Weinend folgten mir die Mädchen, versuchten mit mir Schritt zu halten.

14

Am Nachmittag erreichte ich Marlenus’ Lager. Das Tor schwang sanft im Wind. Die Stämme der Palisadenmauer waren an vielen Stellen aus dem Boden gerissen oder abgebrochen worden. An einer Stelle hatte es sogar einen Brand gegeben. Die noch vorhandenen Zelte waren angesengt und zerfetzt. Aufgebrochene Kisten lagen herum – und viel Asche. Ich bemerkte, daß die Brandschäden sich auf das Innere des Lagers beschränkten – ein Hinweis darauf, daß der Feind die Brände nach dem Eindringen in das Lager gelegt hatte. Nichts deutete darauf hin, daß das Tor eingeschlagen worden war.

Ich bückte mich und fand eine schlichte Kette aus Muscheln der Vosksorp. Sie war zerrissen und mochte einem kämpfenden Panthermädchen vom Hals gerissen worden sein.

Ich untersuchte die Fußspuren. Um einige Feuerstellen lagen die Reste eines Festmahls und leere Flaschen. Der Wein stammte aus Marlenus’ Vorräten. Ich wußte, daß er nur Weine Ars trank.

Einige Vögel kreisten über den Ruinen des Lagers. Zum erstenmal in seinem Leben hatte sich Marlenus verrechnet.

Es war nicht sehr schwierig, die Ereignisse nachzuvollziehen. Marlenus wollte in Kürze den Wald verlassen. Aus diesem Anlaß hatte er ein Festmahl angeordnet. Als Ehrengäste waren dazu auch die Panthermädchen aus Huras Bande geladen. Marlenus’ Männer, die den Erfolg der Expedition und den Ruhm ihres Ubar feierten, hatten nach Kriegerart dem Wein kräftig zugesprochen.

Als das Fest seinen Höhepunkt erreichte, hatten ein paar Panthermädchen die Wächter am Tor überwältigt und das Tor geöffnet. Auf ein Zeichen hin waren die Panthermädchen im Lager, unterstützt durch die von draußen hereindrängenden Tyrer, mit Knüppeln und Seilen und Speerschäften zum Angriff übergegangen. Mit dem Verrat von innen und dem Angriff von außen mußte das Lager eine leichte Beute gewesen sein. Außerhalb des Palisadenzauns fand ich mehrere Leichen, von denen bereits einige von Sleen und anderen Raubtieren angefressen worden waren. Die Männer Ars hatten sich mutig gewehrt, doch alles in allem hatte es nur etwa vierzig Gefallene gegeben. Fünfundzwanzig Tote trugen das Gelb von Tyros.

Der Überfall hatte die Lagerbewohner offenbar völlig überrascht und war planmäßig verlaufen.

Marlenus hatte ich nicht unter den Gefallenen gefunden – so nahm ich an, daß der Ubar zusammen mit etwa fünfundachtzig Mann in die Gefangenschaft geraten war.

Neun von meinen Leuten waren bei Marlenus gewesen. Auch von ihnen war keiner gefallen, so daß sie wohl ebenfalls gefangengenommen worden waren. Zusammen mit Rim, der von den Angreifern aus meinem Lager mitgenommen worden war, verfügte Sarus aus Tyros also über etwa sechsundneunzig männliche Gefangene und zahlreiche Frauen in seiner Gewalt – die Sklavinnen Sheera, Cara, Tina und Grenna aus meinem Lager, Verna und ihre Frauen aus Marlenus’ Lager sowie die Sklavinnen, die Marlenus mitgebracht hatte.

Meiner Schätzung nach standen also noch etwa hundertundfünfundzwanzig Mann unter Sarus’ Kommando.

Ich verließ das Lager am Nachmittag. Hier konnte ich nichts mehr tun.

Die Männer aus Tyros hatten es sicher sehr eilig, ihre Gefangenen durch die Wälder nördlich von Laura und Lydius zu führen und die Austauschstelle zu erreichen, wo die Rhoda und die Tesephone auf sie warten sollten.